Rätseln mit Racing-Raritäten: Frühling im Spätsommer
Aus dem Archiv unserer Partner der britischen Foto-Agentur LAT stellen wir jede Woche ein kleines Stück Motorsporthistorie vor. Das Vorgehen ist kinderleicht – sagen Sie uns, wer zu erkennen ist, wo und wann das Bild entstand (Beispiel: Jo Siffert, Monza, 1970) und gewinnen Sie mit etwas Glück einen kleinen Preis. Bitte Name, Adresse, Geburtsjahr und Telefonnummer nicht vergessen. Schicken Sie Ihre Lösung an: mathias.brunner@speedweek.com. Einsendeschluss ist jeweils Sonntag der laufenden Woche, 24.00 Uhr.
Die Aufgabe beim letzten Mal war ein wenig tückisch: Fast alle Teilnehmer am letzten Rätsel wussten – das ist Adrian Newey, der beste Formel-1-Designer der Gegenwart, in einer seiner Kreationen, in voller Fahrt. Der Mangel an Leitschienen und die entspannten Streckenposten liessen darauf schliessen: An einem GP-Wochenende waren wir hier wohl kaum. Doch dann wurde es schwierig: Denn der Engländer fuhr einen Red-Bull-Renner am Festival of Speed nicht nur 2010 (wie auf unserem Foto), sondern auch 2011.
Da unser Bild jedoch bei eher trübem Wetter gemacht wurde (2011 fuhr Newey unter strahlendem Sonnenschein) und da es sich gemäss Fahrzeugtyp und Bemalung um den Red Bull Racing RB5-Renault handelte, konnte die Antwort nur sein, was LAT zum Bild angibt: Juli 2010.
Adrian Newey wurde am 26. Dezember 1958 in Stratford-upon-Avon als Sohn eines Tierarztes geboren und war von Kindesbeinen an von Autos fasziniert. Er besuchte die berühmte Repton-Schule, war aber kein guter Schüler und wurde im Alter von 16 Jahren sogar von der Schule verwiesen. Der Grund war ein Zwischenfall bei einem Greenslade-Konzert, bei dem Adrian den Sound der Band so weit aufdrehte, dass die bunten Glasfenster des altehrwürdigen Pears-Gebäudes barsten.
Danach ging Newey auf das Leamington Spa College of Further Education und gewann schließlich einen Studienplatz an der Uni Southampton, wo er Luft- und Raumfahrttechnik studierte. Sein Studium schloss er mit Auszeichnung ab. In seiner Diplomarbeit behandelte er das Thema Bodeneffekt-Aerodynamik.
Sofort nach seinem Abschluss ging Newey zum Formel-1-Team Fittipaldi, wechselte 1981 aber zu March, wo er nach kurzer Zeit als Renningenieur von Johnny Cecotto in der europäischen Formel 2 mit dem Design von Rennautos begann. Schon sein erstes Projekt, der March-GTP-Sportwagen, gewann zwei Jahre in Folge den Titel in der IMSA GTP.
Ende 1983 wurde Newey mit dem Design des March 84C-Indycar betraut. Der Renner gewann sieben von 16 Saisonrennen und Fahrer Tom Sneva wurde mit «Mayer Motor Racing» Zweiter der Fahrermeisterschaft. Rick Mears gewann mit einem Newey-Auto das Indy 500. 1985 wurde Al Unser in einem von Newey entworfenen March 85C Indycar-Meister, Bobby Rahal holte den Titel 1986.
1986 heuerte Adrian Newey bei Beatrice/Haas-Lola in der Formel 1 an (von Lola-Importeur Carl Haas, mit dem heutigen Rennstall von Gene Haas hat das nichts zu tun), das erfolglose Team zog jedoch seine Nennung zurück und Newey kehrte in die USA zurück, arbeitete 1987 bei Newman-Haas als Renningenieur von Mario Andretti in der CART-Serie, bevor er erneut den Kontinent wechselte, um beim Formel-1-Team March die Rolle des Technischen Direktors zu übernehmen. Das Auto erwies sich als recht erfolgreich, der Nachfolger 1989 war jedoch ebenso ein Flop wie der CG891 und der CG901, nachdem das Team von Leyton House übernommen worden war. Im Sommer 1990 musste Newey seinen Hut nehmen. Im Nachhinein das Beste, was ihm passieren konnte.
Patrick Head holte Newey nämlich als Chefdesigner zu Williams und der FW14 und seine Nachfolgemodelle gewannen zwischen 1991 und 1997 58 Grands Prix und holten vier Fahrer- und fünf Konstrukteurstitel. In einem seiner Autos geschah jedoch auch eine Tragödie der Formel 1. Am 1. Mai 1994 verunglückte Ayrton Senna beim Grand Prix von San Marino tödlich. Newey dachte kurzzeitig sogar über einen Rücktritt aus der Formel 1 nach. Der jahrelange Prozess in Italien belastete ihn stark.
