Formel 1: Wie mutig ist Ferrari?

Adrian Newey: Verstappen und Senna – dunkle Stunden

Von Mathias Brunner
​Der geniale Rennwagen-Designer Adrian Newey hat die Ausnahme-Rennfahrer Ayrton Senna und Max Verstappen begleitet. Der 66-jährige Engländer spricht über dunkle Stunden seiner Laufbahn.

In Las Vegas 2024 hat Max Verstappen seinen vierten WM-Titel in Folge sichergestellt. Auf die Frage nach dem intensivsten Kampf um die Weltmeisterschaft antwortete der Niederländer sofort: «2021 gegen Lewis Hamilton und Mercedes, so etwas möchte ich eigentlich nicht noch einmal erleben.»

Zum Sieden kam der Zweikampf dieser Ausnahme-Racer in Silverstone, als es zur Kollision zwischen Verstappen und Hamilton kam. Max landete im Reifenstapel, Hamilton fuhr zum Sieg.

Adrian Newey hat Max Verstappen fast durch dessen komplette Karriere bei Red Bull Racing begleitet, von Frühling 2016, als Max von Toro Rosso zu RBR wechselte und auf Anhieb in Barcelona siegte, bis Miami 2024, als Adrian Newey im Fahrerlager dazu Stellung nahm, wieso er den Rennstall verlässt.

Im September 2024 war klar, wohin die Reise von Newey geht: ab 1. März 2025 arbeitet er für Aston Martin. Im Podcast High Performance hat er über seine Jahre bei Red Bull Racing gesprochen, und die Rede kam dabei auch auf den furchterregenden Unfall von Silverstone 2021.

Newey sagt: «Wenn du am Kommandostand solche Crashes miterleben musst, dann ist das ein schreckliches Gefühl. Der Unfall von Max in Silverstone war der letzte, bei welchem mir durch den Kopf ging: ‘Ist er okay? Hoffentlich ist er nicht schlimm verletzt.’»

Der Rennwagen von Verstappen wurde mit 51 g verzögert, als er in den Reifenstapel krachte, Max verschlug es den Atem.

Newey weiter: «Als sich Max am Funk meldete, grunzte er nur, weil er nach Atem rang. Das wussten wir im Moment natürlich nicht. Es dauerte eine Woche, bis es ihm wieder besser ging.»

«Der Sport hat punkto Sicherheit gewaltige Fortschritte gemacht, aber jedem in der Branche ist klar – es ist eine Illusion zu glauben, dass nichts mehr passieren kann. Grauenvolle Unfälle wie 2019 jener von Formel-2-Fahrer Anthoine Hubert in Belgien wird es immer geben, die komplette Sicherheit gibt es nicht.»

Das weiss Adrian Newey aus eigener, schmerzlicher Erinnerung.

Der Tod von Ayrton Senna
In einer Ausgabe des Formel-1-Podcasts Beyond The Grid hat Red Bull-Stardesigner Adrian Newey ausführlich über die dunkelste Stunde seiner Laufbahn gesprochen, als der grosse Ayrton Senna am 1. Mai 1994 in Imola ums Leben kam; in jenem Williams FW16, den Newey gezeichnet hatte.

Der Brite sagt: «Dieses 1994er Auto war aerodynamisch instabil. Wir hatten zwei Jahre mit aktiven Radaufhängungen hinter uns, und als wir gemäss Reglementänderung zurück mussten zur herkömmlichen Aufhängung, da habe ich die Aerodynamik vermasselt.»

«Das Auto war sehr, sehr schwierig zu fahren, und je buckliger eine Strecke war, desto übler wurde es. Imola war sehr wellig, und dennoch ist Senna solche Zeiten gefahren. Das Selbstvertrauen von Ayrton war enorm.»

Newey gibt zu: «Nach dem Tod von Senna habe ich ans Aufhören gedacht. Wer nicht diese Gedanken hätte, wer sich nach solch einer Tragödie nicht hinterfragen würde, mit dem stimmt etwas nicht. Aber hätten Technikchef Patrick Head und ich aufgehört, dann wäre alles bei Williams kollabiert.»

Zur Erinnerung: Senna kam in Runde 7 des San Marino-GP 1994 in Führung liegend von der Bahn ab, prallte in der Tamburello-Kurve gegen die Begrenzungsmauer und zog sich dabei tödliche Kopfverletzungen zu.

Senna war mit der Position des Lenkrads nicht zufrieden gewesen, Williams baute um. Newey bestätigt in seinem überaus lesenswerten Buch «Wie man ein Auto baut», dass der Unfall zwar nicht auf einen Bruch der Lenkung zurückging, «aber die Umbauten hätten wir so wohl nicht auf die Rennstrecke bringen dürfen».

«Das grösste Problem war dieses aerodynamisch instabile Auto. Ayrton hat versucht, mit dem Fahrzeug Dinge zu tun, wozu der Wagen an sich gar nicht fähig war.»

Newey vertieft: «Ich hatte mich bei der Aerodynamik des Autos verrechnet. Das Fenster, in welchem das Auto funktionierte, war zu klein.»

Das sei bei einem Test in Nogaro offensichtlich geworden. «Ich stand an der Strecke und habe unser Auto beobachtet. Es war wie Imola eine Strecke mit sehr vielen Bodenwellen. Mir wurde sofort klar, was das Problem unseres Autos war. Die Seitenkästen waren zu lang. Dadurch riss beim Eintauchen des Autos vorne der Luftstrom im Diffusor ab, weil das vordere Ende der Seitenkästen der Strecke zu nah kam. Aus heutiger Sicht hört sich das lächerlich an, aber wir hatten damals noch nicht die Werkzeuge, um das Problem vorher im Windkanal zu erkennen.»

Die Seitenkästen zu verkürzen, sei bis zum Rennen in Imola aus Zeitmangel nicht möglich gewesen, erklärte er. «Unser Auto stand bei allen drei Rennen auf der Pole-Position, aber das hatten wir ausschliesslich Ayrton zu verdanken. Kein anderer Fahrer hätte das mit diesem Auto geschafft.»

«Wir hatten dann in Imola Mühe, eine einigermassen akzeptable Bodenfreiheit zu definieren. Ayrton klagte über abwechselndes Untersteuern und Übersteuern.»

Wie der fatale Unfall letztlich genau passierte, wisse keiner, sagt Newey, «obwohl es vor Gericht immer wieder durchgekaut wurde. Aber Ayrton blieb noch für eine halbe Sekunde voll auf dem Gas, reduzierte dann auf 50 Prozent, um schliesslich ganz vom Gas zu gehen und zu bremsen. Die Logik sagt, dass er bei einem Lenkungsbruch sofort eine Vollbremsung eingeleitet hätte.»

«Ob er damals nun an seinem Wagen einen schleichenden Plattfuss hatte, welche Rolle es spielte, dass er in diesem Moment die schnellere, aber auch welligere Innenspur wählte, in einem aerodynamisch instabilen Auto. das alles hat zu einem schwierig zu bändigenden Renner geführt, selbst mit seinen überragenden Fähigkeiten. Ich spüre noch immer ein gewisses Mass an Mitverantwortung für Ayrtons Tod – aber keine Schuld.»


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