Marc Surer: «Renault kann maximal 20 PS wettmachen!»
TV-Experte Marc Surer
Marc, die Formel-1-Teams hatten vier Wochen Pause und damit Zeit zum Tüfteln. Müssen wir in Spa-Francorchamps daher mit einer Überraschung rechnen?
Ich glaube nicht, denn zwei Wochen davon sind ja Sperrzeit gewesen. Da darf man nichts am Auto machen. Natürlich kann man Ingenieure nicht davon abhalten, dass sie zu Hause Daten auswerten. Aber es würde hundertprozentig herauskommen, wenn jemand in dieser Zeit unerlaubt im Werk schrauben würde. Von daher bleibt nicht viel Zeit, um Verbesserungen umzusetzen.
Laut Red-Bull-Motorsportchef Dr. Helmut Marko fehlen seinem Team 60 PS. Wieviel Leistung kann man in so einer kurzen Zeit aufholen?
Mechanisch darf man nichts verändern. Man kann nur die Software optimieren, also besser programmieren und Aufladezeiten verbessern. Damit kann man maximal 20 PS gutmachen.
Am Montag hat Red Bull mit der Verpflichtung des erst 16 Jahre alten Max Verstappen für Aufsehen gesorgt. Ist der junge Niederländer eine Art Wunderkind?
Mir ist er aufgefallen, weil er im Kart Weltmeister und zweimal Europameister geworden ist. Und so, wie er in der Formel 3 eingeschlagen hat, ist er auf jeden Fall ein Supertalent. Solche Überflieger sieht man sehr selten. Zuletzt vielleicht Kimi Räikkönen, der auch direkt von der Formel Renault in die Formel 1 kam. Wenn man solche Talente entdeckt, muss man zuschlagen.
Nach Daniel Ricciardo könnte Max Verstappen der nächste Fahrer sein, der Sebastian Vettel das Leben bei Red Bull Racing schwer macht …
Ja, und mit dem Russen Daniil Kvyat, der in Australien sein Formel-1-Debüt hatte, kommen sogar gleich zwei junge Toro-Rosso-Fahrer nach. Kyvat ist praktisch unvorbereitet in die Formel 1 geschubst worden. Es wird spannend zu sehen, was passiert, wenn er mal ein bisschen Erfahrung gesammelt hat. Mit ihm und Verstappen haben sich Red Bull und Toro Rosso die im Moment heissesten Jungstars gesichert.
Müsste eben dieses Red-Bull-Modell, mit Toro Rosso ein Nachwuchs-Team auf hohem Wettkampf-Niveau etabliert zu haben, nicht Teams wie Ferrari und Mercedes zum Nachahmen auffordern?
Ferrari und Mercedes haben ein anderes System: Sie platzieren ihre Nachwuchs-Fahrer bei kleineren Teams. Jules Bianchi sammelt beispielsweise gerade bei Marussia Erfahrung, um dann vielleicht den Sprung zu Ferrari zu schaffen. Dieses Modell ist zwar nicht so perfekt wie bei Red Bull/Toro Rosso, aber es zeigt: Auch bei der Konkurrenz gibt es Strategien, um junge Talente heranzuziehen.
Im vergangenen Jahr startete Sebastian Vettel in Spa-Francorchamps eine Serie von neun Siegen in Folge – wie gross ist die Chance, dass Red Bull Racing in diesem Jahr dort die dominanten Mercedes schlagen kann?
Man kann zwar damit rechnen, dass Red Bull Racing aufholen wird, aber wir sprechen da eher über Podestplätze als über Siege.
In Belgien bleibt es selten trocken. Gibt es für ein Regenrennen dort eine empfehlenswerte Strategie?
Eigentlich muss man immer mit wenig Flügel fahren, weil es viele lange Geraden gibt. Und auch die berüchtigte Eau Rouge ist eine schnelle Passage. Aber wenn man auf Regen spekuliert, dann könnte man mit mehr Anpressdruck fahren und hätte dann auf nasser Strecke einen Vorteil. Aber die Gefahr ist immer gross, dass man damit falsch liegt, denn die Wetterprognose in Belgien ändert sich ständig. Das wäre ein Risiko, das man nur als Underdog-Team eingehen kann. Als Top-Team darf man das nicht machen.