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Martin Smolinski: Wieso er die FIM lächerlich macht

Von Ivo Schützbach
Streitfreudiger Martin Smolinski: Sagt nicht zu allem ja und Amen

Streitfreudiger Martin Smolinski: Sagt nicht zu allem ja und Amen

Wenn es um die Einhaltung der Aufgaben der Fahrer geht, stehen die Offiziellen im Bahnsport mit erhobenem Zeigefinger da. Selbst haben die FIM-Leute von ihren Pflichten und dem Reglement aber meist keine Ahnung.

Bei der Langbahn-WM in Bielefeld erlebten wir eine skurrile Situation. Obwohl das Motorrad des Siegers Martin Smolinski nachweislich nicht dem technischen Reglement entsprach, musste die FIM-Jury einen Protest von Richard Speiser ablehnen – weil ein solcher laut Reglement nicht möglich ist.

«Ich weiß, dass der Schalldämpfer zu kurz montiert war», sagte Smolinski. «Es ist die Aufgabe des Abnahmekommissars mich darauf hinzuweisen. Dann hätte ich es sofort geändert. Aber mein Motorrad wurde so abgenommen und ich habe nichts daran geändert. Die Hälfte der Motorräder entspricht in irgendeiner Weise nicht dem Reglement. Ich will der FIM zeigen, dass sie ganz viele Fehler machen. Ihre Techniker kennen sich nicht aus. Viele FIM-Offizielle wissen auch nicht, was in ihrem Regelbuch steht.»

In Bielefeld wurde die FIM-Jury von Smolinski in einmaliger Weise vorgeführt und blamiert. SPEEDWEEK.com sprach mit Deutschlands Nummer 1.

Kritiker werfen dir vor, du würdest den Bahnsport mit dieser Aktion lächerlich machen.

Mein Ziel ist, dass die Fahrer auch mal Recht bekommen. Wir haben tausende Vorgaben, die wir einhalten müssen, müssen alles immer so haben, wie es sich die Offiziellen vorstellen. Wenn wir Fahrer aber etwas möchten, werden wir auf Deutsch gesagt angeschissen und haben keine Möglichkeit gegen irgendwas vorzugehen. Das Traurige daran ist, dass es sehr wenige Fahrer so sehen. Die Leidtragenden sind immer die Fahrer, egal ob es um das Fahrgeld geht, um die Veranstaltung, um gefährliche Bahnverhältnisse oder nicht vorhandene Sicherheitsvorkehrungen. Da geht es immer um das Leben der Fahrer, nicht um das eines Offiziellen. Dem Offiziellen ist das wurschd, der geht nach der Veranstaltung nach Haus und hockt sich wieder in seine vier Wände Aber wenn der Fahrer daliegt, er was gebrochen hat oder es ihm schlecht geht...

Zwischen vielen Offiziellen und den Fahrern ist kein Geben und Nehmen, sondern immer nur ein Nehmen, die Leidtragenden sind immer die Fahrer. Egal wie gut oder schlecht man arbeitet, der Fahrer zieht den Kürzeren.

Du kennst das Reglement ausgezeichnet, dir war bewusst, dass dein Schalldämpfer zu kurz ist. War dein eingeschlagener Weg in Bielefeld die einzige Möglichkeit um aufzuzeigen, wie unsinnig das Reglement ist?

Ganz genau. Es war aber nicht so, dass ich das geplant hatte. Ich fahre Langbahnrennen, um für meine Fans da zu sein, mein Fokus liegt auf dem Speedway-GP. Der Langbahn-Sport läuft nebenher, ist just for fun.

Anfang des Jahres habe ich meine Motorräder schnell schnell hergerichtet. Bei der Montage wurde ein Teil des Schalldämpfers leicht verbogen und er wurde 3,5 cm zu kurz montiert. Bevor ich um 350 Euro einen neuen Auspuff draufbaue, hat mich das recht wenig interessiert, das zu verbessern. Ich weiß, dass ich keine Weltmeisterschaft fahre, sondern für die Zuschauer, drum juckte mich das wenig.

Ich habe mir dann überlegt, dass ich das in Bielefeld durchziehe und es auf mich zukommen lasse. Ich wollte schauen, wie Leute darauf reagieren. Seit Jahren schreibe ich E-Mails an die FIM, was diese Auspuff-Geschichte anbetrifft. Das Reglement sollte überarbeitet werden. Es ist möglich, den Auspuff wie vorgeschrieben zu montieren – mit viel Aufwand. Mit Teilen, die man im Markt kaufen kann, ist es sehr schwierig. Speziell, seit wir mit langen Schwingen fahren, ist es kaum noch möglich das Reglement einzuhalten – ob das dann 3,5 cm oder 5 mm sind, zu kurz ist zu kurz. In Bielefeld waren an 80 Prozent der Bikes die Auspuffanlagen zu kurz.

Die letzten Wochen habe ich mit den Leuten der FIM sehr viel schriftlich kommuniziert. Wenn ich überhaupt eine Antwort erhalte, dann ist die oft nichtssagend, meine Fragen werden nicht beantwortet. Meist bekomme ich keine Antwort. Und ich adressiere meine Mails immer an viele Leute bei der FIM und dem DMSB. Das macht keinen Spaß. Ich riskiere mein Leben und die scheren sich einen Dreck darum, was wir Fahrer haben. Es geht um ein Miteinander.

