Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Formel-1-Sportchef Ross Brawn: «Wir prüfen alles»

Von Rob La Salle
Formel-1-Sportchef Ross Brawn

Formel-1-Sportchef Ross Brawn

​Ross Brawn, Sportchef der Formel 1, spricht über die leise Hoffnung, die GP-Saison der Königsklasse zu retten. Kern des Plans: Rennen ohne Zuschauer. Aber das ist bei weitem nicht das einzige Problem.

Der Spanier Carmelo Ezpeleta, CEO von MotoGP-Promoter Dorna, macht sich keine Illusionen über die Grand-Prix-Saison 2020: «Wenn wir Pech haben, werden alle Rennen abgesagt.» Ezpeleta redete im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com Klartext. «In Spanien ist die Situation sehr schlimm, in Italien und Frankreich auch. Bevor wir keine Impfstoffe haben, um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen, wird es sehr schwierig oder gar unmöglich sein, Grands Prix zu organisieren.»

«Selbst wenn sich das Leben wieder ein bisschen normalisieren sollte, werden die Reiseverbote in allen Ländern aufrecht bleiben. Wenn es nicht so wäre, wären sie verrückt. Es wird also nicht gehen, dass eine grosse Anzahl von Menschen ein Fussballmatch live miterlebt, einen MotoGP-Event oder sonst eine Grossveranstaltung besucht.»

«Ich bin nicht sehr zuversichtlich, dass wir die Möglichkeit haben werden, die GP-Saison 2020 durchzuführen. Auch wenn wir weiter emsig daran arbeiten. Wir fassen alle erdenklichen Lösungen ins Auge», ergänzte der Barcelonese. Und was er sagt, trifft 1:1 auch für die Formel 1 zu. «Ehrlich gesagt: Es würde mich überraschen, wenn es möglich wäre, in diesem Jahr überhaupt noch Rennen zu veranstalten.»

Von der Formel-1-Führung hatten wir seit den unrealistischen Durchhalteparolen von Serien-CEO Chase Carey («Wir wollen 15 bis 18 Rennen durchführen.») nichts mehr gehört. Bis jetzt. Nun sagt Formel-1-Sportdirektor Ross Brawn gegenüber dem britischen Bezahlsender Sky: «Wir sehen uns alle Möglichkeiten an, wir prüfen alles. Besonders genau erörtern wir die Logistik zur Durchführung eines Rennens unter Ausschluss von Zuschauern – wie könnten wir die Fachkräfte hinbringen, wie können wir sie schützen, wie sieht ein sicheres Arbeitsumfeld aus, wer darf ins Fahrerlager?»

«Wir könnten eine Art geschlossenes Umfeld erzeugen, die Teams in Charterflügen transportieren, sie kontrolliert zur Strecke bringen, mit Fachkräften, die auf den Virus getestet sind. Ein solches Rennen ohne Zuschauer wäre nichts Grossartiges, aber besser als gar nichts.»

«Wenn wir überhaupt daran denken wollen, 2020 noch Rennen auszutragen, dann muss das ab Oktober passieren. Sonst macht es keinen Sinn mehr. Es gibt auch den Plan, eine stark verkürzte Saison sehr spät zu beginnen und dann in den Januar 2021 fortzusetzen. Die Möglichkeit von GP-Wochenenden aus nur zwei Tagen bleibt bestehen.»

Alles schöne Worte, doch man muss kein Prophet sein, um sich auszumalen, warum Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta ganz offen von einer Absage der kompletten MotoGP-Saison 2020 spricht und sogar für 2021 die Aussperrung aller Gäste und Medien aus dem Fahrerlager überlegt. Denn die Gesundheit der Beteiligten kann erst dann gewährleistet werden, sobald ein Impfstoff gegen Covid-19 weltweit verfügbar ist. Und das wird bis zu 18 Monate dauern.

«Wir müssen sicherstellen, dass wir keinen einzigen Menschen anstecken», erklärte Carmelo Ezpeleta im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Wichtig ist, dass die Sicherheit und die Gesundheit aller Beteiligten gewährleistet ist. Wenn sich bei einem unserer Events jemand infiziert, wird man uns das ewig vorwerfen.»

Wer aufmerksam mitverfolgt hat, was den leichtsinnigen Verantwortlichen des Tiroler Coronavirus-Hotspots in der Skisport- und Après-Ski-Metropole Ischgl (1200 Schneekanonen, 230 Pisten-km) blüht, bringt rasch Verständnis für die Vorsichtsmassnahmen der Dorna auf. Das Strafrecht hält nämlich Massnahmen gegen jeglichen Missstand bereit. Das Tiroler Landeskriminalamt ermittelt deshalb jetzt in Ischgl gegen Gastronomen, Hotelbesitzer und sogar gegen die lokale Gesundheitsbehörde wegen des Delikts der fahrlässigen Verbreitung einer gefährlichen Seuche.

Schon in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre wurde zur Zeit der rasch um sich greifenden AIDS-Erkrankungen heftig diskutiert, ob schon bei der leichtsinnigen Verbreitung von AIDS die Voraussetzung für Strafbarkeit gegeben ist, ob ein Vorsatz nachgewiesen werden müsse oder ob es reiche, wenn der Beschuldigte die Ansteckung und die Übertragung des HIV-Virus billigend in Kauf nahm.

Was vor mehr als 30 Jahren bei der HIV-Infektion oder später bei Ebola galt, können die Gerichte heute auch bei der mutwilligen Verbreitung von Coronaviren bestrafen. Den Rechtsgütern Leib, Leben, Gesundheit oder Vermögen sei es egal, an welcher Infektion sie zugrunde gehen, schrieb SPIEGEL.de schon am 20. März 2020.

In Ischgl gehen die Ermittler inzwischen dem Verdacht der fahrlässigen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nach.

Solch eines Delikts würde sich jeder Unternehmer oder Veranstalter schuldig machen, der in absehbarer Zeit eine Grossveranstaltung durchführt, bevor es wirksame Impfstoffe gegen Covid-19 gibt.

Deshalb arbeitet die Dorna verantwortungsvoll und eng mit allen Gesundheitsbehörden in allen Veranstalter-Ländern zusammen. Aus diesem Grund wurden die Absagen der Motorrad-WM-Events von Losail/Katar (MotoGP am 8. März), Buri Ram/Thailand (22. März), von Austin/Texas (5. April) und von Termas de Río Hondo (19. April) bereits zu einem Zeitpunkt verkündet, als die Formel 1 noch die Grand Prix in Australien, Bahrain und Vietnam durchziehen wollte.

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