Melbourne, Training 1: Regen, Aufregung um Red Bull
Dieser Ordnungshüter hat zweifellos Humor: «Willkommen in Silverstone», begrüsste der Australier das Formel-1-Fachpersonal, als es im Regen ins Fahrerlager des Albert-Park von Melbourne stapfte. Nach einem wunderbaren Donnerstag (viel Sonne, über 30 Grad) drehte das Wetter ausgerechnet vor dem ersten freien Training zum Grossen Preis von Australien, dem Formel-1-Saisonauftakt.
Ex-Formel-1-Fahrer Martin Brundle: «Wir haben jede Menge Unwärbarkeiten – neue Reifenzuteilung, eingeschränkter Funkverkehr, die neuen Autos, anderes Quali-Format, da ist ungefähr das Letzte, was du brauchst, eine nasse Bahn im freien Training. Denn die Teams sollten nun im freien Training so viel als möglich lernen.»
Tatsächlich haben die Teams in Australien Kopfschmerzen, und der Jetlag hat damit nichts zu tun: Die Wetterprognose besagt – immer wieder Schauer am Freitag, weitere Regengüsse möglich am Samstagmorgen (australischer Zeit), aber aufklarend. In aller Wahrscheinlichkeit trockene Bahn im neuen Abschlusstraining und dann freundliches Wetter bei 21 Grad am Sonntag zum ersten Rennen der Formel-1-Saison 2016.
Anders gesagt: Bei Regen und Wind am Freitag lässt sich nicht viel für den Sonntag lernen. Das macht die Arbeit der Fahrer und Techniker noch schwieriger.
Eine nasse Bahn erhöht in der Regel auch die Gefahr eines Ausrutschers. Aber zu Beginn der Saison ist die Ersatzteilsituation immer ein wenig angespannt.
Erster Mann auf der Bahn: Sebastian Vettel im Ferrari, auf Intermediate-Reifen für Mischverhältnisse. Kimi Räikkönen folgte auf Regenreifen.
Erster Mann mit einer gezeiteten Runde: Nico Rosberg im Silberpfeil. Mercedes verzichtete zunächst auf den Einsatz der Hai-Nase, die in Barcelona so viel Aufsehen erregt hatte.
Erstes Gerücht der Saison: Red Bull und Aston Martin würden gemeinsam nicht nur einen Supersportwagen bauen, sondern auch einen Formel-1-Motor.
Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner spottet: «Ist die Formel 1 nicht genial? Wir haben noch nicht mal das erste Training dieser Saison hinter uns, da bauen wir schon einen eigenen Motor. Nein, die Wahrheit ist – wir haben diese aufregende neue Kooperation mit Aston Martin begonnen, die es Adrian Newey erlaubt, einen Kindheitstraum zu verwirklichen. Am eigenen Formel-1-Motor ist aber nichts dran.»
Und wenn wir schon bei Gerüchten sind: Stimmt es, dass die neue, matte Lackierung einen aerodynamischen Vorteil bietet, wie im Internet herumgeistert? «Ja, klar», gluckst Horner, «wir werden dadurch um Sekunden schneller!»
Aber ein Körnchen Wahrheit ist vielleicht doch dran. Williams-Technikchef Pat Symonds beispielsweise, ein überdurchschnittlich kluger Kopf im Fahrerlager, ist der Überzeugung, dass eine leicht raue Oberfläche den Luftfluss enger am Fahrzeug hält. Und er ist nicht der einzige Techniker, der daran glaubt.
Schon vor zwanzig Jahren haben Rennställe übrigens Versuche mit Oberflächen gemacht, die der Haut von Haien nachvollzogen sind. Viele Frontflügel sind an der Unterseite so gestaltet.
Und ist es nur ein Zufall, dass auch die Lackierung des Renault so matt ist? Das Gelb von Renault wirkt mit eigenen Augen übrigens fast senf- oder vanillefarben, nicht wie ein Kanarienvogel. Renault selber sagt dazu Sirius-Gelb.
Aufmerksame SPEEEDWEEK.com-Leser haben nach Australien gemailt: Hat Sebastian Vettel eigentlich für 2016 das Helmdesign geändert?