Anfang 1998 wechselte Adrian Newey zu McLaren und war verantwortlich für Mika Häkkinens Weltmeisterautos 1998 und 1999. Anfang 2006 wurde Adrian Newey neuer Technischer Direktor bei Red Bull Racing und sammelte von 2010 bis 2013 vier weitere Fahrer- und Konstrukteurstitel mit seinen Autos ein. Bisher wurden die Autos von Adrian Newey insgesamt zehn Mal Fahrer- und zehn Mal Konstrukteursweltmeister.
Seit 2015 hat sich Adrian Newey bei Red Bull Racing aus dem Tagesgeschäft etwas zurückgezogen und ist auch nur noch bei ausgewählten Rennen vor Ort. Er ist zwar weiter Technischer Direktor des Teams, widmet sich aber mehr einer neuen Abteilung in der Red-Bull-Gruppe: Red Bull Advanced Technologies, wo unter anderem ein Projekt mit dem America's Cup-Team von Ben Ainslie voran getrieben wird.
Newey sammelt Sportwagen und trat wiederholt auch schon als Fahrer an, allerdings mit mittelmäßigem Erfolg und hoher Crash-Rate. Unter anderem 2006, als er beim Le-Mans-Legend-Rennen einen Ford GT40 zerlegte oder beim Goodwood Revival Meeting, wo er in einem Jaguar E-Type ebenfalls nach einem Unfall nicht ins Ziel kam. 2007 nahm er als Teil des AF Corse Teams am 24-Stunden-Rennen von Le Mans Teil. Newey hat auch zahlreiche seiner Formel-1-Renner selber bewegt, wie eben auf unserem Bild beim Goodwood Festival of Speed, wenn Lord March die Crème de la crème zu sich einlädt und 200.000 Fans grandiose Fahrer in tollen Rennautos zu sehen bekommen.
Das Festival of Speed ist eine Hommage an den Rennsport, das erste Privatrennen auf dem Gelände der Familie führte schon der Grossvater des heutigen Lord March durch, das war vor exakt 80 Jahren, also 1936. Den Pistenrekord der kurzen Strecke hält übrigens Nick Heidfeld mit einem McLaren MP4/13-Mercedes mit 41,6 sec, aufgestellt 1999.
Neben der Strecke betätigte sich Newey als Chefingenieur für das Videospiel Gran Turismo 5 und entwarf die Red Bull X2010 und Red Bull X2011 Konzeptfahrzeuge des beliebten Spiels.
Im März 2016 wurde eine Kooperation zwischen Red Bull und dem Sportwagenhersteller Aston Martin bekannt. Newey sagt: «Ich träumte immer davon, Formel-1-Rennautos und den ultimativen Sportwagen zu entwerfen. Nun erhalte ich auch zu meinem zweiten Bubentraum die Chance.»
2012 wurde Adrian Newey aufgrund seiner Verdienste im Motorsport zum Officer of The British Empire (OBE) ernannt.
Adrian Neweys Rennwagen haben 20 WM-Titel erreicht – zehn Mal in Form des Konstrukteurs-Pokals, zehn Mal als Fahrer-WM. Die Markenwertung gewann Newey mit Williams von 1992 bis 1997, dann 1998 und 1999 mit McLaren sowie von 2010 bis 2013 mit Red Bull Racing.
Das Modell Red Bull Racing RB5 stammt aus dem Jahr 2009 – damit konnte der Rennstall aus Milton Keynes in China die erste Pole-Position erringen (mit Sebastian Vettel) und dann im Grand Prix den ersten Formel-1-Sieg von RBR sicherstellen, mit Sebastian Vettel vor Mark Webber. Im zweiten Teil der Saison 2009 war der RB5 das beste Auto im Feld, aber der Vorsprung in der WM von Jenson Button mit dem Brawn-Mercedes war zu gross, um von Vettel noch am Titelgewinn gehindert werden zu können.
Zum neuen Rätsel: Die cleveren Teilnehmer unseres Rätsels gucken immer besonders aufmerksam auf die Umgebung. Von daher ist klar: Wir sind mindestens im Spätsommer. Welche Anhaltspunkte erhalten wir sonst aus dem Rahmen dieses Rennwagens? Daraus ergibt sich dann: Hier leistete fast unbemerkt von der grossen Masse ein Fahrer Pionierarbeit.
Wer war es? Wann und wo ist das Bild entstanden?
Wir wünschen Ihnen viel Spass beim Rätseln!