Sebastian Vettel: Das Geheimnis des Belgien-Triumphs
Sebastian Vettel alleine auf weiter Flur
Sebastian Vettel machte an diesem Renntag nur einen Fehler: im Anschluss an den Belgien-GP (zweiter Sieg in Spa-Francorchamps nach 2011) stubste er mit seinem Red Bull Racing-Renner im Parc fermé das Schild mit der 1 an. Nach dem Rennen setzte es Schmährufe aus dem Publikum. Vettel runzelte die Stirn – ihm war nicht ganz klar, wieso einige Fans buhten und pfiffen.
Erklärung: Einige Aktivisten von Greenpeace versuchten, auf das Siegerpodest vorzudringen und die Festivitäten zu stören. Die Sicherheitskräfte verhinderten das.
Der Schlüssel zum Sieg von Vettel liegt in einer Änderung der Herangehensweise ans Rennen: Ein Highspeed-Kurs wie Spa-Francorchamps (und in zwei Wochen in Monza) ist normalerweise nicht so gut für Red Bull Racing. Die Techniker des Weltmeister-Rennstalls haben jahrelang versucht, das Auto in Sachen Rundenzeit zu optimieren. Vettel sollte die Pole-Position erringen und sich dann zu Beginn des Grand Prix so absetzen, dass er – wenn die Gegner den Heckflügel flachstellen können – schon ausser Reichweite liegt. BBC- und SPEEDWEEK-Experte Gary Anderson: «Diese Taktik hat in diesem Jahr nicht mehr so gut funktioniert wie 2011, als Vettel krass überlegen war. Sebastian geriet dieses Jahr im Laufe des Rennens ein paar Mal in den Verkehr, das hat einige Siegchancen ruiniert. Daher wollte RBR etwas anders machen.»
Das Team brachte einen Heckflügel nach Belgien, der es Vettel erlaubte, nach Herzenslust anzugreifen, und genau das tat er gleich nach dem Start: Vettel warf sich kurz nach dem Start in der Eau Rouge auf den führenden Lewis Hamilton. Sebastian: «Ich habe einen erstklassigen Windschatten von Lewis erhalten, daher konnte ich scheinbar so mühelos vorbeiziehen. Aber sich so nahe an Hamilton heranzuarbeiten und dann Eau Rouge mit randvollem Tank zu fahren, das war schon haarig.»
Ex-GP-Pilot Martin Brundle: «Ich bin überzeugt davon, dass Lewis überrascht worden ist. Er hat überhaupt nicht mit einem Angriff von Sebastian gerechnet. Aber es war von freiem Auge ersichtlich, wieviel mehr Grip sein Auto durch die Eau Rouge aufbaut.»
Vettel machte sich auf und davon: 31. GP-Triumph (damit liegt er nun auf Höhe von Nigel Mansell), fünfter Saisonerfolg (nach Malaysia, Bahrain, Kanada und Deutschland), WM-Führung auf 46 Punkte ausgebaut, was fast zwei GP-Siegen entspricht, dazu inzwischen mehr als 2000 Führungsrunden in der Formel 1, was zuvor nur Michael Schumacher, Ayrton Senna, Alain Prost und Nigel Mansell gelungen ist!
Teamchef Christian Horner lobt: «Sebastian hat heute alles richtig gemacht. Meine einzige Sorge war das Wetter, wir haben mindestens so oft in den Himmel wie auf die Rennstrecke geschaut. Es ist fabelhaft, gleich nach der Sommerpause einen Sieg zu holen.»
Zwischendurch gönnte sich Vettel die schnellste Rennrunde, was natürlich prompt zu einem warnenden Funkspruch seines Renningeniurs Guillaume Rocquelin führte: «Wir brauchen nicht mehr, Seb.»
Kann überhaupt jemand Sebastian Vettel noch am vierten Titel in Folge hindern?
Martin Brundle: «Fernando Alonso hat nach dem Rennen nicht zufällig ein so langes Gesicht gemacht. Er ist nun 17 Sekunden hinter einem Vettel ins Ziel gekommen, der die meiste Zeit über nicht am Limit fahren musste. Das wird Alonso zu denken geben.»
Aber RBR-Technikchef Adrian Newey warnt: «Wir wissen genau, wie schnell sich die Dinge in der Formel 1 ändern können. Entschiden ist noch gar nichts.»