Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Ferrari SF16-H für Sebastian Vettel: Ausreden am Ende

Von Mathias Brunner
Der neue Ferrari SF16-H von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen

Der neue Ferrari SF16-H von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen

​Jahrelang konnten die Manager und Techniker aus Maranello in bequemen Ausreden Zuflucht suchen, damit ist es mit dem neuen Ferrari SF16-H vorbei.

Die Ferraristi, also die Ferrari-Fans unter den Sportfreunden, die in Italien Tifosi genannt werden, sie sind im Allgemeinen Sinnbild für Werte wie Leidenschaft, Sachverständnis, Temperament, Lebensfreude. Dabei wird ein Wort gerne vergessen: Ausdauer.

Denn die Ferrari-Fans brauchten in den letzten Jahren verdammt viel Geduld: Letzter Gewinn des Konstrukteurs-Pokals – 2008. Letzter Gewinn der Fahrer-WM – 2007, mit Kimi Räikkönen. Richtig wehmütig werden die Fans, wenn es um einen italienischen GP-Sieger in einem Ferrari geht, das war dann Michele Alboreto 1985 auf dem Nürburgring. Nun kommen wir zu Siegen, welche fast nur noch heutige Rentner vor Ort miterlebt haben. Heimsieg eines italienischen Piloten in Monza mit Ferrari – Ludovico Scarfiotti 1966, also vor fünfzig Jahren. Und hätten Sie gewusst, wann letztmals ein Italiener mit Ferrari Formel-1-Weltmeister wurde? Genau, es war Alberto Ascari in der Formel-1-Steinzeit von 1952 und 1953.

Tempi passati.

Ferrari will nach vorne blicken, und die Wortwahl in den letzten Stunden, Wochen und Monaten lässt aufhorchen.

Jahrelang konnten die Manager und Techniker aus Maranello in bequemen Ausreden Zuflucht suchen, damit ist es mit dem neuen Ferrari SF16-H vorbei.

Nach Räikkönens Titel biss sich Ferrari die Zähne an Lewis Hamilton im McLaren-Mercedes aus, dann an Jeson Button im genialen BrawnGP-Renner, dann an Red Bull Racing. Südlich der Alpen wurde mehr oder weniger laut über die technische Raffinesse von Red-Bull-Technikchef Adrian Newey gelästert. Alle Versuche, den besten Formel-1-Designer der Gegenwart nach Maranello zu holen, sie scheiterten.

Im zweiten Jahr der neuen Turbo-Ära stand einem erstarkten Ferrari dann Mercedes-Benz vor der Sonne. Nun war die Rede davon, wie das Motorreglement mit eingeschränkter Entwicklung den Vorsprung von Mercedes-Benz auf Jahre hinaus konserviere.

Aber damit war schon 2015 Schluss: Ausgerechnet Ferrari fand nämlich eine Lücke im Regelwerk, welche die Entwicklung der Motoren in einem ganz anderen Mass erlaubte, als das von den Reglementstüftlern des Autoverbands FIA einmal vorgesehen war.

Im Organigramm blieb in den letzten zwei Jahren fast kein Stein auf dem anderen.

Fahrer 2014: Fernando Alonso und Kimi Räikkönen
Fahrer 2016: Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen

Ferrari-Präsident 2014: Luca Montezemolo
Ferrari-Präsident 2016: Sergio Marchionne

Teamchef 2014: Stefano Domenicali, ab April Marco Mattiacci
Teamchef 2016: Maurizio Arrivabene

Technikchef 2014: Pat Fry
Technikchef 2016: James Allison

Chefdesigner 2014: Nikolas Tombazis
Chefdesigner 2016: Simone Resta

Leitender Ingenieur 2014: Steve Clark
Leitender Ingenieur 2016: Jock Clear

Sportdirektor 2014: Massimo Rivola
Sportdirektor 2016: Diego Ioverno

Motorenchef 2014: Luca Marmorini
Motorenchef 2016: Mattia Binotto

Renningenieur Auto Alonso 2014: Andrea Stella
Renningenieur Auto Vettel 2016: Riccardo Adami

Renningenieur Auto Räikkönen 2014: Antonio Spagnolo
Renningenieur Auto Räikkönen 2016: Dave Greenwood

