Indy 500: Marcus Ericsson siegt, Grosjean-Crash
Die Autosport-Fans wussten an diesem Tag fast nicht, wohin sie blicken sollen: 24h-Rennen auf dem Nürburgring, Grosser Preis von Monaco, Indy 500, Coca Cola 600 in Charlotte – Sportwagen, Formel 1, IndyCar, NASCAR, das volle Programm.
Fürs Rennen mit dem grössten Fan-Aufmarsch für eine Eintagesveranstaltung (300.000 Besucher) hatte sich der sechsfache IndyCar-Champion und 2008er Indy-500-Sieger Scott Dixon (41) die Pole-Position gesichert, seine fünfte in Indianapolis, neben dem Star von Chip Ganassi Racing gingen der Spanier Álex Palou (IndyCar-Champion 2021) und der Niederländer Rinus VeeKay ins Rennen. Der langjährige Grand-Prix-Fahrer Romain Grosjean (Andretti Autosport) startete beim Indy-500-Debüt aus Startreihe 3.
In Indy dreht sich alles um Präzision: ein paar Zentimeter zu weit im Scheitelpunkt der Kurve oder zu weit draussen, und schon bricht das Heck aus. Das passierte den jungen Rinus VeeKay, Callum Ilott und Scott McLaughlin, die alle ihre Autos in die Mauern setzten und Gelbphasen auslösten.
Scott: «Eine Windbö hat mich auf dem falschen Fuss erwischt. Ich hatte Glück, dass ich nach dem ersten Schlag beim Schlittern über die Strecke niemanden traf, bevor es zum zweiten Einschlag kam.» Das war keine Ausrede des Neuseeländers – es war nicht nur heiss in Indy, es war auch sehr windig.
Auch der langjährige Formel-1-Fahrer Romain Grosjean kam bei seinem Debüt beim Indy-500-Debüt nicht ins Ziel – Crash. Der Genfer sagte: «Ich weiss nicht, was da passiert ist, ich muss mir die ganzen Daten ansehen. Das Heck wischte urplötzlich weg, ich kann es mir nicht erklären.»
Kurz darauf brachte Colton Herta seinen Renner an die Box: «Nach dem Unfall im Training haben wir ein neues Auto auf die Bahn gebracht, und noch nie habe ich in einem Oval ein so übersteuerndes Auto bewegt. Wir waren einfach zu langsam, also war es gescheiter, den Wagen zur Seite zu stellen.»
Der erfahrene Scott Dixon (51 IndyCar-Laufsiege) dominierte das Rennen über weite Strecken, führte fast die Hälfte aller Runden, vierzig Runden vor Schluss schob er sich scheinbar mühelos an Pato O’Ward vorbei. Da hofften die mexikanischen Fans noch immer auf den grössten Motorsporttag für ihr Land – Sieg von Sergio Pérez in Monaco, Sieg von Pato beim 500.
Dann aber lösten sich die Chancen von Scott Dixon in Luft auf: Er bremste beim letzten Reifenwechsel zu spät für die Einfahrt der Boxengasse an, blockierte in höchster Not die Räder, aber die Regelhüter kannten kein Pardon – Durchfahrtstrafe! Damit waren die Siegchancen dahin.
Während Dixon seine Strafe absolvierte, legte O’Ward seinen letzten Stopp ein. Alles ging gut für den McLaren-Fahrer. Aber wie sagte IndyCar-Routinier Tony Kanaan? «Beim 500 gibt es zwei Rennen, eines von Runde 1 bis 180 und eines über die letzten 20 Runden.»
Ex-GP-Pilot Marcus Ericsson hatte sich im Renner von Chip Ganassi mit kluger Spritstrategie an die Spitze gefahren, der 97-fache GP-Teilnehmer aus Schweden hatte in der entscheidenden Phase ein vor allem in verwirbelter Luft sehr gut liegendes Auto, O’Ward hatte sichtlich mehr Mühe mit Überholen, das war im Verkehr Gold wert. Die McLaren-Piloten waren ohne Gurney-Flap am Heckflügel unterwegs, im Gegensatz zu den Ganassi-Rennern von Ericsson und des 47-jährigen Tony Kanaan (Indy 500-Sieger 2013).
Mit einem Tribut-Helm für die Formel-1-Legende Ronnie Peterson strebte Ericsson der Ziellinie entgegen. Doch dann war der ehemalige Caterham- und Sauber-Fahrer seinen Fünfsekunden-Vorsprung los – Crash des früheren NASCAR-Piloten Jimmie Johnson, der am Scheitelpunkt von Kurve 3 zu gierig war und einen StockCar-Fehler machte; er blieb auf dem Gas und hoffte, den Wagen einfangen zu können. Keine Chance in Indy. Rote Flagge!
