3. Australien-Training: Hamilton 1., Renault blamiert
Daniel Ricciardo im Red Bull Racing-Renault
So langsam wird es ernst: Zum Schluss des dritten Trainings rücken die Fahrer mit wenig Sprit an Bord aus und mit weichen Reifen – nun gilt es, ein Gefühl fürs Auto im Quali-Trimm zu bekommen.
Vor dem letzten freien Training auf dem Albert Park Circuit in Melbourne wurde klar: Manor würden wir wieder nicht auf der Bahn sehen. Im Fahrerlager kursierte die Unterstellung: Manor will lediglich mit seinem Material in Australien anwesend sein und die technische Abnahme absolvieren, damit haben sie offiziell an der Veranstaltung teilgenommen, selbst wenn sie keinen Meter fahren. Es sei überhaupt nie vorgesehen gewesen, dass Roberto Merhi und Will Stevens ausrücken.
Aber Manor-Teammanager Graeme Lowdon schüttelt den Kopf: «Das stimmt einfach nicht. Wir verzögern hier gar nichts. Wir arbeiten mit Volldampf, um die Wagen auf die Bahn zu bekommen. Aber wir müssen tausend Dinge erledigen, und dieser Prozess lässt sich nicht beschleunigen. Die anderen erledigen diese Arbeiten im Werk, bevor sie dann testen gehen. Wir hatten diesen Luxus nicht. Der Aufbau der Autos passierte hier im Fahrerlager. Es dauert so lange, wie es dauert. Wann wir einsatzbereit sind, kann ich beim besten Willen nicht sagen.»
Neuster Stand: Die Techniker wissen, wie man die 2014er Motoren anlässt, sie wissen aber nicht, was dann passiert, weil es noch immer Probleme mit der Software gibt.
Ein Blick in die Manor-Box reichte, um zu wissen, was hier abgeht oder vielmehr nicht: die beiden Fahrer standen in Freizeitbekleidung herum.
Ex-Formel-1-Fahrer Martin Brundle: «Ich bin generell einfach froh, dass wir zum Tagesgeschäft übergehen können. Gestern ging es eher darum, wer nicht fährt – Sauber und Manor. Heute erhalten wir endlich Action und Wahrheit geboten.»
Kurze Mitteilung der Wetterfrösche: der Himmel wird in Melbourne zunehmend von Wolken bedeckt, aber regnen sollte es erst am Abend – nach dem Abschlusstraining zum Australien-GP, das 17.00 Uhr Lokalzeit beginnt (also um 07.00 europäischer Zeit).
Red Bull Racing: Wegen Renault frustriert
Daniel Ricciardo rückte mit neuem Motor aus: Renault hat bestätigt, dass der gestern beschädigte Motor nicht mehr zu retten ist. Zur Erinnerung: jeder Fahrer hat pro Saison vier Antriebseinheiten (nicht mehr fünf, wie 2014), und der Australier muss für den Rest der Saison nunmehr mit drei auskommen. Natürlich wird er damit nicht die ganzen 20 Rennen bestreiten können, also ist eine Strafe programmiert.
Die Fahrbarkeit des französischen V6-Turbos ist problematisch: wenn die Fahrer vom Gas gehen, schiebt der Motor weiter an. Da gibt es noch viel Arbeit, nicht nur in Sachen Software. Daniil Kvyat war im dritten freien Training wieder kurz neben der Bahn.
Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner auf den Gruss «Guten Morgen»: «Ich wünschte, das wäre es! Wir haben ein Problem, dass der Motor weiter anschiebt, wenn der Fahrer vom Gas geht. Das ist ein Software-Problem, das beide Fahrer betrifft. Den ersten Motor nach fünf Runden zu verlieren, ist gewiss kein Vorteil. Das müssen wir verdauen und zum Tagesgeschäft übergehen. Wir werden sicher auch nicht das einzige Team sein, das mehr als vier Aggregate pro Saison braucht. Man muss das vielleicht überdenken, das ist eine dumme Situation.»
Daniel Ricciardo über Funk: «Das mit der Bremse ist jetzt besser, aber die Fahrbarkeit generell ist noch immer jämmerlich.»
Daniil Kvyat hatte weiter Probleme, der Russe musste ohne Quali-Versuch auf weichen Reifen auskommen.
Ein Vergleich: Mercedes bestritt die Wintertests mit einem Basis-Aggregat (allerdings gibt Motorsportchef Toto Wolff zu, dass der Motor immer wieder modifiziert wurde), Renault hat angeblich acht Motoren zerschlissen, bei Honda sollen es mehr als ein Dutzend sein. Zu dieser Zahl sagen die Honda-Techniker so viel wie ein Koi.
Martin Brundle: «In den Toro Rosso scheinen die Renault-Motoren besser zu funktionieren. Aber mir wurde gestern erklärt – das zickige Verhalten des Aggregats führte gestern beim kleineren Red-Bull-Team zu einem Schaden im Getriebe.»
Daniel Ricciardos übliches Lachen erstarb, als sein Wagen nach einer knappen halben Stunde ausgangs Boxengasse ausrollte: der Rennwagen wurde von Streckenposten zurückgeschoben und dann von den Mechanikern in Empfang genommen (sie dürfen sich nicht über die weisse Ausfahrtlinie einer Rennstrecke hinausbewegen).
Sauber-Fahrer Marcus Ericsson geriet ausgangs Kurve 12 zu sehr auf die Randsteine, der Schwede vollführte einen halben Dreher und schaffte es immerhin, den Wagen nicht in eine der Betonmauer-Element zu stecken. Dafür war ein Satz Reifen ruiniert.
Beide Silberpfeil-Fahrer waren kurz neben der Bahn, zuerst Lewis Hamilton, dann Nico Rosberg. Der Deutsche, gestern zwei Mal Schnellster, beklagte sich über eine unregelmässig arbeitende Energierückgewinnung. Die Furcht geht weiter um im Mercedes-Lager: sie haben auch 2015 das beste Auto, aber standfest ist es nicht.
Der Eindruck aus den ersten beiden freien Trainings hat sich verfestigt: Mercedes ist vorne, aber die Frage ist – wie gross ist der Abstand zur Konkurrenz?
Lewis Hamilton hämmerte kurz vor Schluss des Trainings eine 1:27,867 min auf die Bahn – damit sind wir wieder bei den gewohnten sieben Zehnteln vor dem besten Nicht-Mercedes, dieses Mal Sebastian Vettel im Ferrari. Eine noch schnellere Runde brach der Weltmeister ab.
Am anderen Ende der Wohlfühlskala: McLaren-Honda. Durchaus denkbar, dass die Autos von Jenson Button und Kevin Magnussen im Abschlusstraining die langsamsten Renner sein werden. Und wenn Manor es nicht auf die Startaufstellung schafft, dann beginnt die neue Ära von McLaren mit Honda in der letzten Startreihe. Peinlich.
Jenson Button: «Ich hoffe, wir haben im Abschlusstraining zwanzig Autos. Sonst kann es durchaus sein, dass wir die Letzten sind.»
In Australien bestätigt sich: die Autos 2015 sind lauter geworden. Der Eindruck bei den Testfahrten in Jerez und Barcelona bestätigt sich also – der lautere Sound liegt einerseits an höheren Drehzahlen, andererseits an Modifikationen der Auspuffanlagen.
Einer, den das alles wenig beeindruckte: jener Vogel, der das ganze Training über im Kiesbett ausgangs Kurve 3 nach Leckereien pickte. Zu laut sind die Motoren offenbar nicht geworden.