Jean Todt: «Vor Jules Bianchi erlebten wir Wunder»
Auch FIA-Präsident Jean Todt (68) ist vom tragischen Unfall des Marussia-Piloten Jules Bianchi in Suzuka gezeichnet: «Ich bin da wie zwei Personen in einer», sagt der Franzose gegenüber den Kollegen der «Gazzetta dello Sport». «Auf der einen Seite habe ich die Verantwortung als FIA-Chef, auf der anderen sind da die privaten Gefühle – Jules ist für meinen Sohn wie ein Bruder, und er ist niedergeschmettert.»
Der 25jährige Rennfahrer kämpft im Krankenhaus von Yokkaichi noch immer um sein Leben. Für Todt ist das der traurige Beweis für seine These: «Wir dürfen in Sachen Sicherheit nichts fürs selbstverständlich nehmen und uns nie ausruhen. Ich habe das schon vor dem Unfall von Jules gesagt und ich wiederhole es – die Leute haben in den letzten Jahren viele üble Unfälle gesehen, aber der Fahrer ist stets unversehrt geblieben. Also haben einige angefangen zu denken, es sei normal, dass man einen 200-km/h-Unfall unverletzt übersteht. Für mich war das nie normal. Für mich waren das reine Wunder. Wir haben so viel gemacht, aber jeder muss sich im Klaren darüber sein – eine hundertprozentige Sicherheit gibt es in unserem Sport nicht.»
«Bei Jules hat eine ganze Abfolge von Ereignissen zum Unfall und der schweren Verletzung geführt. Rückblickend erscheint alles ganz einfach. Aber das Schicksal kann dramatische Konsequenzen haben. Wir haben versucht, im Rahmen des Russland-GP in Sotschi den Unfall im Detail zu erklären. Und wir haben eine Untersuchungskommission aufgestellt, unter der Leitung von Peter Wright. Bevor wir deren Schlussfolgerungen nicht kennen, sollten wir mit unserem eigenen Urteil warten.»
Nach der ausführlichen FIA-Konferenz in Sotschi waren vor allem Medien in Italien mit dem Autoverband im Allgemeinen und mit Rennleiter Charlie Whiting im Besonderen äusserst kritisch eingestellt. Sie finden, man mache es sich zu einfach, sich selber von jeder Mitschuld reinzuwaschen.
Jean Todt dazu: «Die Welt besteht aus rund 200 Ländern, natürlich gibt es da in jedem Land andere Ansichten. In Italien gab es kritische Stimmen, in Deutschland sieht das wieder ganz anders aus, in Grossbritannien ebenso. Aber nochmals – wir warten besser ab, zu welchen Schlüssen die Untersuchungskommission kommt.»