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Sprint-Qualifying: Das nächste Eigentor der Formel 1?

Von Mathias Brunner
Wird das Sprint-Qualifying zum Thriller oder zur Prozession?

Wird das Sprint-Qualifying zum Thriller oder zur Prozession?

Die Formel-1-Führung experimentiert beim kommenden GP-Wochenende von Silverstone mit einem Sprint-Qualifying. Viele Fans sind skeptisch. Denn gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut.

Am 17. Juli wird erstmals in der Formel 1 ein Sprint-Qualifying gefahren – ein kurzes Rennen über 100 Kilometer, dessen Ergebnis die Startaufstellung zum britischen Grand Prix erzeugen wird. Fans und Fahrer sind skeptisch. In Fan-Foren ist zu lesen: Die heutige Quali passt, ein anderes Format ist die Antwort auf eine Frage, die eigentlich keiner gestellt hat. Wieso etwas reparieren, das nicht kaputt ist? Denn wir hatten in der Vergangenheit schon einige Quali-Formate, die wenig Beifall erzeugten. Werfen Sie mit uns einen Blick zurück.

1950–1996: Abschlusstraining mal zwei
Vor der Gründung der Formel 1 wurden die Startpositionen schon mal ausgelost. Doch mit Beginn der Formel-1-WM ändert sich das: Ein entscheidendes Training am Freitag, eines am Samstag. Daran änderte sich stattliche 46 Jahre lang nichts, selbst wenn es zahlreiche Nuancen gab. Wir erinnern uns an die Qualifikations-Reifen, die nach einer schnellen Runde in die Tonne kamen; unvergessen auch die Minutenbrenner der stärksten Turbo-Motoren in den 80er Jahren, mit Werten jenseits von 1300 PS.

Viele denken angesichts des heutigen Magerfelds von 20 Autos wehmütig zurück, als Ende der 80er Jahre eine Vorqualifikation eingeführt werden musste. Bis zu 39 Autos wollten an einem GP teilnehmen, daher wurde schon am Freitagmorgen in dreissig brutalen Trainingsminuten gesiebt.

Grosser Nachteil des so lange verwendeten Formats: Nach einem Freitag bei gutem Wetter bedeutete ein Samstag im Regen, dass die Zeiten nicht mehr verbessert werden konnten. Es musste sich etwas ändern.

1996–2002: Die Stunde der Wahrheit
In nur noch 60 Minuten und bei maximal zwölf Runden wurde ab nun der Mann für die Pole-Position gesucht. Was als Thriller gedacht war, wurde teilweise zur Formel Gähn – oft warteten die besten Piloten bis zum Schluss der Quali, um auf die Bahn zu gehen, wenn die weniger schnellen Autos die Piste gesäubert hatten und sich die Strecke im besten Zustand präsentierte. Daher erneut eine Änderung.

2003: Es kann nur eine geben
Die scheinbare Lösung des Problems: Jedes Auto geht einzeln auf die Bahn. Vorteil – Hinterbänkler erhalten so viel Aufmerksamkeit wie Top-Piloten. Am Freitag gab es eine Stunde in diesem Format, die Fahrer machten sich in Reihenfolge des WM-Stands auf die Socken. Am Samstag dann die Entscheidung, dieses Mal mit dem Langsamsten des Freitags als erstem Fahrer auf der Bahn, mit dem Schnellsten ganz zum Schluss. Gefahren wurde überdies am Samstag mit der Spritmenge, mit welcher auch ins Rennen gegangen wurde. Nachteil: Wechselnde Wetterverhältnisse machten die Quali zur Lotterie.

2004: Alles am Samstag
Die beiden Einrunden-Einsätze wurden auf den Samstag verschoben. Neu zu Beginn in Reihe des Einlaufs des vorhergegangenen Rennens. Die beiden Segmente lagen nun so dicht beisammen, dass Schlitzohre begannen, bei wechselndem Wetter taktisch zu fahren. Etwa in der Art, im ersten Teil absichtlich zu patzen, um im zweiten Teil zu Beginn fahren zu können – weil Regen im Anmarsch war und es von Nachteil sein würde, gegen Ende des Trainings auf der Bahn zu sein.

