Franz Tost (AlphaTauri): «Dann dauert das ewig»
Franz Tost bei den Wintertests in Barcelona
Als Alpha-Tauri-Teamchef Franz Tost vom vermeintlichen Saisonstart in Australien zurückkehrte, erkannte der Tiroler seine Wahlheimat Italien nicht wieder. «Als ich von Rom mit dem Auto gut zwei Stunden nach Faenza gefahren bin, bin ich auf der ganzen Strecke vielleicht zwanzig Autos begegnet! Die Autobahn war leer. Man sah niemanden auf der Strasse, das gesamte Leben fand bei den Leuten zuhause statt. Du siehst aus dem Fenster auf die Strasse, und keine Menschenseele ist zu entdecken. Wir sind es hier in Italien gewohnt, dass sich die Leute gerne im Ferien aufhalten, Italiener sind ohnehin gesellige Menschen. Das war schon gespenstisch.»
Seither ist nicht nur das Leben in Italien auf den Kopf gestellt worden: Mehr als zwei Milliarden Weltenbürger sind von Ausgangssperren betroffen, 1,5 Millionen wurden mit SARS-CoV-2 angesteckt, mehr als 88.500 haben den Kampf gegen die Lungenkrankheit Covid-19 verloren. In keinem Land sind mehr Todesopfer zu beklagen als in Italien (17.669), aber in wenigen Tagen werden die USA diese traurige Bestmarke übernehmen. Die USA stehen bei 14.795 Toten.
Millionen von Menschen haben sich damit arrangiert, von zuhause aus zu Arbeiten, und das führt uns zur ersten Frage an AlphaTauri-Teamchef Franz Tost.
Franz, wie sieht eigentlich «home office» für einen Formel-1-Teamchef aus?
Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Es gibt täglich einige Videokonferenzen, ich befinde mich im Austausch mit Mitarbeitern, Sponsoren und anderen Teamchefs, dazu beantworte ich Pressefragen.
Ich erkenne bei den Menschen zwei Richtungen, was das Informationsbedürfnis angeht. Die einen saugen alles in sich auf, was über Corona berichtet wird, andere schotten sich bewusst ab. Wie machst du das?
Mir geht das Corona Thema unendlich auf die Nerven. Aber am Abend schaue ich mir die Nachrichten an, um zu dieser Problematik am Laufenden zu bleiben.
Sind weiterhin alle im Team gesund?
Ja, alle sind gesund – und lechzen nach Rennen.
Die Formel-1-Rennställe stecken stattdessen in einer vorgezogenen Sommerpause, die inzwischen von der FIA auf 35 Tage verlängert worden ist. Wie lange wird diese Pause bei AlphaTauri in Faenza dauern?
Dieses Shutdown wird auf alle Fälle bis zum 3.Mai dauern. Es besteht aber durchaus die Möglichkeit, dass die Pause verlängert wird. Die Teams müssen die Kosten runterfahren, weil wir ja keine Rennen bestreiten und dadurch auch keine Einnahmen verzeichnen.
Was passiert danach? Kehrt unter den Vorgaben der italienischen Regierung überhaupt jemand an den Arbeitsplatz zurück?
Wann wir wieder mit der Arbeit beginnen, das hängt von der Entscheidung der Regierung ab und vom Zeitpunkt, wann eventuell Rennen bestritten werden.
Die Briten haben in der Krise ein Hilfsplan für Unternehmen ins Leben gerufen, den so genannten «Coronavirus Job Retention Scheme». Innerhalb dieses Plans kann die Belegschaft beurlaubt werden, 80 Prozent des Gehalts übernimmt der Staat. Wie geht eine solche Lösung in Italien?
Wir bereiten dieses Szenario gerade für Bicester und Faenza vor. Aber generell ist der Hilfsplan in England wesentlich effektiver als der italienische.
Bislang war in Italien von einer Ausgangssperre bis 13. April die Rede. Das wäre also eine Dauer von rund einem Monat. Wie präsentiert sich derzeit die Lage? Hat Ministerpräsident Giuseppe Conte überhaupt eine andere Wahl, als diese Frist zu verlängern?
Ja, gegenwärtig plant die Regierung eine schrittweise Lockerung der Massnahmen ab 14. April, sprich also nach Ostern. Ob das allerdings für alle Distrikte gilt, das weiss ich nicht. Ich erwarte dazu noch genauere Anweisungen. Für AlphaTauri hat das keine Auswirkungen, da wir ohnehin bis 3. Mai den Betrieb eingestellt lassen.
Wir stecken hier in einer Zwickmühle, wie mir scheint. Unternehmer fordern, die Massnahmen zu lockern, weil die Wirtschaft stark leidet. Aber eine zu frühe Lockerung birgt die Gefahr, dass es wieder zu mehr Ansteckungen kommt. Wie kann deiner Ansicht nach ein vernünftiger Kompromiss aussehen?
Zu diesem Thema einen vernünftigen Kompromiss zu finden, das ist sehr schwierig. Ich denke grundsätzlich nicht, dass eine globale Entscheidung möglich ist. Dazu ist das Thema viel zu komplex. Eine Entscheidungsfindung hängt von Aspekten ab wie – wieviele Leute sind infiziert, wie sieht die Infrastruktur bei der Krankenbetreuung aus, gibt es genügend Betten, Beatmungsgeräte, Ärzte und so weiter. Aus wirtschaftlicher Sicht muss bald eine Lockerung erfolgen, ansonsten werden wir sehr viele Konkurse erleben, und dann dauert das ewig, bis sich die Wirtschaft erholt.
Vor wenigen Tagen hat Österreich eine für Schutzmaskenpflicht eingeführt, wenn die Leute einkaufen gehen. Andere Länder wollen hier nachziehen. Ich glaube, Italien war da schon weiter.
Ja, das Tragen der Schutzmasken war in Italien bereits ab Mitte März vorgeschrieben. Auch das Einhalten von Abständen beim Einkaufen. Ich bin eigentlich überrascht über die späte Einführung der Maskenpflicht in anderen Ländern.