Niki Lauda: Gedanken zum Tod eines Giganten
Niki Lauda war ein Weltstar, ein Gigant. Der Mann mit dem roten Kapperl war überall präsent, seine Meinung, seine Wortspenden waren gefragt. Sein Leben war von Sternstunden geprägt und von schweren Katastrophen durchsetzt. Dreimal Automobil-Weltmeister, 1975, 1977 und 1984, und dann stapft dieser Mann 1991 über das Absturzfeld seiner Boeing in Thailand, zwischen den Trümmern und Leichen, gibt’s etwas Ärgeres?
Von seinem Feuerunfall am Nürburgring am 1. August 1976 war er zeitlebens gezeichnet. Doch die Welt verneigte sich vor ihm, wo immer er auftauchte.
Fünf Wochen nachdem er in jenem Sommer 1976 die Mannheimer Klinik verlassen hatte, stieg er auf der Ferrari-Teststrecke von Fiorano erstmals wieder ins Cockpit. Die Rennpolitiker von Ferrari hatten ihren Weltmeister für dieses Jahr bereits abgeschrieben. Niki hatte Angst, seine Brandwunden waren kaum verheilt. Er hatte Angst vor dem Feuer.
Bei einer Pressekonferenz nahm Lauda mit einer mutigen Ansage den Medien den Wind aus den Segeln: «Ich trage ab jetzt meinen Oberschenkel im Gesicht.»
Am 12. September 1976 wurde er in Monza Vierter und damit bester Ferrari-Fahrer, Carlos Reutemann wurde Siebter, Clay Regazzoni Neunter. Die Vollgasbranche staunte. Niki wurde zum Phantom der Rennpisten.
Ich war dabei, als er in Fuji den Sturzhelm abnahm, weil ihm das Leben wertvoller war, als der WM-Titel. «Sagen wir, es war ein Motorschaden», riet ihm der Ferrari-Rennleiter. «Nein», erwiderte Lauda sofort, «wir bleiben bei der Wahrheit.»
So war er: Immer der Wahrheit verpflichtet, immer geradlinig.
Als die Lauda-Air über Thailand abstürzte, unterrichtete er die Öffentlichkeit immer mit der vollen Wahrheit, nichts wurde verschleiert. Er machte so lange Druck, bis sich herausstellte, dass sich die Schub-Umkehr im Flug aktiviert hatte.
Niki war geprägt von einem glasklaren Schwarz-Weiss-Denken. Die kürzeste Verbindung zweier Punkte war immer eine Gerade. Er hasste Lügner und Politiker, die das Volk verdummen.
Ich flog mit Niki in seinem Privat-Jet von Salzburg nach Long Beach zum Grand Prix. Beim Anflug auf Narsarsuag tobte über Grönland ein Orkan. Niki gab das Steuer an seinen Piloten Helmut Kaar mit den Worten ab: «Du landest, du hast mehr Erfahrung.» So war er: immer am Boden der Tatsachen.
Jahre später hörte ich vom Boeing-Chefpiloten: «Niki Lauda war der beste Pilot, den wir je in unserem Ausbildungs-Center hatten.»
Ein seltsames Erlebnis mit Niki wird mir ewig in Erinnerung bleiben. In einem Fiat-Coupé chauffierte er mich um den Nürburgring.
Ausgerechnet bei Kilometer 10.5, also genau an jener Stelle, wo er drei Tage später seinen Feuerunfall haben sollte, bliebt er fast stehen.
Ich habe seine Worte auf einem Recorder mitgeschnitten, und sie wurden zu einem zeitlosen Dokument für das Drama vom Nürburgring. Nikis Stimme klingt nicht cool, eher rebellierend, als würde er sich gegen ein Schicksal auflehnen, dem er nicht entrinnen kann: «Du fährst hier im vierten Gang hinunter, Vollgas, ich würde sagen 240 bis 250 km/h. Wenn hier ein Reifen platzt oder was bricht! Da fliegst du dort tief hinunter, oder hier hinauf, oder da rein, da ist nix, nur Felsen, Böschung, jetzt habens’ ein paar Fangzäune aufgestellt, aber das reicht doch nicht.»
Genau hier flog Niki im Rennen am 1. August 1976 in die Fangzäune.
Sicher waren es die Spätfolgen dieses Feuerunfalls vom Nürburgring, die dazu führten, dass Niki 1997 von seinem Bruder Florian eine Niere transplantiert bekam, und 2005 von seiner Gattin Birgit eine zweite. Im Sommer 2018 musste er sich im Wiener AKH einer Lungentransplantation unterziehen, von der er sich nie mehr erholen sollte.
Um ihn trauern seine Kinder Mathias, Christoph, Lukas, Max und Mia sowie seine Gattin Birgit.
Als Aufsichtsratsvorsitzender des Formel-1-Rennstalls von Mercedes-Benz war er Mitbegründer der Siegesserie mit fünf Fahrer-WM-Titeln und fünf Konstrukteurs-Pokalen in Folge.
Niki Lauda war ein Gigant. Sein schönstes Vermächtnis: Die Menschen werden ihn nicht vergessen.