Zwischenbilanz: Vettel und Ferrari grösste Verlierer
Sebastian Vettel
Der härteste Gegner, so heisst es im Rennsport, ist der eigene Stallgefährte. Aber das stimmt nicht ganz. Der erste Gegner ist der Mann im Spiegel: Es liegt in der Natur des Formel-1-Piloten, dass er sich von Jahr zu Jahr verbessern will. Einige werden dieses Ziel 2020 verpassen, weil sie das Team gewechselt haben, nicht zum Besseren, oder weil ihre Autos nicht konkurrenzfähig sind. Andere haben dazugewonnen, weil sie traumhaft in die Saison gestartet sind oder endlich in einem Top-Rennwagen sitzen.
Der neunte Saisonlauf 2019 war jener Österreich-GP, der in der verkürzten Saison 2020 den Saisonauftakt bildete. Vor einem Jahr bestanden die ersten neun Rennen aus: Australien, Bahrain, China, Aserbaidschan, Spanien, Monaco, Kanada, Frankreich und Österreich.
Im ersten Saisonteil 2020 sind davon nur zwei Austragungsorte übriggeblieben, Spanien und Österreich! Das 2020er Programm hiess: Österreich, Steiermark-GP (ebenfalls auf dem Red Bull Ring), Ungarn, Grossbritannien, 70 Jahre-GP (Silverstone 2), Spanien, Belgien, Italien, Toskana-GP (Mugello).
Wir wollten also wissen, wo jene Fahrer stehen, die schon vor einem Jahr die ersten neun Saisonrennen bestritten haben. Es hat uns interessiert, wer wieviele Punkte dazugewonnen und wer verglichen mit sich selber Boden verloren hat. Und das sieht im Detail folgendermassen aus.
Alex Albon +57
Der Thai-Brite fuhr im ersten Teil 2019 für Toro Rosso, nun steht er in Diensten von Red Bull Racing. Auch dank seines tollen dritten Platzes in Mugello ist er der grosse Gewinner.
Lance Stroll +51
Der Kanadier profitiert von den Qualitäten des 2020er Racing Point, einer Kopie des 2019er Mercedes. Die komplette Umstellung des Fahrzeugkonzepts erweist sich als Volltreffer, Stroll zeigt zudem konstant gute Leistungen.
Lando Norris +43
Aufwärtstrend auch bei McLaren, davon profitiert der Engländer, der in neun Rennen acht Mal in die Punkte gefahren ist, mit Platz 3 beim WM-Auftakt 2020 als bislang beste Leistung.
Daniel Ricciardo +37
Der Australier profitiert von einer Steigerung bei Renault, sowohl beim Chassis als auch beim Motor
Sergio Pérez +31
Für den Mexikaner gilt das Gleiche wie für Lance Stroll – konkurrenzfähigeres Auto, mehr Punkte.
Carlos Sainz +11
Der Spanier konnte nicht so zulegen wie Lando Norris, weil das Glück nicht immer auf der Seite des Madrilenen war.
Antonio Giovinazzi +1
Stagnation beim Italiener, vor allem durch einen schwachen Saisonstart von Alfa Romeo.
Pierre Gasly +/– 0
Der Franzose ging den umgekehrten Weg von Albon, also erste Saisonhälfte 2019 bei Red Bull Racing, dann Wechsel zu Toro Rosso (heute AlphaTauri). Seither fährt der 24-Jährige in toller Form, siehe zweiter Rang in Brasilien 2019 und Sensationssieg 2020 in Monza.
Daniil Kvyat +/– 0
AlphaTauri hat in der ersten Saisonhälfte 2020 ein besseres Auto als Toro Rosso 2019. Aber der Russe konnte daraus keinen Profit schlagen.
George Russell +/– 0
Williams hat den Anschluss ans Mittelfeld gefunden, aber zu Punkten hat es dem Mercedes-Zögling noch immer nicht gereicht.
Romain Grosjean –2
Haas ist schwächer als 2019, das macht sich auf dem Punktekonto des Genfers bemerkbar.
Lewis Hamilton –7
Der Engländer hat ein paar Punkte weniger geholt auf auf seinem Weg zum WM-Titel 2019, fährt aber auf gleich hohem Niveau.
Nico Hülkenberg –10
Der Unterschied erklärt sich vorwiegend dadurch, dass der Emmericher 2019 Vollzeitrennfahrer bei Renault war und 2020 nur einen Grand Prix fahren konnte, als Pérez-Reservist bei Racing Point.
Kevin Magnussen –13
Wie Grosjean leidet auch der Däne unter dem schwachen Haas-Renner 2020.
Max Verstappen –16
Der Niederländer fährt besser denn je. Vor einem Jahr kam er bei jedem der ersten neun Rennen unter die besten Fünf, dennoch hat er 2020 trotz dreier Ausfälle 2020 nur 16 Punkte weniger geholt. Das zeigt: Fahrer stärker geworden, Fahrzeug weniger standfest.
Kimi Räikkönen –19
Alfa Romeo erlebt eine schwierige erste Saisonhälfte, siehe Punktebeute des Weltmeisters von 2007.
Valtteri Bottas –31
Der Reifenschaden in Silverstone (als Elfter keine Punkte) und ein schwacher fünfter Rang in Monza führen zur enttäuschenden Zwischenbilanz.
Charles Leclerc –56
Es ist kein Zufall, dass die beiden Ferrari-Fahrer in unserer Statistik am übelsten abschneiden. Der 2020er Ferrari war aerodynamisch so ausgelegt, mit dem stärksten Motor der Formel 1 zu harmonieren, doch dann mussten die Italiener ihren 1,6-Liter-V6-Turbomotor auf Geheiss des Autosport-Weltverbands FIA entschärften. Ergebnis: Absturz von Ferrari. Leclerc konnte 2020 von einigen Geschenken der Konkurrenz profitieren und ergriff fast jede Gelegenheit beim Schopf – Zweiter in Österreich, Dritter in Silverstone.
Sebastian Vettel –106
Beste Platzierung von Vettel in der ersten Saisonhälfte 2020: Platz 7 in Spanien. Vettel konnte nur fünf Mal in die Punkte fahren. 2019 gelang das dem Heppenheimer bei allen neun Rennen in der ersten Saisonhälfte, mit zwei zweiten und zwei dritten Rängen. Vettel leidet unter dem schwachen Ferrari, hat aber weniger aus dem Wagen holen können als Leclerc.