Mikhalchik vs. Folger: Das zweite IDM-SBK-Kapitel
In der IDM Superbike holte Ilya Mikhalchik vom Team EGS-alpha-Van Zon-BMW bereits zwei Meistertitel. In der Langstrecken-WM ist er ebenfalls mit einer BMW unterwegs. Doch der Titel in der Langstrecken-WM ist nach den 24 Stunden von Le Mans erst einmal in weite Ferne gerückt. 12 Minuten vor der Zieldurchfahrt schmiss der Ukrainer sein Bike in die Botanik.
«Es war mein Fehler», meinte er im Anschluss. «Ich war in meinem Stint zu schnell unterwegs. Die anderen Jungs sind langsamer gefahren, aber ich habe meine Pace beibehalten. Ich habe einen kleinen Fehler gemacht, bin weit gegangen, auf eine Bodenwelle gekommen und habe die Front verloren. Wir lagen auf Platz 5 und ich habe versucht, mein Bestes zu geben, wie immer. Ich möchte ein ganz großes ‚Sorry’ sagen an BMW und an mein Team, das das gesamte Wochenende über einen fantastischen Job gemacht hat. Das Bike war großartig, über die gesamten 24 Stunden schnell und wäre sogar in der Lage gewesen, das Rennen zu gewinnen. Aber die tückischen Wetterbedingungen haben uns diese Chance verwehrt. Und noch einmal Sorry an das ganze Team, an alle Fans und an alle, die uns unterstützen. Diese schlechte Erfahrung möchten wir in der Zukunft nicht wiederholen.»
Den Frust muss Mikhalchik nun ganz schnell wegstecken. Denn am Montag und Dienstag muss er in der IDM Superbike zusammen mit seinem Team einen raushauen, um beim verkürzten Kampf um seinen dritten Titel nicht ins Hintertreffen zu geraten. Sein schärfster Gegner ist und bleibt Jonas Folger, auch wenn noch zahlreiche andere Rivalen auf ihre Chance lauern. Der ehemalige MotoGP-Pilot Folger kennt sich auf dem Sachsenring aus wie in seinem Wohnzimmer und hatte sich dort schon mit Weltmeister Marc Marquez angelegt. Mikhalchik kennt die Strecke in Sachsen genau gar nicht. Von der einen oder anderen Runde auf der Playstation vielleicht abgesehen.
Sprung ins kalte Wasser
Daten von den Vorgängern in seinem Team, unter anderem Markus Reiterberger, stehen ebenfalls nicht zur Verfügung. Denn die IDM war sieben Jahre nicht mehr auf der GP-Strecke unterwegs. Dass man auch ohne Streckenkenntnisse schnell sein kann, hat Mikhalchiks Teamchef Werner Daemen zu seiner aktiven Zeit in der IDM Supersport bewiesen. «Ich wusste nicht, wo es lang geht», erinnert sich Daemen. «Dann bin ich einfach Herbert Kaufmann hinterhergefahren und war im Training dann Schnellster.» Ganz frisch sind die Erinnerungen nicht mehr, sie stammen aus dem Jahr 2004. Mit dem Sieg wurde es damals für Daemen nichts. Der ging an Thomas Wendel vor Arne Tode und Martin Bauer.
Die Pole-Position in der Superbike-Klasse holte sich damals Robert Ulm, die Siege teilten sich die damaligen Teamkollegen Jürgen Ölschläger und Michael Schulten. 16 Jahre später will sich Mikhalchik in die Liste der Superbike-Sieger eintragen. «Ilya hat unglaublich viel Respekt vor Jonas», versichert Daemen. Das hindert den Ukrainer allerdings nicht daran, Folger von Platz 1 verdrängen zu wollen. «Doch das wird am Sachsenring unglaublich schwer», zeigt sich Daemen realistisch. Der Ukrainer hat noch keinen Meter auf der Strecke gedreht, alle Bemühungen, noch einen Test in dem sonst als Fahrsicherheitszentrum betriebenen Gelände hinzubekommen, scheiterten. Und die Schlappe von Le Mans war auch nicht ohne und will noch verarbeitet werden.
Doch für Ilya Mikhalchik sind das alles Umstände, die ihn noch mehr antreiben als sowieso schon. Frei nach dem Motto «einfach kann ja jeder», dürfte sein überbordender Ehrgeiz jetzt erst recht angestachelt sein. Es liegt nun an ihm und seiner Mannschaft, diesen Ehrgeiz in die richtigen Bahnen zu lenken.
Jonas Folger muss liefern
Der Yamaha-Pilot vom Team Bonovo action by MGM Racing kommt als Führender der IDM Superbike mit dem Sachsenring an den Ort seines bisher größten Triumphs zurück. Vor drei Jahren lieferte er sich ein legendäres Duell mit dem Dauer-Weltmeister Marc Marquez in der MotoGP und konnte sich von Hunderttausend Fans und vor den Augen der Weltöffentlichkeit als Zweiter auf dem Podest feiern lassen.
Danach der Rückschritt in der Karriere und die durch gesundheitliche Probleme erzwungene Pause von über einem Jahr. Jetzt soll es für Folger über den Umweg IDM in Richtung Superbike-Weltmeisterschaft gehen. Seine Fans würden ihn nur allzu gerne wieder auf der internationalen Bühne sehen. Doch nach der langen Pause muss sich der Rückkehrer erst einmal verlorengegangenes Vertrauen der Entscheider wieder zurückerobern, bevor Werksmotorräder und WM-Verträge winken.
Bonovo-Chef Jürgen Röder hat sich im Winter dazu entschieden, in die Aktie Folger zu investieren. Bis jetzt hat sich sein Invest gelohnt, Folger ist fit, entspannt und gut drauf. Und wer beim IDM-Auftakt in Assen die Rennen von Folger gesehen hat, der weiß, dass da die Rennfahrer-Rente in der IDM noch längst nicht angesagt ist.
Doch auch der Druck, der auf Folger lastet, dürfte nicht unerheblich sein. Denn wer in die Superbike-WM will, muss die IDM in der Tasche haben. Auch wenn man dafür einen Ukrainer, der nach Folgers Aussage so richtig beißt, im Griff haben muss. Vergangenes Wochenende gab es in Sachen Superbike-WM das erste Telefonat zwischen Folger und Ten-Kate-Teammanager Kervin Bos. «Seine Rundenzeiten in Assen waren sehr schnell, er dominierte», erzählte der Niederländer SPEEDWEEK.com. «Das zeigt, dass er es kann. Andererseits muss er diese Meisterschaft auch dominieren, um der Welt zu zeigen, dass er nach wie vor das Level für die Weltmeisterschaft hat. Jonas ist ein interessanter Fahrer, er steht auf unserer Liste. Wir haben vor zwei Monaten mit Loris und dem Superbike getestet und haben Referenzen zu den Zeiten von Folger. Was er gezeigt hat, war gut. Warten wir ab, was er auf dem Sachsenring zeigt. Und dann werden wir ihn bei der Superbike-WM in Barcelona sehen, wir haben ein Auge auf ihn. Wir wissen, dass es mit einem neuen Team bei einem Wildcard-Einsatz schwierig wird. Aber Talent scheint immer durch.»
Beim ersten IDM-Rennen in Assen hat man auch gesehen, dass sowohl Folger als auch Mikhalchik in der Anfangsphase kurz gepatzt und ein wenig Nerven gezeigt haben. Auf dem Sachsenring wird nun das zweite Kapitel der kurzen aber spannenden Geschichte zwischen den unterschiedlichen Typen mit demselben Ziel geschrieben. Fortsetzung folgt.