Sicherheit für MotoGP-Stars: Schikane in Spielberg?
Hier wird voraussichtlich eine Schikane entstehen
Nach dem verheerenden Zusammenstoß zwischen den beiden MotoGP-Piloten Johann Zarco und Franco Morbidelli beim ersten Spielberg-Rennen der Königsklasse (GP von Österreich) am 16. August flammten sofort Diskussionen darüber auf, wie diese kritische Stelle auf dem 4,318 km langen Red Bull Ring für die Zukunft entschärft werden könnte.
Für den Steiermark-GP wurde dann am Donnerstag vor dem ersten Training als Notlösung rechts von der Fahrbahn oberhalb des Kiesbetts der 315 km/h schnellen Kurve 2 eine zwölf Meter breite Begrenzungsmauer errichtet, mit Betonblöcken, geschützt durch zwei Reihen Autoreifen und einem Block Airfences. «Das ist eine Notfall-Aktion, für die Zukunft müssen wir eine bessere Lösung suchen», erklärte Safety Officer Franco Uncini vor einer Woche gegenüber SPEEDWEEK.com.
Die Streckenführung in den Kurven 2 und 3 gab seit der Rückkehr des Österreich-GP 2016 schön öfter Anlass zu Diskussionen. Deshalb wurde der Sturzraum in Turn 3 längst erheblich erweitert.
Wenn dort die Gefahr vor allem für die MotoGP-Fahrer (sie fahren dort 315 km/h, die Moto2-Fahrer «nur» 267 km/h) verringert werden soll, wird nur der Einbau einer Schikane nachhaltig Abhilfe schaffen. Da sind sich die Fahrer und Sicherheits-Experten einig.
Die beiden FIM-Dorna-Sicherheits-Berater Loris Capirossi und Franco Uncini legten den Fahrern beim Steiermark-GP auch einen Vorschlag vor, der allerdings von den Piloten als «schwachsinnig» bezeichnet wurde. Die beiden Italiener machten einen Vorschlag, den 315-km/h Rechtsknick einfach komplett zu begradigen. Dann würden die ohnedies schon überforderten Bremssystem noch stärker beansprucht werden und die mit 187,3 km/h ohnedies schon extreme Durchschnittsgeschwindigkeit noch stärker erhöht werden.
Uncini und Capirossi stellten aber neben dieser Minimal-Variante der Begradigung auch mehrere Varianten von Schikanen vor. Welche Variante schließlich zum Zug kommen wird, steht noch nicht fest. «Die Zukunft wird zeigen, ob und wann wir etwas umbauen», erklärte Franco Uncini. «Bisher ist nichts entschieden.»
«Wir haben zusammen mit dem Red Bull-Ring-Management verschiedene Möglichkeiten ins Auge gefasst», erklärte Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta gegenüber SPEEDWEEK.com. «Denn wir müssen gemeinsam eine Lösung finden, die auch für die Formel 1 akzeptabel ist.»
Der Red Bull Ring ist eine von vier Pisten, auf denen Formel 1 und MotoGP ausgetragen werden, die anderen: Austin, Barcelona-Catalunya und Silverstone. Auf solchen Rennstrecken ist es nicht immer einfach, die Sicherheitsvorstellungen von FIA-Inspektor Michael Masi und Franco Uncini unter einen Hut zu bringen.
Aber auch in der Formel 1 kam es 2015 im Turn 3 bereits zu einem bedrohlichen Unfall mit Fernando Alonso.
Der teilweise einfallslose Streckenverlauf im ersten Sektor hat eine Ursache, die heute nur wenigen Fans bekannt ist. Dazu muss man wissen, dass sich der alte Österreichring (er wurde 1969 eröffnet) über rund 5,9 km erstreckte und dann beim Umbau für 1996 als A1-Ring auf 4,318 km verkürzt wurde. Damals stand die Strecke im Besitz des Landes Steiermark, die Betriebskosten und Millionen-Defizite sollten reduziert werden. Also wurde einfach ca. 500 Meter nach Start/Ziel vor dem Waldstück eine ziemlich schnurgerade und einfallslose Verbindung zur alten Schönberggeraden oben am höchsten Punkt der Strecke hergestellt. So entstanden zwei enge Spitzkehren und eine nicht besonders attraktive Streckenführung mit insgesamt nur neun Kurven.
Für das MotoGP-WM-Wochenende 2016 wurde eigens der schnelle Knick vor Turn 3 als Turn 2 eingestuft, damit wenigstens insgesamt zehn Kurven zustande kommen.
Bei der Neueröffnung als Red Bull Ring 2011 blieb die A1-Streckenführung erhalten. Sie gewährleistete bisher spannende Rennen, aber seit 2016 mussten auch einige Streckenabschnitte für die MotoGP entschärft und mehr Sturzraum geschaffen werden.
«Wir haben für 2020 in den Kurven 7 und 8 wie vorgeschrieben größere Sturzräume geschaffen», sagt Rennleiter und Ex-Motorradrennfahrer Andreas Meklau (53). «Dadurch hat FIM Safety-Officer Franco Uncini die Piste vor einer Woche auch für die MotoGP-WM 2021 homologiert.»
Ob sich die Verantwortlichen des Projekts Spielberg, der Dorna und der Formel 1 in absehbarer Zeit über das Layout einer flüssigen Schikane (im dritten oder vierten Gang) einigen, lässt sich bisher nicht abschätzen. Da die Strecke auf mehr als 700 Meter Seehöhe liegt und im Winter dort oft Schnee liegt, sollte der Beginn der Erdarbeiten, der Trassierung und der Festlegung der neuen Linienführung noch im Herbst erfolgen.