Jonathan Williams: Ferrari-Werksfahrer tot
Der Grosse Preis von Mexiko ging als Finale der Saison 1967 in die Geschichte ein: Jim Clark siegte, Denny Hulme eroberte dank seines dritten Ranges den WM-Titel, im letzten Rennen hinter seinem Teamleader Jack Brabham, in der WM jedoch vor ihm. Für Ferrari-Kenner war das Rennen aus einer ganz anderen Perspektive interessant: Es war der einzige Formel-1-WM-Lauf des Briten Jonathan Williams, und das gleich den berühmtesten Rennstall der Welt, als Ersatzfahrer für seinen britischen Landsmann Mike Parkes, der sich bei einem üblen Crash in Spa-Francorchamps schlimme Beinverletzungen zugezogen hatte.
Nun erreicht uns die traurige Nachricht: Jonathan Williams ist in Spanien im Alter von 71 Jahren verstorben.
Die Leidenschaft Racing von Williams war bei einem Rennbesuch in Silverstone geweckt worden. Nach Einsätzen mit einem Mini tingelte Williams ab 1963 in der Formel Junior durch ganz Europa. Sein damaliger Mechaniker: ein gewisser Frank Williams ...
In der italienischen Formel 3 der Saison 1966 fiel Williams dem grossen Enzo Ferrari auf. Ab 1967 war er scheinbar aus dem Nichts Werksfahrer geworden und erhielt viel Zeit hinter dem Lenkrad: Sportwagen, Formel 2, CanAm, F1-Tests. Als Mike Parkes in Spa-Francorchamps seinen schweren Unfall hatte, brauchte Ferrari auf die Schnelle einen Piloten und beförderte Williams zum GP-Fahrer.
Vielleicht hätte Jonathan Williams das verlockende Angebot ablehnen sollen: Zwar schlug er sich mit Rang 8 in Mexiko beachtlich, doch der Abstand zu seinem Ferrari-Stallgefährten Chris Amon war für den Geschmack von Enzo Ferrari zu gross. Der Commendatore liess ihn so schnell fallen, wie er ihn engagiert hatte, vor allem, nachdem Williams in Modena einen Prototypen zerknüllt hatte.
Williams hielt sich anschliessend mit Sportwagenrennen über Wasser, Filmfans kennen ihn als Pilot des Kamerawagens Porsche 908 in Le Mans 1970 für den Kinofilm von Steve McQueen.
Der in Kairo geborene Williams verschwand anfangs der 70er Jahre aus der Rennszene, der Tod seines engen Freundes Piers Courage hatte seine Begeisterung für den Sport beendet, jahrelang wusste niemand, wo er sich aufhält.
Unser Leser Andreas Hackbarth hat ihn im Rahmen seiner Recherchen für ein Buch über Mike Parkes aufgetrieben: «Euer Foto von Jonathan Williams bei den Racing-Raritäten hat mich daran erinnert, dass ich ihn im Rahmen der Parkes-Recherche im September 2009 in Estepona traf, an der Südspitze Spaniens, in Sichtweite von Gibraltar. Er lebte in diesem simplen Camper mit ein bisschen Wäsche zum Wechseln und seinen CDs. Kurz vorher war eingebrochen wurden, sein spärlicher Besitz hatte sich dadurch weiter reduziert. Williams fährt mit dem Wohnmobil immer dorthin, wo es schön warm und sonnig ist: Spanien, Portugal, Frankreich, Italien. Für mich war der Dialog mit ihm eine Lektion in Sachen Demut. Er ist ein moderner Diogenes und hat sein Leben ganz bewusst aufs Wesentliche reduziert. Wir waren in seiner Stammkneipe im Hafen von Estepona, dort war er wohlbekannt und wurde von allen herzlich begrüsst. Auf meine Frage, ob die Leute dort eigentlich wüssten, dass er Ferrari-Werksfahrer war, kam eine Antwort, die typisch war für seine unaufdringliche Art: „Nein, warum sollten sie?“»