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Boxenfunk: Pilot nur Marionette? Fluchen-Trick unnütz

Von Mathias Brunner
Einige Funksprüche werden Kult – wie jener von Kimi Räikkönen in Abu Dhabi 2012

Einige Funksprüche werden Kult – wie jener von Kimi Räikkönen in Abu Dhabi 2012

Boxenfunkmeldungen sind immer wieder Anlass für Verwirrung. Das musste in Monza Mercedes-Rennchef Toto Wolff lernen. Und auch Fluchen am Funk schützt nicht vor Überwachung.

Mercedes-Renndirektor Toto Wolff ärgert sich: Der Wiener wurde im Verlauf des Monza-GP gezeigt, wie er nach einem Verbremser von Rosberg lächelte. Das führte zur Interpretation, dass sich der Wiener über den Fehler des WM-Leaders freue oder dass eine angebliche versteckte Stallorder soeben perfekt umgesetzt worden war oder dass Mercedes sowieso lieber Lewis Hamilton als Formel-1-Champion hätte. Aber es war alles ganz anders.

Toto Wolff: «Das ist ein wirklich verrückter Aspekt der Formel 1. In alles wird eine bestimmte Aussage hinein interpretiert. Zudem ist das TV-Bild nie mit dem Geschehen synchronisiert. Ich komme mir vor wie in «Big Brother»! Mein Lächeln kam früher, als Hamilton zu Rosberg aufschloss und ich dachte – so, jetzt geht das wieder von vorne los ... Versteckte Stallorder? Nur ein Hirn mit Paranoia kann auf eine solche Idee kommen. Und wenn wir auf so etwas gekommen wären, dann muss ich schon sagen, dann wäre es ziemlich perfekt ausgeführt worden.»

Auch Verzögerung zwischen Ton und Bild sorgt immer wieder für Verwirrung, denn im Fernsehen zu hörende Funksprüche sind ebenfalls zeitverzögert, und das hat diesen Grund: «Formula One Management» (FOM) will sich davor schützen, dass die Zuschauerohren vor heiklen Aussagen geschützt werden, zudem muss gefiltert werden, welche Funksprüche für den TV-Fan interessant sein könnten.

Funksprüche sind immer wieder Aufreger: So wie in Ungarn, als Rosberg forderte, der vor ihm fahrende Hamilton solle für ihn Platz machen. Und Hamilton im Funk deponierte, dann solle Rosberg bitteschön zuerst mal aufschliessen.

Team-interne Kommunikation ist das eine, der Funkverkehr der Konkurrenz etwas anderes. Die Rennställe verschlüsseln ihren Funk, um das Mithören der Gegner zu erschweren. Doch wenn die FOM Funksprüche ausstrahlt – dagegen sind die Teams machtlos.

Früher gab es ein einfaches Mittel, um auch diese Kommunikation zu schützen: Der Fahrer wurde gebeten, einfach tüchtig zu fluchen (etwa mit dem englischen F-Wort), und schon wurde ein solcher Funkspruch nicht gesendet. Inzwischen hat die FOM jedoch einen anderen Weg gewählt. Das böse Wörtchen wird mit einem kurzen Piepser belegt – beispielsweise zu hören, als Lewis Hamilton (zu Beginn des Rennens von der Software seines Autos genarrt), am Funk sagte: «How the f... shall I work like this?» («Wie zum Henker soll ich so arbeiten?»).

Inzwischen sind einige Teams auch dazu übergegangen, Ja- oder Nein-Fragen von ihrem Piloten durch einen Antwortknopf am Lenkrad quittieren zu lassen, wie es bei Mercedes und Rosberg in Runde 19 der Fall war. Da stoppt der Informationsfluss dann nach der Aufforderung vom Kommandostand – für Fans und Gegner zugleich.

Rennfahrer nur noch Marionetten?

Der Funkverkehr ist auch bei der so genannten Strategiegruppe ein Thema: Es ist den Formel-1-Verantwortlichen nicht entgangen, dass viele Fans einen Teil der Gespräche wenig schätzt. Wenn Fahrer ihre Ingenieure ständig fragen, in welchen Kurven sie auf welche Weise noch schneller fahren könnten, wenn sie fortlaufend ermahnt werden, bitteschön auf die Reifen zu achten und auf den Spritverbrauch obendrein, dann erhärtet sich bei den Fans der Eindruck – der Fahrer ist nur nach Marionette an Bord.

Ex-Formel-1-Fahrer Martin Brundle: «Das ist gefährlich, denn Grand-Prix-Piloten sollen ja als Helden gesehen werden. Wenn jetzt aber die Fahrer ständig gesagt bekommen, was sie im Auto alles verstellen müssen oder welche Kurve sie anders fahren sollen, dann fragen die Fans völlig zu Recht – kann der Mann das an Bord nicht alleine? Und gibt es nicht eine Formel-1-Regel, die besagt, dass der Pilot den Fahrer alleine und ohne Hilfe bewegen muss?»

Doch, diese Regel gibt es tatsächlich (Artikel 20.1 des Sportgesetzes), und würde sie konsequent umgesetzt, dann könnte man gewisse Anweisungen von den Ingenieuren durchaus als fremde Hilfe interpretieren.

Eine mögliche Lösung: Der Autoverband FIA verbietet Funksprüche dieser Art. Ein Verbot des ganzen Funkverkehrs ist hingegen nicht wünschenswert. Viele Aussagen schüren Spannung und Emotionen, und das wiederum hilft dem Sport. Siehe Rosberg und Hamilton in Ungarn.

Wie schnell eine Einschränkung des Funkverkehrs umgesetzt werden soll und kann, ist noch nicht klar und liegt im Ermessen des Autoverbands FIA.

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