Schumi im Koma wie Wendlinger: Was bleibt zurück?
Die früheren Mercedes-Junioren Heinz-Harald Frentzen, Michael Schumacher und Karl Wendlinger
Die beiden Ausnahmerennfahrer verbindet einiges – nicht nur, dass sie nach einem schlimmen Unfall von den Neurologen ins Koma gelegt werden mussten. Sie waren zusammen im Mercedes-Juniorenteam – wie Heinz-Harald Frentzen galten sie als künftige GP-Sieger. Schumacher wurde zum erfolgreichsten aller Formel-1-Fahrer. Frentzen eroberte wirklich Formel-1-Siege. Wendlinger erlitt eine Verletzung, die seiner GP-Karriere einen Riegel schob.
Doch Karl Wendlinger (45) hat sich von seinen Verletzungen aus dem Training des Monaco-GP 1994 vollständig erholt, es ist sein grösster Sieg. 19 Tage lang lag der Kufsteiner damals im Koma, wie jetzt bei Schumi mussten wir wegen Hirnverletzungen mit dem Schlimmsten rechnen.
Vieles, was der spätere Sportwagenfahrer und heutige ORF-TV-Experte Wendlinger nach seinem Unfall zu erzählen wusste, wird auch auf Michael Schumacher zutreffen, wenn die Ärzte in Grenoble beginnen werden, den 91fachen GP-Sieger aus dem Koma zu holen.
So bestätigt Wendlinger, was Neurologen sagen: das Hirn löscht die Erinnerung an den Unfall selber aus, es ist eine Art Selbstschutz.
«Wo sind wir? Was tue ich hier?»
Beim Österreicher ist es ein Abendessen mit seiner Sophie am Mittwoch vorm ersten Trainingstag in Monaco (im Fürstentum traditionellerweise der Donnerstag). Dann kommt der Filmriss, als nächstes ein Erinnerungsfragment aus der Klinik in Innsbruck, in die Wendlinger verlegt wurde.
Karl Wendlinger über die Zeit damals: «Ich fragte schon Dinge in Südfrankreich, als ich schrittweise aus dem Koma geweckt wurde. Wo sind wir? Was tue ich hier? Aber ich konnte mich später nicht daran erinnern, dass ich das wirklich gesagt habe.»
Die Boulevardblätter überschlugen sich. «Sophie – ich liebe dich», das ist zwar an Romantik kaum zu übertreffen, aber die ersten Worte waren das nicht. Sophie Wendliger: «In Wahrheit hat er gesagt – wie spät ist es? Denn ich hatte ihm erklärt, dass er bald neu untersucht würde, also wollte er die Uhrzeit wissen.»
Wendlinger erkundigte sich vor dem Transport vom Krankenhaus in Nizza nach Innsbruck bei seinem Vater, was das für ein Trubel sei. Sein Vater erklärte es ihm. Karl daraufhin: «Ich will nicht nach Innsbruck, ich muss doch nach Barcelona!»
Der Racer war da im Unterbewusstsein schon wieder voll bei der Sache, aber in der Aufwachphase ist Einiges aus dem Lot. Karl: «Man hat mir das später erzählt, ich selber wusste nichts mehr davon – beim ersten Besuch meines früheren Teamchefs Dr. Helmut Marko habe ich offenbar zu ihm gesagt – so, schaust’ eh, dass du den Formel 3 fürs kommende Wochenende fertig machst. Ich glaubte, ich sei noch in der Formel 3! Marko hat nur geantwortet: „Jaja, mach ich scho.“»
Erinnerung wird von rückwärts aufgebaut
Im Gegensatz zu Marc Surer (mehr dazu HIER ) kann sich Karl Wendlinger nicht daran erinnern, dass er im Koma oder in der Aufwachphase von Alpträumen geplagt worden wäre. «Die wirklich schlimmen Tage habe ich nicht mitgekriegt. In jener Phase, als ich mit Marko über die Formel 3 sprach, war ich vom Schlag auf den Kopf und den Medikamenten noch durcheinander. In Innsbruck dann aber habe ich in recht kurzer Zeit viel von der Erinnerung zurückgewonnen.»
Die Ärzte haben erklärt, es sei normal, dass der Patient seine Erinnerung von rückwärts aufbaue. So sprach Karl Wendlinger mit seinen Liebsten beispielsweise übers Tennisspielen. Die wunderten sich etwas über das Thema und fragten behutsam, wie alt er denn sei. Karl antwortete: «Vierzehn ...»
Auch vor knapp 20 Jahren bei Karl Wendlinger war die Anteilnahme der Öffentlichkeit gross: das Schicksal des Tirolers war Tagesthema in allen Zeitungen, der beliebte Sauber-Fahrer erhielt sehr viel Post, auch von anderen Koma-Patienten.
Was Michael Schumachers Familie vielleicht Mut machen sollte: Karl Wendlinger hat sich – trotz schwerer Hirnprellungen und 19 Tagen Koma – komplett erholt.
Es wäre schön, wenn das einst ebenfalls etwas wäre, das die beiden Racer gemeinsam haben.