Kaltenborn: «Er sieht noch sehr gut aus dafür»
Monisha Kaltenborn: «Peter Sauber hätte das alles nicht tun müssen»
Monisha Kaltenborn, wie fällt die Bilanz Ihres ersten Jahres als Formel-1-Teamchefin aus?
Ein schwieriges Jahr. Es ist eigentlich fast schon ein bisschen untergegangen bei allen Turbulenzen, die wir erlebt haben, aber ich bereue zu keinem Zeitpunkt die Entscheidung.
Wächst man an solchen Turbulenzen?
Absolut, ich denke, man wächst an jeder Herausforderung im Leben. Ich glaube, dass ich vor sehr grossen Herausforderungen gestanden bin, was das Team betrifft. Man lernt aus jeder Erfahrung. Und wenn man bestimmte Prinzipien hat, dann bleibt man denen auch dann treu, und die haben mich eigentlich nur gestärkt.
Was hat Sie denn überrascht, was haben Sie dazugelernt?
Ich habe nicht mit der Medienberichterstattung gerechnet, die Mitte Jahr war. Das hat mich zwar nicht so getroffen, weil man das nicht zulassen darf. Aber es war befremdend, wie weit gewisse Personen oder Medien gehen. Das war schon sehr befremdend!
Was macht man in so einem Fall als Teamchefin?
Die wichtigste Herausforderung war, das Team zusammen zu halten. Natürlich gibt es in solch einem Fall Abgänge, das ist klar, aber man muss immer einen Kern haben, auf den man sich verlassen kann. Es geht darum, diesen Kern zu bewahren und darüber hinaus, im zweiten Kreis innerhalb der bescheidenen Möglichkeiten die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um gute Ergebnisse einzufahren. Dazu braucht es seitens des Teams auch Zuversicht.
Gab es irgendwann einmal einen Moment, in dem Sie an sich selbst gezweifelt haben?
Es gab schon einen Moment, in dem ich mich gefragt habe, ob ich der Aufgabe letztlich gewachsen bin. Niemand hätte sich gedacht, dass es so schwierig sein wird. Aber das war ein sehr kurzer Moment, wenn man sich überlegt, an wessen Unternehmen man an der Spitze steht und was hier alles geleistet wurde. Da kann man nicht nach einem Jahr schlapp machen.
Erfüllt Sie es mit einer gewissen Genugtuung, dass jetzt wieder die Fahrer bei Ihnen Schlange stehen?
Genugtuung ist es nicht, aber ich bin einfach sehr stolz auf die gesamte Mannschaft, dass sie trotz dieser schwierigen Zeit ihren Fokus behalten hat und das, was sie hier gezeigt haben, ist nun mal eine tolle Leistung. Diese basiert auch nicht auf Unmengen an Geld, die wir plötzlich gekriegt haben, sondern auf sehr fokussiertes Arbeiten und Denken. Und das spricht für die Mannschaft und die Partner, die wir haben und die uns technisch unterstützen.
Sauber hat Toro Rosso in der Konstrukteurs-Wertung überholt – ist das Ziel erreicht?
Die Zielvorgabe lautet: So weit es geht nach oben zu klettern. Man muss natürlich schon sehen: Die Leistungsdichte ist sehr eng. Da kann es bei einem Rennen sehr schnell Verschiebungen geben. Da darf man sich auf nichts ausruhen. Toro Rosso wird auch nicht aufgeben und wenn es dumm läuft, haben wir vielleicht Williams vor uns – das kann alles passieren.
Das Team arbeitet jetzt schon am 2014er-Auto – wird diese Entwicklung zu Gunsten des diesjährigen Erfolges zurückgestellt?
Nein, das geht ganz normal weiter. Wir sind etwas im Verzug – durch die Sommer-Sachen, jetzt haben wir auch den Vertrag mit Ferrari abgeschlossen, und da sind ein paar Anpassungen möglich – aber das werden wir schon mit der Zeit aufholen.
Hat sich Ihr Verhältnis zu Peter Sauber in den schwierigen Zeiten verändert, ist es etwa intensiver geworden?
Nein, das hat sich nicht verändert. Wichtig ist, wir haben eine sehr solide Basis. Oft würden wir genau die gleiche Entscheidung treffen. Wir gehen das Ganze vielleicht von verschiedenen Wegen aus an – er hat ja auch viel Erfahrung und ich mache da vielleicht eher noch Umwege, aber die Basis für die Zusammenarbeit seit 2010 ist schon eine sehr solide Basis.
Hat er sich verändert in diesem schwierigen Jahr?
Er hat sich nicht verändert. Ich glaube, er war genauso befremdet über die Attacken, die es auch unnötigerweise gegen ihn gegeben hat. Das war für ihn nicht nachvollziehbar. Er hat darauf auch nicht öffentlich reagiert.
Können Sie ihm etwas zum 70. Geburtstag, den er am Sonntag feiert, sagen?
Ha, er sieht noch sehr gut aus dafür! An der Haarpracht hat sich auf jeden Fall, seit ich ihn kenne, nicht geändert.
Und an seiner Leidenschaft?
Überhaupt nicht, denke ich. Und ich finde das bewundernswert. Er hätte das alles ja nicht tun müssen. Wie er sich eingesetzt hat für diese Firma und doch so viele Arbeitsplätze hier zu einer Zeit gerettet hat, wo andere Unternehmen abbauen. Er hat das nicht getan und mit seinem persönlichen Geld dafür eingesetzt. Diese Leistung würden in dieser Zeit nicht viele erbringen.
Würden Sie es wieder genauso machen?
Er hat’s mit dem Geld gemacht – er würde es wohl genauso machen. Und wenn ich die Entscheidung noch einmal treffen müsste, dann würde ich es genauso machen. Also nichts bereut.