Der Aufwärtstrend 2015 von Ferrari war beachtlich, «aber wir haben weniger Geld ausgegeben als im Jahr zuvor», enthüllte Ferrari-Chef Sergio Marchionne in der Gazzetta dello Sport. Wie das denn? Marchionne: «Wir haben ein wenig anders gelagert, in welche Bereiche wir investieren. Wir haben entwickelt, wo es vonnöten war, anderswo haben wir den finanziellen Aufwand verringert. Aber wir haben einmal mehr gemerkt – Siege sind für das Markenimage ganz elementar. Im Kontakt mit unseren Händlern wird klar: Die GP-Siege 2015 haben Glaubwürdigkeit der Marke zurückgebracht. Daher wäre es auch eine Tragödie, wenn wir es zehn Jahre lang nicht schaffen würden, den Titel zu holen.»

Der Chef hat die Marschrichtung vorgegeben. «Wir müssen vom ersten Rennen in Australien an siegfähig sein», hält Fiat-Sanierer Marchionne fest.

Sebastian Vettel ist kein Freund grossspuriger Ansagen. Dazu ist der Heppenheimer viel zu lange im Renngeschäft. Aber Vettel sagt: «Wir sind im vergangenen Jahr Zweite geworden, nun wollen wir um einen Rang vorrücken. Wir wissen, was wir selber getan haben und trauen uns zu sagen – wir haben uns verbessert. Aber wir wissen auch, dass dieser letzte Schritt nach vorne der Schwierigste ist.»

Denn was Vettel, Marchionne, Arrivabene, Resta, Binotto & Co. nicht wissen: Welche Fortschritte hat Mercedes-Benz im Winter gemacht?

Im vergangenen Jahr war Ferrari im Schnitt zwischen fünf und sechs Zehntelsekunden pro Runde langsamer als der Silberpfeil. Könnte sich Mercedes-Benz zur Saison 2016 hin nur um eine halbe Sekunde verbessern, dann müsste Ferrari schon eine Sekunde gefunden haben, um auf Augenhöhe zu sein. Realistisch ist das nicht: Nicht einmal bei Ferrari würde jemand zu hoffen wagen, dass der neue Mercedes nur eine halbe Sekunde schneller ist.

Dennoch erleben wir anlässlich der Ferrari-Präsentation einen Technikchef mit geschwellter Brust: «Wir haben mehr als 1000 Mannstunden in dieses Auto gesteckt», sagt der Engländer James Allison. «Wir halten diesen Rennwagen für einen mutigen Schritt nach vorne.»

Motorenchef Matteo Binotto findet: «Wir haben bahnbrechende technische Wege beschritten.»

Teamchef Maurizio Arrivabene meint: «Das Ziel besteht darin, den WM-Kampf bis zum Finale offen zu halten.»

Das sind alles markante Ansagen, und es ist zu begrüssen, wenn ein Top-Team Selbstbewusstsein zeigt, anstelle sich hinter den üblichen PR-Nichtigkeiten zu verstecken und sich schon vorher für die kommende WM-Niederlage zu positionieren.

Gleichzeitig werden in den italienischen Redaktionsstuben die Messer gewetzt. Die Erfahrung nicht nur in Sachen Ferrari hat gezeigt: Wenn die Erwartungen gross sind, besteht immer auch die Gefahr, dass die Enttäuschung mindestens so gross sein wird.

Ferrari hat umstrukturiert, Ferrari hat technisch nachgelegt, Ferrari besitzt mit Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen das erfolgreichste Fahrerduo und dazu ein Budget, das mit jenem der letzten Weltmeister Mercedes-Benz und Red Bull Racing vergleichbar ist.

Kurz: Ferrari besitzt alles, was ein Spitzenrennstall benötigt, um den Formel-1-WM-Titel zu erobern.

Das Einzige, was Ferrari jetzt nicht mehr hat, ist Raum für Ausreden.

