13. Mai 1950: Giuseppe Farina gewinnt WM-Premiere
Giuseppe «Nino» Farina: Von seinen Gegnern gefürchtet
Vermutlich war ihm eine Karriere in der PS-Branche vorgegeben: Giuseppe Farina, von Freunden nur «Nino» genannt, wurde am 30. Oktober 1906 in Turin als Sohn des Unternehmers Giovanni Farina geboren. Giovanni leitete das Karosseriewerk «Stabilimenti Farina». Sein Bruder Battista («Pinin») hatte ebenfalls eine Firma in der Autobranche gegründet, Pininfarina wurde als Design-Schmiede weltbekannt.
Nino Farina fuhr erste Rennen an der Seite seines Onkels Pinin, bei lokalen Veranstaltungen, als mitfahrender Mechaniker, so wie das damals üblich war. Mit 17 fuhr er sein erstes Rennen alleine, das Bergrennen Aosta.
Es folgte eine rennarme Zeit: Farina ging an die Uni, schloss mit einem Doktortitel der Politikwissenschaft ab, danach folgte der Militärdienst. Die Kavallerie war ihm zu fad, wir unterstellen mal: zu wenige PS, am Ende fuhr er Panzer.
Farina war nicht abergläubisch wie sein Landsmann Alberto Ascari, und er war kein Ästhet wie der Argentinier Juan Manuel Fangio. Sein Fahrstil war robust, um es höflich auszudrücken, er fischte gerne in den Grauzonen der Fairness, wie zahlreiche Gegner feststellen mussten. Eine Zimperliese war der Turiner wahrlich nicht. Immer wieder gab es üble Unfälle.
1936 war sein Speed auch einem gewissen Enzo Ferrari aufgefallen, der ihn zu Alfa Romeo holte. An der Pistenetikette änderte Farina nichts. In Deauville kollidierte er mit dem Wagen von Marcel Lehoux, der Franzose überlebte nicht. In Tripolis kam es zu einer Berührung mit dem Wagen des Ungarn Laszlo Hartmann, auch der verlor sein Leben. Die Gegner von Farina fürchteten den Italiener im Zweikampf. Seine Risikobereitschaft grenzte an einen Todeswunsch.
Gegen die deutschen Rennwagen von Mercedes und Auto-Union war wenig zu machen, dann kam der Zweite Weltkrieg. Nach dem Krieg setzte Farina seine Karriere fort, sein Sieg im Grossen Preis von Monaco 1948 mit einem privat eingesetzten Maserati zeigte, dass er nichts von seinem Können eingebüsst hatte. 1950 holte ihn Alfa Romeo ein zweites Mal ins Werks-Team – mit durchschlagendem Erfolg.
Farina gewann die Formel-1-WM-Premiere in Silverstone, in Monaco fiel er aus, das Indy 500 schwänzte er so wie die meisten europäischen Piloten, danach gewann er in der Schweiz, wurde Vierter in Belgien, punkteloser Siebter in Frankreich, aber der Sieg beim Heim-GP von Monza reichte zum WM-Titel. Farina sollte im Rahmen der Formel-1-WM nur noch zwei Mal gewinnen, 1951 in Spa-Francorchamps und 1953 auf dem Nürburgring, mit inzwischen 47 Jahren!
Nach dem WM-Titel 1950 stand Farina ein Jahr darauf im Schatten von Fangio, danach wechselte Nino zum Rennstall von Enzo Ferrari, aber dieses Mal stand ihm Alberto Ascari vor der Sonne, der Weltmeister 1952 und 1953 wurde.
Anfang 1953 folgte ein weiterer schlimmer Unfall – Farina musste in Buenos Aires das Lenkrad verreissen, um einem offenbar lebensmüden Pistengänger auszuweichen, der Wagen glitt ihm aus der Kontrolle und fuhr in einen Zuschauerbereich. Neun Menschen starben.
1954 ging Farina für Lancia an den Start, zog sich aber bei der Mille Miglia einen gebrochenen Arm zu. Beim Comeback sechs Wochen danach erlitt er Verbrennungen am Bein, als sein Sportwagen in Monza Feuer fing – 20 Tage Krankenhaus.
Nach seiner letzten Saison in der Formel 1 (1955 WM-Fünfter mit Ferrari, nur ein Podestplatz) versuchte Farina sein Glück in Amerika, aber er konnte sich 1956 nicht für das Indy 500 qualifizieren. Es folgte ein gebrochenes Schlüsselbein nach einem Crash in Monza. 1957 nahm Farina in Indy einen weiteren Anlauf, aber sein Ersatzfahrer Keith Andrews verunglückte im Training tödlich, der Wagen war zerstört.
Auch mit dem Privatwagen fuhr Farina als gäbe es kein Morgen. 1960 prallte er mit seinem Auto in einen Lastwagen und konnte von Glück reden, mit dem Leben davonzukommen, sein Beifahrer starb.
Farina blieb der Rennszene verbunden, war oft bei Grands Prix zu sehen. Am 30. Juni 1966 stieg Nino Farina in sein Auto, um von Turin zum Formel-1-GP von Frankreich in Reims zu fahren.
Der Schweizer Rennfahrer Jo Siffert hat einmal gesagt: «Ich glaube daran, dass jeder Pilot so etwas wie ein Scheckheft besitzt. Bei jedem Unfall reisst dir das Schicksal ein Blatt hinaus. Aber keiner weiss, wie viele Blätter im Heft sind.»
In den Bergen um Chambéry geriet Farina 1966 auf eine vereiste Strasse, der Wagen prallte heftig in einen Telefonmast, der Italiener war auf der Stelle tot.
Das Scheckheft von Giuseppe «Nino» Farina war leer.