Sergio Marchionne: Enzo Ferrari inspiriert jeden Tag
August und September sind hochemotionale Monate für Ferrari: Im August 1988 verstarb Firmengründer Enzo Ferrari, nur wenige Wochen später errangen Gerhard Berger und Michele Alboreto in Monza einen unerwarteten Doppelsieg, wenn wie üblich anfangs September das Heimrennen ansteht. Unerwartet deshalb, weil 1988 McLaren-Honda noch überlegener war als in der Saison 2016 Mercedes-Benz.
Gleichwohl kann das Mercedes der Gegenwart das McLaren-Honda der Vergangenheit in Sachen Dominanz noch übertreffen. Die Silbernen stehen bei elf Siegen in zwölf Rennen. Nur in Spanien konnte Max Verstappen (Red Bull Racing) den Durchmarsch von Nico Rosberg und Lewis Hamilton unterbrechen. Neun Rennen stehen noch aus.
1988 sah das anders aus: Die Kombination Ayrton Senna und Alain Prost fuhr damals mit dem McLaren MP4/4-Honda die Konkurrenz in Grund und Boden.
In Monza schied Alain Prost zwar aus, aber Senna führte mühelos, und alles sah nach dem 12. Sieg von McLaren im zwölften Saisonlauf aus.
Auf den Tribünen waren die Tifosi so gut wie verstummt: Zwei Runden vor Schluss lagen die Ferrari von Gerhard Berger und Michele Alboreto zwar auf den Rängen 2 und 3, aber weit hinten. Dabei hatten sich die italienischen Fans so auf eine würdige Leistung der Truppe aus Maranello gefreut – keine vier Wochen zuvor war der grosse Enzo Ferrari verstorben.
Senna kam dem Williams von Jean-Louis Schlesser näher. Der Franzose war für Nigel Mansell eingesprungen, der wegen Windpocken gar nicht erst angereist war. Senna rückte schnell auf, so schnell, dass Schlesser einen Moment lang zögerte. Das reichte, um den Bremspunkt zu verpassen und die Linie zu vermasseln. Senna zog aussen vorbei und stolperte dann über ein Rad des Williams – die Tifosi trauten ihren Augen nicht!
Keine 120 Sekunden später kreuzten die Ferrari zu einem unerwarteten Doppelsieg die Zillinie. Die Begeisterung war grenzenlos. Ich stand damals zum Schluss des Rennens in der Boxengasse, wie eine gewaltige Welle wogte der Jubel über alles hinweg, dann stürmten die entfesselten Menschen die Rennbahn, die Polizei riegelte blitzschnell die Hinterausgänge der Boxen ab, und es bedurfte stattlichen Schweizer Körpereinsatzes, um dem Chaos ins Fahrlerlager zu entfliehen.
Zwei Wochen später stellte McLaren den Normalzustand wieder her: Sieg für Prost. Aber die Chance war dahin: 16 WM-Läufe, sämtliche Siege für einen einzelnen Rennstall, das wird es in der modernen Formel-1-WM wohl nie geben. Nur Ferrari kam dem britischen Erzrivalen halbwegs nahe – mit je 15 Siegen 2002 und 2004, allerdings aus 17 bzw. 18 Rennen. 2014 schaffte Mercedes 16 Siege in 19 Rennen (Red Bull Racing gewann drei Mal), 2015 eroberte Mercedes erneut 16 Siege in 19 Rennen (dieses Mal konnte Sebastian Vettel im Ferrari drei Mal siegen). Das gab bei Ferrari Hoffnung, 2016 vielleicht die Festung Mercedes knacken zu können, aber das ist nicht passiert: Zwölf Rennen, kein Sieg.
Zurück zu Enzo Ferrari. Der heutige Firmenchef Sergio Marchionne sagt auf der offiziellen Ferrari-Seite: «Enzo Ferrari hat unvergessliche Seiten über Motoren, Sport und Leidenschaft geschrieben, Seiten, welche den Rennsport für immer verändert haben. Für jeden, der bei Ferrari arbeitet, ist Enzo Ferrari noch heute ein unumgänglicher Referenzpunkt. Seine Prinzipien und Lehren haben ihre Gültigkeit behalten. Sein Vermächtnis ist keine nostalgische Verbindung, sondern eine Inspiration, jeden Tag.»
Enzo Ferraris Sohn Piero, inzwischen 71 Jahre alt, meint: «Selbst nach all den Jahren bin ich tief berührt von allen Nachrichten, die jeweils im August bei mir eintreffen, zum Todestag meines Vaters. Es ist schön zu wissen, dass der eigene Vater von so vielen Menschen anhaltend geliebt und respektiert wird. Ich bewahre die Erinnerungen an ihn wie einen Schatz.»
Ferrari jagt beim kommenden Grossen Preis von Belgien in Spa-Francorchamps (28. August) den ersten Saisonsieg. Es wäre höchste Eisenbahn für den berühmtesten Rennstall der Welt.
Enzo Ferrari wäre rot vor Zorn.
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