TV-Experten von RTL und Sky – so krankt die Formel 1
Felix Görner von RTL und Sascha Roos von Sky
Felix Görner, leitender Sportreporter von RTL, und Sky-Kommentator Sascha Roos begleiten den Formel-1-Tross auf Schritt und Tritt, rund um die Welt. Wir wollten von den beiden deutschen Insidern aus den Bereichen freies Fernsehen und Pay-TV wissen: Was wird der Milliarden-Deal von Liberty Media in der Formel 1 bewirken? Was muss im GP-Sport dringend verbessert werden? Wie kann der US-Medienkonzern Menschen erreichen, die Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone in den vergangenen Jahren verloren hat?
Sascha Roos
Generell halte ich es für gut, dass sich etwas tut. Was Liberty Media alles plant, das haben wir erst ansatzweise gehört. Aber Fakt ist: Das Angebot für den Fernsehzuschauer muss dringend verbessert werden. So wie das derzeit läuft, ist es einfach schwierig, die Faszination Formel 1 zu vermitteln. Technisch sind wir auf dem Stand des Jahres 2000 stehengeblieben, was das Signal angeht, das wir als Sender erhalten.
Gerade als Pay-TV musst du doch dem Kunden verschiedene Optionen anbieten können. Wir haben immer und immer wieder um andere Blickwinkel gebeten, aber es gab sie halt nie. Und ich rede jetzt von ganz einfachen Sachen – etwa, dass du dich als Zuschauer durch die Cockpits wählen kannst. Wo bitte ist das Problem, 22 Autos alle mit Bordkameras auszustatten, damit der Fan zuhause sich in den Rennwagen seines Lieblingspiloten beamen kann? Es gibt sehr viele Fans, die sagen: Ich möchte mal ein ganzes Rennen mit Fernando Alonso mitfahren, vom Start bis ins Ziel. Technisch ist das kein Problem, aber selbst auf Nachfrage erhalten wir das nicht.
Ganz wichtig ist auch das Einbinden der sozialen Netzwerke. Es ist doch unfassbar, dass ein Fahrer wie Lewis Hamilton keine Snapchat-Videos aus dem Fahrerlager ins Netz stellen darf. Statt dessen erhielt er von Bernie Ecclestone einen Maulkorb. Das ist für mich aus Marketing-Sicht nicht nachvollziehbar. Ich höre, das will Liberty Media ganz anders aufgleisen, und das finde ich super.
Die Formel E macht vor, wie eine Rennserie auf sozialen Netzwerken tätig sein muss. Und genau auf diese Weise kommst du den jungen Zuschauern näher, das macht den Sport für sie attraktiver. Da ist in der Formel 1 in den letzten Jahren fast alles liegen geblieben. Hier aktiv zu werden, das ist überfällig.
Felix Görner
Ich sehe zwei grosse Themen, die durch den Liberty-Media-Deal positiv beeinflusst werden. Wir müssen Mittel und Wege finden, die jungen Zuschauer zurückzuerobern, das muss für mich ganz weit oben auf der Prioritätenliste stehen. Man muss sich intensiv und bis ins Detail überlegen, auf welche Weise wir junge Menschen wieder abholen.
Ich halte die Formel 1 nach wie vor für ein Premiumprodukt. Die Formel 1 verkauft sich gerade für junge Menschen aber unter Wert. Und daran ist sie selber schuld. Bernie Ecclestone hat es versäumt, sich den veränderten Konsumgewohnheiten junger Menschen anzupassen. Ergebnis: Wir haben sie verloren. Das zeigt sich auch auf den Tribünen vieler Rennen.
Der Erlebnisfaktor Formel 1 muss wieder so transportiert werden, wie er nicht zufällig Millionen von Menschen fasziniert. Wir haben nach wie vor Typen, wir haben nach wie vor Spitzentechnik, wir haben nach wie vor tollen Sport – die Formel 1 verdient den Namen Königsklasse, aber die jungen Leute verstehen sie nicht. Hier müssen wir den Hebel ansetzen.
Soziale Netzwerke werden der Schlüssel zum Erfolg sein. Wir müssen das Fahrerlager nicht hermetisch abschliessen, sondern viel transparenter machen.
