Schwarze Schönheit: John Player Special Lotus 72
Im Jahre 2000 wurde im Rahmen des Silverstone-GP unter den Fans eine Umfrage gemacht. Simple Frage: Welche Zigarettenmarken haben Sie heute gesehen? Am meisten wurde Marlboro (Ferrari) genannt, vor West (McLaren), weiter hinten landeten Benson & Hedges (Jordan) und Winfield (Williams). Das Verblüffende: In Silverstone war kein einziges Auto so angeschrieben, wegen des Tabakwerbeverbots, die Fans hatten lediglich auf die Farben reagiert und die richtigen Markennamen assoziiert. Jetzt wird es noch wilder: Auf Rang 3 der Liste genannter Zigarettenmarken tauchte eine auf, die seit mehr als zehn Jahren gar nicht mehr im Sport vertreten war – John Player Special!
Das zeigt, wie tief die grandiose Lackierung in den Köpfen der Menschen verankert ist, als die Lotus-Renner im edlen Schwarz-Gold siegten. Der US-Amerikaner Pete Lyons hat die Biographie eines Formel-1-Autos verfasst, welches für viele Fans als das schönste von allen gilt: der Lotus 72.
Der 1970 von «Mr. Lotus» Colin Chapman auf die Rennbahn gebrachte Typ 72 liess die Gegner aussehen, als würden sie mit einem Doppeldecker gegen einen Düsenjet antreten. Als die Kinderkrankheiten des Wagens aussortiert waren, war Jochen Rindt damit nicht zu schlagen. Was der Österreicher wohl noch alles mit diesem Auto erreicht hätte? Wir haben es leider nie erfahren, das Schicksal hat uns den Ausnahmekönner in Monza 1970 entrissen, der in Mainz geborene Racer wurde nach seinem Tod zum Weltmeister erklärt.
Emerson Fittipaldi wurde mit dem Lotus 72 Weltmeister, Ronnie Peterson stellte 1973 mit dem Wagen Dinge an, die nicht von dieser Welt waren. Niki Lauda sagte über den Schweden: «Ich kannte keinen, der ein Formelauto so quer um die Ecken fuhr, aber jederzeit die Kontrolle behielt. Ich konnte nicht begreifen, wie er es schaffte, nicht von der Bahn zu fliegen.»
Vielleicht das Verblüffendste an diesem Rennwagen: Er war sechs Jahre lang im Einsatz, in dieser Zeitspanne hat Lotus zwei Fahrer-WM-Titel erobert, drei Konstrukteurs-Pokale gewonnen (1970, 1972 und 1973) sowie 20 WM-Läufe. Kein Formel-1-Auto stand so lange im Einsatz,
Pete Lyons – in den 70er Jahren für die GP-Bibel Autosport unterwegs – erzählt von allen Einsätzen, aber zum Glück ist dieses Buch nicht einfach eine dröge Nacherzählung von Rennverläufen. Selbst Lotus-Fans staunen über Details, die Lyons herausgefunden hat, das Werk ist gespickt von unglaublichen Anekdoten und fabelhaften Fotos.
Entstanden ist nicht nur ein grandioses Formel-1-Buch über einen unvergleichlichen Wagen. Lyons entführt uns in eine Dekade, die viele Fans lieben; weil noch Raum war für ungewöhnliche Ideen, weil das Reglement schräge Ideen zuliess, weil die Rennställe Mut zeigten, auch auf die Gefahr hin zu scheitern.
Die brasilianische Rennlegende Emerson Fittipaldi hat den Kontakt zur aktuellen Rennszene nie verloren, er ist kein ewig Gestriger, der nur von der guten alten Zeit faselt. Nicht alles an der alten Zeit war gut. Was sehr gut war: Es gab mehr Raum für Geschichten, die Fahrer mussten nicht auf «political correctness» Rücksicht nehmen oder auf den Verhaltenskodex von weltweit tätigen Konzernen. Jahrelang arbeitete der 14fache GP-Sieger als Rennkommissar der FIA, heute noch ist er Botschafter des Mexiko-GP und Werbeträger in eigener Sache. Er ist regelmässig bei Veranstaltungen mit historischen Rennern zu sehen.
Als er sich im Sommer 2019 in sein altes Chassis Nummer 5 des Lotus 72 gleiten liess, schossen ihm die Tränen in die Augen, er brauchte ein paar Momente, um sich zu sammeln, dann verriet er: «Mit Nummer 5 habe ich damals in Watkins Glen meinen ersten WM-Lauf gewinnen können. Das ist ein Auto, das mir besonders ans Herz gewachsen ist.» Emerson hat für das Buch ein wunderbares Vorwort verfasst.
Tipp: Der Verlag Evro bietet noch bis Ende April eine Reihe seiner hervorragenden Bücher zum halben Preis an – zugreifen!
Das Wichtigste in Kürze
Pete Lyons: Lotus 72 (1970–75 Formula 1 Greats)
Mit einem Vorwort von Emerson Fittipaldi
Aus dem Verlag Evro Publishing (England)
ISBN 978-1-910505-33-5
Format 28 x 23,5 cm
320 Seiten
350 Fotos
Text in englischer Sprache
Erhältlich im Fachhandel
Sonderaktion vom Verlag: Bis Ende April wird das Buch zu halbem Preis angeboten (25 statt 50 Pfund)
Mehr Informationen beim Verlag Evro Publishing