MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

Brasilien-Crash Vettel – Leclerc: Fortsetzung folgt

Kolumne von Mathias Brunner
Sebastian Vettel, Mattia Binotto und Charles Leclerc

Sebastian Vettel, Mattia Binotto und Charles Leclerc

​Immer wieder hat Ferrari-Teamchef Mattia Binotto beteuert, das Verhältnis zwischen seinen beiden Piloten sei intakt. In Interlagos sah das nicht so aus, als Sebastian Vettel und Charles Leclerc crashten.

Jetzt mal ehrlich: War das nicht einfach eine Frage der Zeit, bis Sebastian Vettel und Charles Leclerc nicht nur verbal kollidieren? Ihr Crash im Brasilien-GP ist für Ferrari peinlich, aber er war so absehbar wie der nächste Sonnenaufgang.

Ferrari-Teamchef Mattia Binotto ist wirklich nicht zu beneiden. Er muss zwei herausragende Rennfahrer unter Kontrolle behalten, welche um die Vormacht bei Ferrari kämpfen. Es ist die klassische Situation des etablierten Stars gegen den aufstrebenden Herausforderer. Wir haben das immer und immer wieder erlebt – etwa als Alain Prost 1984 zu Niki Lauda kam und sofort nach den Waden von Niki Lauda schnappte. Der Franzose begann unverzüglich, die Position des Österreichers zu unterminieren, auf und abseits der Rennstrecke. Wie sich das anfühlt, hat Prost dann selber zu spüren bekommen, als Ayrton Senna zur Saison 1988 hin zu McLaren kam.

Und Sebastian Vettel kennt das Gefühl aus jeder Perspektive: Als er 2009 zu Red Bull Racing kam, war Mark Webber dort der erfahrene Mann. Ihre Rivalität war intensiv, um es höflich zu formulieren. 2014 waren die Rollen umgekehrt: Der Australier Daniel Ricciardo kam zu RBR und schloss die Saison prompt vor dem vierfachen Weltmeister Vettel ab.

Nach der Blamage in Brasilien ist viel Fingerspitzengefühl gefragt, von der Teamleitung, aber auch von den Piloten. Ob ein Arbeitsverhältnis zwischen zwei Alpha-Tieren noch mit Müh und Not bewahrt werden kann oder zerbröselt, das hängt nicht allein von den Führungsqualitäten des Teamchefs ab, sondern auch vom Willen der Fahrer.

Egal, welche Beteuerungen wir von den Ferrari-Fahrern zu hören erhalten, beide haben guten Grund, den Anderen mit Argwohn zu betrachten. Vettel ist viel zu klug um nicht zu wissen: Leclerc wird alles dafür tun, ihn vom Thron zu schubsen. Hinter dem Engelsgesicht des Monegassen steckt ein knallharter Racer.

Leclerc wird allein schon aus diesem Grund nicht klein beigeben: Ein aufstrebender Pilot, der sich brav unterordnet, erhält schnell mal das Etikett Nummer 2. Das kann sich kein Fahrer in seiner Situation erlauben. Schon gar nicht, wenn er nicht nur Pole-Positions erringt und Rennen gewinnt, sondern glasklar aus dem Holz eines Weltmeisters geschnitzt ist. Kommende Champions winken ihre Stallgefährten nicht höflich vorbei, sie zerstören sie.

Vettel auf der anderen Seite ist mit allen Wassern gewaschen. Das weiss auch Leclerc. Der junge Charles meinte nach dem Stallorder-Schlamassel von Sotschi zwar: «Das Vertrauen zwischen uns ist intakt. Und wir müssen uns vertrauen können, das ist ganz elementar für den Erfolg des Teams.» Doch Leclerc ist kein naiver Dummkopf. Was Charles sagt, ist nicht gezwungenermassen, was Charles denkt.

Leclerc weiss, wie Vettel und Webber damals in der Türkei kollidierten. Leclerc kennt den Multi-21-Skandal von Malaysia – als ein junger Vettel den führenden Webber attackierte, obschon der Kommandostand von Red Bull Racing die Order ausgegeben hatte, die Plätze zu halten. Vettel war das einerlei, er gewann, Mark schäumte, und ihr Verhältnis hat sich davon nie erholt.

Vettel erkennt, dass ihm die Zeit durch die Finger rinnt. Er steht im fünften Jahr mit Ferrari, er hat all sein Talent und seine Hingabe investiert, in Rot Weltmeister zu werden, aber das klappt auch 2019 nicht, und es ist gut möglich, dass 2020 ein Anderer von seiner jahrelangen Plackerei profitiert. Das ist bitter.

Mattia Binotto kann sich noch ein Dutzend Mal mit seinen beiden Piloten zusammensetzen und auf Vernunft pochen. Nützen wird das wenig. Denn wie mir Red-Bull-Chefberater Dr. Helmut Marko einmal sagte: «Du legst deinen Fahrern die guten Absichten dar, und beide nicken und beteuern, dass sie sich beim nächsten Mal vernünftig verhalten werden, aber dann klappt das Visier herunter, das Rennen beginnt, und sie vergessen schlicht alles, was du ihnen gesagt hast.»

Ein Gespräch in Maranello mit ein paar Tagen Abstand ist gewiss eine kluge Sache von Mattia Binotto. Aber es ändert nichts an der Ausgangslage: Es widerstrebt einfach dem Wesen eines Siegfahrers nachzugeben. Da kann man einen Fisch auch gleich bitten, nicht zu schwimmen.

Lösbar ist das Ferrari-Dilemma nur mit einer klaren Rollenverteilung – als Eddie Irvine und Rubens Barrichello die Wasserträger von Michael Schumacher spielten oder als Kimi Räikkönen neben Sebastian Vettel fuhr.

Wenn Seb und Charles das gleiche Stück Asphalt für sich beanspruchen, dann wird Leclerc auch weiterhin nicht vom Gas gehen. Räikkönen hätte den Platz preisgegeben.

Was den puren Speed angeht, so fährt Leclerc mindestens auf Augenhöhe mit Vettel. Sebastian hat dem jungen Monegassen die Erfahrung voraus. Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, dass Vettel der bessere Abstimmer ist. Sein Pech – die Daten liegen bei Ferrari völlig offen. Leclerc kann sich alles angucken, und er lernt verdammt schnell.

Also wie wird das alles nun weitergehen?

Für mich steht fest: Dieses Verhältnis ist zerrüttet und wird sich erst in Wohlgefallen verwandeln, wenn einer der beiden Ferrari verlässt. Es ist absehbar, wer das sein wird. Vettel galt in den letzten Jahren immer als beste Chance von Ferrari, den ersten Fahrer-WM-Titel seit Räikkönen 2007 nach Maranello zu holen. Das hat sich geändert.

Der Heppenheimer hat immer dementiert, an Rücktritt zu denken. Und ich kaufe ihm das durchaus ab. Ich weiss, wie wichtig ihm die Mission WM-Titel mit Ferrari ist. Er liebt den Rennsport tief und innig. Aber er wird nicht jünger, und Leclerc wird nur stärker.

Der nächste Crash ist programmiert, und es wird der Punkt kommt, an welchem Sebastian Vettel sich fragt, wie lange er sich das noch antun will.

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