Sensation: Daniel Ricciardo gewinnt den Kanada-GP
Beim Start zum Kanada-GP waren alle Augen auf das Spitzenduell von Mercedes gerichtet. Pole-Setter Nico Rosberg kam etwas schlechter Weg als sein Nebenmann Lewis Hamilton, trotzte sich aber in der ersten Kurve durch. Nutzniesser dieses teaminternen Scharmützels der Silberpfeil-Piloten war Formel-1-Champion Sebastian Vettel, der die Gelegenheit nutzte, und sich die zweite Position schnappte. Hinter Rosberg reihte sich das Williams-Duo Valtteri Bottas und Felipe Massa vor Vettels Red Bull Racing-Teamkollegen Daniel Ricciardo und Toro Rosso-Talent Jean-Eric Vergne ein.
Lange kämpfen konnten die Spitzenreiter aber nicht – denn weiter hinten im Feld krachte es schon in der ersten Kurve. Das Marussia-Team, das beim letzten Grand Prix in Monaco noch die ersten Punkte der Team-Geschichte sammeln konnte, durfte zusehen, wie Max Chilton ins Rutschen kam und seinen Teamkollegen Jules Bianchi abräumte. Der ehemalige GP-Pilot und heutige Sky-TV-Experte Marc Surer kommentierte: «Bianchi war hier schon einmal in der Wand, aber diesmal konnte er nichts dafür. Der Winkel ist etwas blöd, man fährt an dieser Stelle direkt auf die Wand zu.»
Sauber-Pilot Esteban Gutiérrez nutzte die Safety-Car-Phase, um zum frühen Reifenwechsel abzubiegen und fiel dadurch auf die letzte Position zurück. An der Boxenmauer der Spitzenreiter atmete man durch. Weil das Safety Car gleich mehrere Runden auf der Strecke bleiben musste, da der Unfall eine Ölspur auf der Piste hinterlassen hatte, konnte das Spitzenduo im Schleichgang Sprit sparen. Wir erinnern uns: Vor dem Rennen hatten die Silberpfeil-Verantwortlichen auf dem Highspeed-Kurs von Montreal ein Problem mit dem Benzin befürchtet.
Champion Sebastian Vettel chancenlos
In der achten Runde wurde das Rennen wieder freigegeben. Rosberg konnte die Führung verteidigen, während sich Toro Rosso-Neuling Daniil Kvyat in Runde 10 in der Senna-S-Kurve drehte. Surer analysierte: «Da war er ganz allein unterwegs, kam auf den Dreck und hat die Kontrolle über seinen Renner verloren.» Für den jungen Russen kam es noch schlimmer: Später musste er seinen Dienstwagen in der Haarnadel-Kurve abstellen.
Kurz vor Kvyats erstem Dreher sorgte Sergio Pérez für Jubel in der Force India-Box, indem er sich an McLaren-Star Jenson Button vorbei auf Position 10 schob. Vettel, der sich über Boxenfunk über seine körnenden Hinterreifen beschwerte, musste sich nur zwei Runden später in der letzten Schikane gegen Hamilton geschlagen geben. Der Weltmeister bog kurz darauf zum Reifenwechsel ab, Rosberg und Hamilton taten es ihm weinige Runden später gleich.
An der Reihenfolge änderte dies beim Spitzenduo nichts, doch Vettel steckte in der Folge hinter Force India-Pilot Nico Hülkenberg fest, der noch nicht gestoppt hatte. Ein Angriffsversuch des 26-jährigen Heppenheimer in der Haarnadel-Kurve scheiterte. Und Surer kommentierte: «Da hat er die Kurve nicht gekriegt und musste weit ausholen.» Nach etlichen Runden am Heck des Emmerichers bog der Champion entnervt zum zweiten Boxenstopp ab.