Antwort: Sebastians erstes neues Helmdesign für die Saison 2016 entspricht im Wesentlichen jenem der Vorsaison. Nur der Anteil der Chromflächen wurde erhöht, und seitlich teilen jetzt zwei Linien die Fläche hinter dem Cavallino Rampante von Ferrari auf der einen und hinter dem SV-Logo auf der anderen Seite. Neben dem neuen Sponsor Riva (Boote) ist auch das Kaspersky-Logo grösser geworden. Und auch die Streifen der deutschen Flagge sind neu aufgeteilt, mit einem grösseren Schwarz- und geringerem Goldanteil. Damit ist Vettel schon bei den Wintertests gefahren.
Nach einer halben Stunde hatten sich fast alle Piloten auf der Bahn blicken lassen, die meisten freilich nur für eine Installationsrunde. Ausser Haas-Fahrer Esteban Gutiérrez: Die Mechaniker werkelten rechts hinten an der Bremse.
Probleme auch bei Carlos Sainz: Sein Toro Rosso kam mit knirschenden Getrieberädern eingangs Boxengasse zum Stehen. Die Mechaniker vertieften sich in die Innereien, und der Madrilene war fortan nicht mehr zu sehen.
Zur gleichen Zeit hatte der starke Wind die Bahn so weit abgetrocknet, dass sich die ersten Piloten mit Trockenreifen auf die Strecke wagten. Weit kamen sie nicht, bevor sich die nächsten Wolken über dem Albert-Park erleichterten. Kurz darauf blinzelte schon wieder die Sonne durch. Haben wir denn schon April?
Erster Dreher: Verstappen im Toro Rosso. Der Niederländer war zu stürmisch über einen Randstein gerattert und verlor das Heck seines Renners aus der Kontrolle. Max blieb aber auf der Bahn, ausser des Stolzes wurde unseres Wissens nichts beschädigt.
Gut zwanzig Minuten vor Schluss war die Piste wieder einmal trocken, und die Wetterfrösche meinten: Besser als jetzt wird das Wetter heute nicht. Also gingen fast alle Wagen auf die Bahn – nur um erneut von Tropfen gestoppt zu werden.
Valtteri Bottas rutschte mit seinem Williams ebenso von der Bahn in ein Kiesbett wie Rio Haryanto im Manor. Beide schafften es aber an die Box zurück.
So langsam dämmerte den meisten: An diesem Tag im Albert-Park gilt wohl das alte schottische Motto – Ihnen gefällt das Wetter nicht? Warten Sie eine Viertelstunde, dann haben wir ein anderes.
Über das Kräfteverhältnis haben wir im ersten freien Training kaum etwas erfahren. Sebastian Vettel im Ferrari Zweitletzter dürfte wenig wahrheitsgetreu sein.
Es passt zu diesem Tag, dass das Training mit einem weiteren Regenguss zu Ende ging. Da war übrigens Nico Rosberg auf dem Weg zur Bestzeit.
Daniel Ricciardo beendete das Training in einem Kiesbett: Trockenreifen bei einem Regenuss ist im Albert-Park so hilfreich wie in Silverstone.
Mercedes-Technikchef Paddy Lowe: «Das war frustrierend – jedes Mal, wenn wir mit Slicks ausrückten, begann es wieder zu regnen.»
Fazit für Formel-1-Champion Damon Hill: «Aussagekräftig ist für mich nur, dass Lewis Hamilton vorne liegt.»
Formel-1-WM
20. März: Australien (Melbourne)
3. April: Bahrain (Sakhir)
17. April: China (Shanghai)
1. Mai: Russland (Sotschi)
15. Mai: Spanien (Barcelona)
3. Juli: Österreich (Spielberg)
10. Juli: Grossbritannien (Silverstone)
24. Juli: Ungarn (Budapest)
31. Juli: Deutschland (Hockenheim)
28. August: Belgien (Spa-Francorchamps)
4. September: Italien (Monza)
18. September: Singapur
2. Oktober: Malaysia (Sepang)
9. Oktober: Suzuka (Japan)
23. Oktober: USA (Austin)
30. Oktober: Mexiko (Mexiko-Stadt)
13. November: Brasilien (Sao Paulo)
27. November: Abu Dhabi (Insel Yas)