Das war ungefähr das Letzte, was der führende Schwede Ericsson sehen wollte. Die Fahrzeuge stellten sich am Ende der Boxengasse auf. Reihenfolge vor dem Sprint zur karierten Flagge – Ericsson, O’Ward, Kanaan, Rosenqvist, Rossi, Pagenaud, Daly und IndyCar-Champion Palou, dahinter der vierfache 500-Sieger Hélio Castroneves.
Beim Re-Start versuchte Ericsson mit Schlangenlinien-Fahren den Windschatten zu O’Ward zu brechen, aber der Mexikaner liess sich nicht abschütteln, der McLaren-Fahrer war kurz vorbei, aber Ericsson quetschte sich gleich wieder in Führung, dann Gelb, weil Sage Karem in die Mauer geprallt war! Ericsson rollte auf diese Weise unter Gelb ins Ziel und holte seinen ersten Sieg beim Indy 500 – und in Führung der IndyCar-Wertung, denn beim 500 gibt es doppelte Punkte.
Der Schwede im Ziel: «Die rote Flagge kam für mich zum dümmsten Moment. Ich wusste, dass mein Auto schnell genug ist, um die Gegner hinter mir zu halten. Aber ich fühlte mich da vorne wie Freiwild. Um nichts in der Welt wollte ich mir diesen Sieg entgehen lassen, zumal meine Eltern da sind, mein langjähriger Manager Eje, meine Freundin – ich war wild entschlossen, den Sieg nach Hause zu bringen. Ich kann es nicht fassen, dass ich es geschafft habe.»
Indy 500 (alle Fahrer mit Dallara-Chassis)
1. Marcus Ericsson (S), Chip Ganassi Racing, Honda, 200 Runden
2. Pato O’Ward (MEX), Arrow McLaren SP, Chevrolet, 1,7929 sec zurück
3. Tony Kanaan (BR), Chip Ganassi Racing, Honda, 3,5173
4. Felix Rosenqvist (S), Arrows McLaren SP, Chevrolet, 4,1267
5. Alexander Rossi (USA), Andretti Autosport, Honda, 4,9804
6. Conor Daly (USA), Ed Carpenter Racing, Chevrolet, 5,0799
7. Hélio Castroneves (BR), Meyer Shank Racing, Honda, 6,5614
8. Simon Pagenaud (F), Meyer Shank Racing, Honda, 7,0937
9. Álex Palou (E), Chip Ganassi Racing, Honda, 8,2446
10. Santino Ferrucci (USA), Dreyer & Reinbold Racing, Chevrolet, 9,8329
11. Juan Pablo Montoya (COL), Arrow McLaren SP, Chevrolet, 10,7647
12. J.R. Hildebrand (USA), A.J. Foyt Enterprises, Chevrolet, 11,6554
13. Josef Newgarden (USA), Team Penske, Chevrolet, 11,8276
14. Graham Rahal (USA), Rahal Letterman Lanigan Racing, Honda, 12,4253
15. Will Power (AUS), Team Penske, Chevrolet, 13,3036
16. David Malukas (USA), Dale Coyne Racing/HMD Motorsports, Honda, 13,6283
17. Kyle Kirkwood (USA), A.J. Foyt Enterprises, Chevrolet, 14,5864
18. Ed Capenter (USA), Ed Carpenter Racing, Chevrolet, 15,5602
19. Devlin DeFrancesco (CDN), Andretti Steinbrenner Autosport, Honda, 15,8218
20. Christian Lundgaard (DK), Rahal Letterman Lanigan Racing, Honda, 16,3308
21. Scott Dixon (NZ), Chip Ganassi Racing, Honda, 18,1238
22. Marco Andretti (USA), Andretti Herta Autosport, Honda, 25,2002
23. Sage Karam (USA), Dreyer & Reinbold Racing, Chevrolet, 1 Runde zurück (Unfall)
24. Jack Harvey (GB), Rahal Letterman Lanigan Racing, Honda, -1
25. Takuma Sato (J), Daly Coyne Racing/Rick Ware Racing, Honda, -1
26. Dalton Kellett (CDN), A.J. Foyt Enterprises, Chevrolet, -2
27. Stefan Wilson (GB), DragonSpeed/Cusick Motorsports, Chevrolet, -2
28. Jimmie Johnson (USA), Chip Ganassi Racing, Honda (Unfall), -7
29. Scott McLaughlin (NZ), Team Penske, Chevrolet (Unfall), -50
30. Colton Herta (USA), Andretti Autosport/Curb-Agajanian, Honda (Handling), -71
31. Romain Grosjean (F), Andretti Autosport, Honda (Unfall), -95
32. Callum Ilott (GB), Juncos Hollinger Racing, Chevrolet (Unfall), -132
33. Rinus VeeKay (NL), Ed Carpenter Racing, Chevrolet (Unfall), -162