2005: Zückt die Taschenrechner!
Daher die Lösung: Die Zeiten der beiden Einzel-Darbietungen wurden neu addiert. Eine Runde am Samstagmorgen mit wenig Sprit, eine Runde am Sonntagmorgen mit jener Spritmenge, mit welcher ins Rennen gegangen wurde. Dieses System mochte keiner, weil der Samstag entwertet wurde. Nach sechs GP-Wochenenden war Schluss. Für die restlichen dreizehn Qualifyings wurde nur noch am Samstag gefahren, mit Rennspritmenge.

2006/2007: Die Ausscheidung
Endlich konnten wieder mehr Runden gefahren werden, aber erstmals gab es ein Ausscheidungsverfahren mit drei Quali-Segmenten. Die Fans fanden das sehr gut, aber perfekt war es nicht – denn noch immer musste zum Schluss mit jener Spritmenge gefahren werden, die ein Pilot ins Rennen mitzunehmen gedachte.

2008/2009: Kleine Änderung
Der Quali-Dreiteiler blieb, doch jetzt konnte nach Q3 kein Kraftstoff mehr nachgefüllt werden.

2010: Das heutige Format
Nachtanken im Rennen war passé, damit konnten die Piloten im Abschlusstraining endlich wieder mit ganz wenig Benzin auf die Bahn gehen und es nach Herzenslust krachen lassen.

2016: Missglücktes Experiment
Für die Saison 2016 wurde ein Ausscheidungsverfahren eingeführt – die Uhr läuft und in regelmässigen Abständen scheidet der jeweils langsamste Fahrer aus. Das sollte Überraschungsmoment fördern. In der Praxis waren alle vom Blick auf die herunterzählende Uhr fasziniert, weniger vom Geschehen auf der Bahn. Einige Rennställe schickten ihre Piloten zu spät auf die Bahn und gaben sich damit der Lächerlichkeit preis. War es für die angeblich besten Strategen der Branche zu schwierig auszurechnen, wann der eigene Fahrer auf die Bahn muss, um nicht von der Stoppuhr abgefangen zu werden? Jeder Zweitklässler kann das.

Gipfel der Peinlichkeit beim WM-Auftakt in Australien: Wenige Minuten vor Schluss des Qualifyings in Melbourne, theoretisch die heisseste Phase des Formel-1-Abschlusstrainings, nun sollte es für die besten Grand-Prix-Fahrer der Welt um alles gehen. Wer ist der schnellste Mann im Albert-Park? Und dann das: Auf der Bahn – niemand. Die Fans trotteten von den Tribünen davon, die meisten schüttelten ungläubig den Kopf darüber, was sie soeben erlebt hatten. Viele fluchten, völlig zu Recht. Die Formel 1 hatte sich wieder mal bis auf die Knochen blamiert.

Entrüstete Fans forderten ihr Geld zurück, Fahrer und Teamchefs schimpften, und was machte die damalige Formel-1-Führung? Sie liess das Feld in Bahrain gleich nochmals im Ausscheidungsverfahren antreten. Das Ergebnis war nicht besser, der Ärger der Fans dafür grösser. Ergebnis: Zum dritten WM-Lauf 2016 in China kehrte die Formel 1 zum bewährten System zurück.

Es gilt bis zum 17. Juli in Silverstone.

Der Trainings/Quali-Ablauf sieht in Silverstone nach heutigem Stand so aus (alle Zeiten gemäss mitteleuropäischer Sommerzeit):

Freitag, 16. Juli: 15.30–16.30 Freies Training
Freitag, 16. Juli: 19.00–20.00 Qualifying
Samstag, 17. Juli: 13.00–14.00 Freies Training
Samstag, 17. Juli: 17.30 Sprint Qualifying (17 Runden)
Sonntag, 18. Juli: 16.00 Britischer Grand Prix (52 Runden)

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