Michael Schumacher: Ferrari-Tradition ging über Bord
Vorbereitung war für Michael Schumacher immer schon alles. Als Ferrari mit dem deutschen Weltmeister 1995 einen Test in Estoril (Portugal) besuchen wollte, bestand der damalige Benetton-Fahrer darauf, sich zunächst auf der Ferrari-Testbahn von Fiorano mit dem Modell 412T2 vertraut zu machen. Damals als junger Ingenieure dabei – der heutige Ferrari-Teamchef Mattia Binotto.
Der in Lausanne geborene Italiener erinnert sich zunächst daran, wie pingelig Schumi mit Sitzposition, Pedaleinstellung und Lenkrad gewesen ist. Was Schumacher jedoch am meisten irritierte, das war die erste Kurve der kurzen Fiorano-Bahn. «Diese erste Kurve hat er einfach nicht auf die Reihe bekommen. Er war dort weniger schnell als unsere bisherigen Stammfahrer Gerhard Berger, Jean Alesi und auch langsamer als Testpilot Nicola Larini.»
«Nach der ersten Probefahrt hat er Teamchef Jean Todt gebeten, die erste Kurve umzubauen. Und Ferrari hat das tatsächlich getan. Es wurde umgebaut, weil die erste Kurve keine Relevanz hatte, was Pistenlayouts anderer Strecken betrifft. Michael Schumacher ist also verantwortlich dafür, dass Fiorano ein anderes Gesicht erhalten hat.» Aus einer langsamen Kurve wurde eine schnelle.
Danach lernte die Ferrari-Truppe etwas über die Arbeitsethik von Schumacher, wie Binotto im Podcast Beyond the Grid weiter erzählt: «Beim Test in Estoril ging es jeweils morgens um neun Uhr los. Die Ferrari-Ingenieure kamen um zwanzig nach acht an die Strecke, wo sie einen einigermassen verärgerten Schumacher trafen. Er schaute auf seine Uhr und wollte wissen, woher wir kämen, immerhin hätten wir um acht eine Sitzung gehabt. Unser altes Vorgehen war: Installationsrunde um neun, danach Team-Besprechung. Schumacher hat das geändert. Von da an wurde diese Sitzung um acht durchgeführt, und ab neun wurde gefahren.»
Und auch eine andere Ferrari-Tradition ging mit Schumacher über Bord. Schon zu Zeiten von Firmengründer Enzo Ferrari wurde gegen Ende eines Testtages Benzin abgepumpt, um mit leichterem Auto eine gute Rundenzeit zu erzielen. Binotto: «Das planten auch wir, um am nächsten Tag idealerweise in den italienischen Zeitungen lesen zu können – Schumacher im Ferrari Schnellster. Aber Michael hat gefragt: ‚Wieso tut ihr das? Testfahrten sind dazu da, etwas zu lernen.’ Von da an blieben immer ungefähr konstant 50 Kilogramm Kraftstoff im Auto.»
Binotto muss kichern: «Ach ja, und Bestzeit ist er auch so gefahren.»