Die andere Schiene: Das so genannte «World Feed», also das Hauptsignal, das den Sendern zur Verfügung gestellt wird, muss zeitgemässer sein, so wie das Sascha angeschnitten hat. Wir brauchen verschiedene Kameraperspektiven für unterschiedliche Anbieter. Wir müssen es schaffen, den Speed der Formel 1 im Fernsehen zu vermitteln, die Action und die Gefahr. Das ist die DNA der Formel 1.
Liberty Media bringt enorme Fernseherfahrung mit, und darauf setze ich grosse Hoffnungen. Dazu gehört eine sehr offene, typisch US-amerikanische Herangehensweise. So wie wir das in verschiedenen Serien aus den USA sehen. Ich halte das auch für kurzfristig umsetzbar.
Gerade bei Kamerapositionen sind wir stehengeblieben. Wir sehen seit Jahren immer die gleichen Perspektiven. Ich sehe keine Pedale in der Formel 1, ich sehe keine Augen der Fahrer. Und da muss doch ein Promoter sagen: Es ist mir egal, ob Ferrari oder McLaren etwas dagegen haben, ich will hier und hier und dort auch an den Autos Kameras anbringen und Frisches zeigen – um dem Zuschauer einen Mehrwert zu bieten.
Du schreibst auf Speedweek über die schnellste Formel 1, die es jemals gab, ich meine, Valtteri Bottas fährt in Baku mit 378 km/h durch eine Stadt, wir berichten im Fernsehen auf RTL und Sky darüber, aber als Fan sitzt du zuhause vor dem Gerät und spürst das nicht.
Mathias Brunner
Bernie Ecclestone ist es gewohnt, als Diktator zu arbeiten. Die bisherigen Mehrheitseigner CVC Capital liessen ihn weitgehend gewähren. Liberty Media wird da anders vorgehen, will den Formel-1-Promoter aber für eine Übergangszeit von drei Jahren behalten. Kann das gutgehen?
Sascha Roos
Das hängt davon ab, wie weit sich Bernie Ecclestone öffnet. Es wird ihm nichts anderes übrig bleiben, als für neue Ideen zugänglich zu sein. Und wenn er das nicht will, dann soll er gehen.
Felix Görner
Ich glaube, Liberty Media ist sehr gut beraten, zwei oder drei Jahre von Ecclestone zu lernen. Von der Vermarktungsseite her sollte das ein Miteinander sein. Vielleicht merkt Ecclestone dann endlich mal, dass gewisse neue Trends und Tendenzen sich durchaus positiv auf sein Geschäft auswirken können. Stichwort soziale Netzwerke. Ob das dann gut geht? Die Frage wird sein – wer ist Ross und wer ist Reiter?
Sascha Roos
Es gibt so viele Baustellen. Schau, wir sitzen jetzt hier bei Force India zusammen, und wenn ich raus ins Fahrerlager gucke, dann ist es so gut wie leer. Wieso hat man den Teams die ganzen Zugangspässe auf ein Minium zusammengestrichen? Das ist doch lächerlich. Gebt den Teams nicht weniger Fahrerlagerkarten, sondern mehr. Das Gleiche gilt auch für Zulieferer, ich denke da beispielsweise an Puma. Puma bedient in der Formel 1 mehrere Rennställe, der Konzern hat hervorragende Kontakte zu weiteren Sportarten. Da würde ich andere Sport-Stars ins Fahrerlager holen. Das wäre für die Medien interessant, für die Fans, und ich weiss von Leichtathleten oder Fussballspieler, wie umwerfend sie die Formel 1 finden. Aber sie müssen weitgehend draussen bleiben. Das ist einfach nur bescheuert.
Mein Fazit: Die Formel 1 bietet alle Zutaten, um für die Fans und die TV-Zuschauer ein Mega-Menu zu bieten. Und wir hätten mit Lewis Hamilton einen schillernden Star, der zum Glück auf den ganzen sozialen Netzwerken überaus aktiv ist. Wir haben einen Max Verstappen, der die Massen mobilisiert und ein Versprechen für die Zukunft ist. Wir haben Strahlemann Daniel Ricciardo, der für die Vermarkter ein Traum ist. Das alles muss man doch viel mehr nutzen Stattdessen ist vieles systematisch abgewürgt worden. Liberty Media wird das ändern, nein, Liberty Media muss das ändern.
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