Sprit-Problem bei Nico Rosberg
Zu den Pechvögeln des Rennens gehörte Felipe Massa. Der Williams-Pilot, der vor seinem Boxenstopp noch auf Top-5-Kurs war, fiel zurück, weil beim Reifenwechsel der linke Vorderreifen klemmte. Noch schlimmer erwischte es das Caterham-Duo: Sowohl Marcus Ericsson (Motorschaden) als auch Kamui Kobayashi (Aufhängungsbruch), wurden vom Pech verfolgt und mussten frühzeitig unter die Dusche. Auch Lotus-Pilot Pastor Maldonado musste seinen Dienstwagen wegen technischer Probleme abstellen, nachdem sich ein Flügelchen von seinem Auto teilweise gelöst hatte.
Rosberg sorgte kurz darauf für Hektik bei den Regelhütern, weil er sich in der letzten Schikane heftig verbremste und abkürzen musste. Der Spitzenreiter kam mit einer Verwarnung davon, und Surer freute sich: «So muss es sein, der Zweikampf soll auf der Strecke ausgetragen, und nicht durch Strafen entschieden werden.» Doch die Konzentration war nicht sein einziges Problem. Der 28-jährige Wahl-Monegasse wurde von seinem Renningenieur Tony Ross angehalten, früher hochzuschalten, weil sein Spritverbrauch zu hoch war.
Lewis Hamilton: Leistungsverlust und Ausfall!
In Runde 37 folgte der Schock für Mercedes: Beide Piloten bekundeten einen plötzlichen Leistungsverlust und waren sichtbar langsamer unterwegs als die Konkurrenz. Surer weiss: «Das Team wird jetzt versuchen, einzelne Systeme neu hochzufahren.» Während die Silberpfeil-Piloten verzweifelt ihre Runden drehten, sorgte Ferrari-Star Kimi Räikkönen mit einem Dreher in der Haarnadel-Kurve für Verwunderung. «Das war exakt der gleiche Dreher, den er schon im Training gezeigt hat, das ist ganz komisch», staunte Surer.
Für das Mercedes-Duo lief es noch schlechter. In Runde 44 wurde Rosberg mitgeteilt, dass sein Team das Problem im Renntrimm nicht beheben könne. Das Energierücksystem bereitete hingegen Ricciardo Probleme. Der Australier wurde angewiesen, nicht zu früh vom Gas zu gehen, um Sprit zu sparen, weil dies dem ERS schade.
Für grosse Aufregung sorgte kurz darauf der Ausfall von Hamilton, der von einem Bremsproblem heimgesucht wurde und im Schleichgang an die Box musste, wo er das Rennen aufgab. Rosberg wurde umgehend über Boxenfunk angewiesen, auf seine Bremsen aufzupassen, erst nach einigen Runden im Schonmodus gab es Entwarnung von der Boxenmauer: Das Team teilte ihm mit, dass sich seine Bremsen etwas erholt hätten und er wieder etwas mehr Gas geben dürfe. Surer vermutet: «Wir haben gehört, dass Hamilton die Bremsbalance so eingestellt hatte, dass die Bremskraft auf die Hinterachse stärker war als bei Rosberg. Das könnte das Problem gewesen sein.»
Erster GP-Sieg von Daniel Ricciardo
In den letzten Runden sorgte ein packender Wettkampf um die Podestplätze für Unterhaltung auf den Zuschauerrängen. Ricciardo, der lange hinter Rosberg auf seine Chance gewartet hatte, schnappte sich die Führung drei Runden vor Schluss. Der Australier sicherte sich damit seinen ersten Sieg vor dem Silberpfeil-Piloten und Teamkollege Vettel machte das Red Bull Racing-Glück mit Platz 3 perfekt.
Der Weltmeister hatte am Ende Glück, nicht Opfer des harten Unfalls von Massa und Pérez geworden zu sein. Der Mexikaner hatte in der letzten Kurve die Tür zuknallen wollen und den Williams-Piloten dabei abgeräumt. Beide Fahrer schossen mit viel Tempo in die Mauer, blieben aber zum Glück unverletzt. Hinter dem Podest-Trio sicherten sich McLaren-Pilot Jenson Button, Hülkenberg, Alonso, Bottas, McLaren-Junior Kevin Magnussen und Räikkönen die restlichen Punkteränge.