Jochen Rotter: «Mein Körper spielt nicht mehr mit»
Der Rennsport wurde Jochen Rotter mehr oder weniger in die Wiege gelegt. So verbrachte er seinen ersten Geburtstag auf der Isle of Man, während sein Vater Kurt Mayer an den Rennen zur Tourist Trophy teilnahm. Auch für Rotter war es später ein erklärtes Ziel, einmal bei der TT an den Start zu gehen. Der Niederösterreicher reiste zum Streckenstudium auf das kleine Eiland zwischen Irland und Großbritannien, doch der Traum sollte sich nicht mehr in die Tat umsetzen lassen.
1989 machte Rotter als Moto Crosser seine ersten motorsportlichen Gehversuche. Bei der Premiere gab es für ihn allerdings nur den letzten Platz. Bei der zweiten Veranstaltung war er auf dem Weg zu Rang 3, doch dem Jüngling war das Ergebnis weniger wichtig, als dem Vater mitzuteilen, dass ihn ein menschliches Bedürfnis plagt. Der Sprössling wurde wieder auf die Piste geschickt und der Weg zur Toilette wurde nach dem Rennen, das er an der vierten Stelle beendete, nachgeholt.
Zehn Jahre später wechselte Rotter auf die Rundstrecke. Nach Lehrjahren in der Klassen 125 ccm mit überschaubaren Resultaten, schrammte er 2004 nach einem Sieg in der 250er-Klasse nur knapp an einem Top-3-Ergebnis in der Meisterschaft vorbei. Ab 2009 verschrieb er sich dann der Supersport-Kategorie. Vor allem im österreichischen Suzuki-Cup konnte sich der ehrgeizige Sportler zu einem schnellen Rennfahrer entwickeln.
Zwei Klassengesamtsiege später sah sich Rotter reif für den Umstieg in die stark besetzte IOEM Supersport. 2013 nutzte er die Gunst der Stunde und holte sich seinen ersten Staatsmeistertitel. In diesem Jahr wurde es ihm allerdings von seinen Konkurrenten nicht besonders schwer gemacht. Nur noch wenige Fahrer wollten wegen der hohen Kosten an den Rennen dieser Kategorie, die daraufhin nicht mehr ausgetragen wurde, teilnehmen.
Zwischen den Jahren 2014 und 2016 legte der Niederösterreicher in der Klasse Superstock 600 eine unglaubliche Erfolgsstory hin. 20 von 29 Rennsiege gingen teils in überlegener Manier an den Suzuki-Fahrer, der in seiner Viertaktkarriere immer dieser Marke treu blieb. Meistertitel am laufenden Band waren die logische Folge. Auch international schlug sich seine starke Performance mit einem Titel in der Alpe Adria Meisterschaft nieder.
Rotter verlor bei all seinen Erfolgen auf der Rundstrecke nie sein Faible für Straßenrennen aus den Augen. Über die «International Road Racing Championship» wollte er sich langsam an diese Szene herantasten, um als Höhepunkt bei der Tourist Trophy in die Fußstapfen seines mittlerweile verstorbenen Vaters zu treten. 2017 beendete er die hochklassige Serie an der fünften Stelle, nach dem er in Schleiz zweimal und in Frohburg einmal als Dritter am Podest gestanden war.
Danach wurden Verletzungen seine ständigen Begleiter. Probleme mit beiden Unterarmen und später auch noch mit seinem Knie zwangen immer wieder zu längeren Rennpausen und letztendlich auch zum Ende seiner Karriere. «Die Entscheidung habe ich mir nicht leicht gemacht. Nach langem Überlegen muss ich eingestehen, dass es keinen Sinn macht, weiterzufahren. Mein Körper sagt mir, dass es an der Zeit ist aufzuhören», erzählte Rotter.
«In all den Jahren, in denen ich Rennen gefahren bin, durfte ich viele Erfolge feiern und schöne Dinge erleben. Ich hätte mich gerne im Mai bei der tschechischen Tourist Trophy in Horice von meinen Fans verabschiedet. Das ist meine Lieblingsstrecke und dort bin ich 2016 Dritter in der Supersportklasse geworden. Aber wegen der Coronavirus-Pandemie verbunden mit den Reisebeschränkungen wurde die Veranstaltung leider abgesagt.»
«Die 32 war meine bevorzugte Startnummer. Vielleicht ist es ein Wink des Schicksals, dass mich die Verletzungen nach 32 Jahren Rennsport zum Karriereende zwingen. Aber ich werde nicht gänzlich aus den Fahrerlagern verschwinden. Ich kümmere mich um Felix Vieh, der in meinen Augen ein Talent hat. Vielleicht kann er sich in den kommenden Jahren mit meiner Unterstützung von einem Rohdiamanten zu einem Brillanten entwickeln.»