Das ist die Formel 1 2016

Mercedes AMG Petronas Formula One Team (D)
Mercedes F1 W07 Hybrid
Mercedes-Benz PU106C Hybrid
6 Nico Rosberg (D)
44 Lewis Hamilton (GB)

Scuderia Ferrari (I)
Ferrari SF16-H
Ferrari 059/5
5 Sebastian Vettel (D)
7 Kimi Räikkönen (FIN)

Williams Martini Racing (GB)
Williams FW38
Mercedes-Benz PU106C Hybrid
19 Felipe Massa (BR)
77 Valtteri Bottas (FIN)

Red Bull Racing (A)
Red Bull Racing RB12
TAG Heuer (umbenannter Renault-Motor)
3 Daniel Ricciardo (AUS)
26 Daniil Kvyat (RU)

Sahara Force India Formula One Team (IND)
Force India VJM09
Mercedes-Benz PU106C Hybrid
11 Sergio Pérez (MEX)
27 Nico Hülkenberg (D)

Renault Sport Formula One Team (F)
Renault RS16
Renault RE16
20 Kevin Magnussen (DK)
30 Jolyon Palmer (GB)

Scuderia Toro Rosso (I)
Toro Rosso STR11
Ferrari 059/4
33 Max Verstappen (NL)
55 Carlos Sainz (E)

Sauber F1 Team (CH)
Sauber C35
Ferrari 059/5
9 Marcus Ericsson (S)
12 Felipe Nasr (BR)

McLaren Honda (GB)
McLaren MP4-31
Honda RA616H
14 Fernando Alonso (E)
22 Jenson Button (GB)

Manor Racing (GB)
Manor MRT05
Mercedes-Benz PU106C Hybrid
88 Rio Haryanto (RI)
94 Pascal Wehrlein (D)

Haas F1 Team (USA)
Haas (Name noch nicht enthüllt)
Ferrari 059/5
8 Romain Grosjean (F)
21 Esteban Gutiérrez (MEX)

Formel-1-Wintertests

22.–25. Februar: Spanien (Barcelona)
1.–4. März: Spanien (Barcelona)

Aufstellung 1. Barcelona-Test

Mercedes
Montag 22. und Mittwoch 24. Lewis Hamilton
Dienstag 23. und Donnerstag 25. Nico Rosberg

Ferrari
Montag 22. und Donnerstag 25.. Sebastian Vettel
Dienstag 23. und Mittwoch 24. Kimi Räikkönen

Williams
Montag und Dienstag Valtteri Bottas
Mittwoch und Donnerstag Felipe Massa

Red Bull Racing
Montag und Dienstag Daniel Ricciardo
Mittwoch und Donnerstag Daniil Kvyat

Force India
Montag und Donnerstag Alfonso Celis
Dienstag Sergio Pérez
Mittwoch Nico Hülkenberg

Toro Rosso
Montag und Mittwoch: Carlos Sainz
Dienstag und Donnerstag: Max Verstappen

Sauber (mit 2015er Auto in neuer Lackierung)
Montag und Dienstag Marcus Ericsson
Mittwoch und Donnerstag Felipe Nasr

McLaren-Honda
Montag und Mittwoch Jenson Button
Dienstag und Donnerstag Fernando Alonso

Manor Racing
Montag und Dienstag Pascal Wehrlein
Mittwoch und Donnerstag Rio Haryanto

Renault
Montag und Dienstag Jolyon Palmer
Mittwoch und Donnerstag Kevin Magnussen

Haas F1
Montag und Mittwoch Romain Grosjean
Dienstag und Donnerstag Esteban Gutiérrez

Formel-1-WM

20. März: Australien (Melbourne)
3. April: Bahrain (Sakhir)
17. April: China (Shanghai)
1. Mai: Russland (Sotschi)
15. Mai: Spanien (Barcelona)
29. Mai: Monaco (Monte Carlo)
12. Juni: Kanada (Montreal)
19. Juni: Aserbaidschan (Baku) *
3. Juli: Österreich (Spielberg)
10. Juli: Grossbritannien (Silverstone)
24. Juli: Ungarn (Budapest)
31. Juli: Deutschland (Hockenheim)
28. August: Belgien (Spa-Francorchamps)
4. September: Italien (Monza)
18. September: Singapur
2. Oktober: Malaysia (Sepang)
9. Oktober: Suzuka (Japan)
23. Oktober: USA (Austin) **
30. Oktober: Mexiko (Mexiko-Stadt)
13. November: Brasilien (Sao Paulo)
27. November: Abu Dhabi (Insel Yas)
* Strecke noch nicht homologiert
** Finanzierung noch nicht gesichert

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