Das habe ich jetzt auch wieder gesehen, als es um den Schalter für meine Zündung ging. Auf keine Frage, die ich der FIM gestellt habe, erhielt ich eine Antwort. Die FIM macht es sich einfach und sagt, das Reglement sei einfach so. der Abnahmekommissar kann entscheiden, ob ich den Schalter haben darf oder nicht. Die FIM stellt mich in der direkten Kommunikation für dumm dar. Wenn ich in E-Mails die Quintessenz zwischen den Zeilen lese, dann steht da ‹Martin, lass uns doch in Ruhe mit deinem Scheiß›. Für mich haben sie keinen Bock zum Arbeiten und wollen sich auf ihrem hohen Ross ausruhen, auf die Veranstaltung gehen, im VIP-Bereich stehen und Essen und Trinken bekommen. Aber da sind sie mit mir am falschen Mann, ich werde gewaltig nachhaken.

Schwierig ist, dass die Fahrer hinter verschlossenen Türen ganz viel miteinander reden, sobald aber fünf Offizielle vorne stehen, hebt keiner mehr die Hand hoch.

Du hast angesprochen, dass für eine reglementskonforme Auspuffanlage im Markt kaum Teile zu bekommen sind. Bahnsport ist aber eine Prototypen-Serie, es ist also Sache des Fahrers und nicht des Markts, für reguläre Bauteile zu sorgen.

Das stimmt vollkommen. Dafür gibt es einen Abnahmekommissar, er hat das Fahrzeug anhand des Reglement-Buchs auf seine Richtigkeit zu kontrollieren.

Während es in Serien wie MotoGP, Superbike-WM oder Formel 1 Festangestellte der Weltverbände FIM und FIA gibt, die das Reglement überwachen, reden wir im Bahnsport von Ehrenamtlichen, die oft überfordert wirken. Sie kennen den Wortlaut des Handbuchs nicht, können schlecht oder kein Englisch, dann kommt noch Zeitdruck im Parc fermé hinzu. Da ist Versagen doch vorprogrammiert, oder?

Ja und nein. Sie wissen ganz genau, was wir nicht dürfen oder machen müssen. Aber sie wissen nur eine Seite, es ist immer nur ein Nehmen, kein Geben.

In Tampere wolltest du gegen Niels-Kristian Iversen Protest einlegen, hast es aber sein lassen, weil es aus Verfahrensgründen unmöglich ist. War das der Punkt an dem du dir Gedanken gemacht hast, was schief läuft?

Genau. Es gibt ein Reglement-Buch, das zählt aber nur für mich persönlich, andere kommen damit durch. Mir wurde in Finnland erklärt, dass ein Protest gegen Iversen keinen Sinn macht, weil sein Bike abgenommen war. Gegen eine Motorradabnahme kann ich keinen Protest einlegen. Also scheint der Abnahmekommissar eine sehr große Wirkung zu haben. Gegen ihn kann ich keinen Protest einlegen, also muss er seine Arbeit kennen.

Es ist so ein Durcheinander. Alle Offiziellen wissen ganz genau, dass ich unbedingt eine Rennweste tragen muss. Ich muss pünktlich sein, zur Fahrervorstellung kommen, mich ordentlich aufführen, der Fahrer muss alles. Aber was sie selber arbeiten müssen, das vergessen sie.

Mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass ein Fahrer mit legalem Motorrad zur Abnahme kommen und mit diesem das Rennen fahren muss. Und auch nach dem letzten Lauf muss das Bike legal sein. Ist ein Fahrer der Meinung, dass ein gegnerisches Bike nicht legal ist, muss er dagegen Protest einlegen können. Oder siehst du das anders?

Dazu müsste die FIM das Reglement umschreiben und bei den Rennen die Bikes kontrollieren. Zumindest alles Augenscheinliche. Den Hubraum des Motors zum Beispiel kann der Abnahmekommissar nicht von außen erkennen. Aber wie das Bike aufgebaut ist, sieht er. Ob es einen Kettenfangbolzen gibt, ob drei Auspuffschellen dran sind, ob die Abmessungen stimmen etc. Dafür gibt es den Kommissar, er kontrolliert, ob das Motorrad dem Reglement entspricht. Er muss seine Arbeit machen.

Die FIM untergräbt sich ja selbst. Die Startnummer «444» von Josef Franz zum Beispiel, entspricht weder in Form, Schriftart noch Größe dem Reglement, wird von der FIM aber genehmigt und sogar auf die offiziellen GP-Westen gedruckt.

Dafür spreche ich der FIM jetzt mal ein Kompliment aus, da kooperieren sie mit den Fahrern. Daran sieht man aber, dass sie Sachen nicht durchdenken. Es gibt keine Linie, es wird gemacht, was sie lustig finden. Wenn sie das so machen können, dann mache ich das auch so.

Hast du nicht Angst, dass du dir durch die Aktion in Bielefeld noch mehr Feinde bei der FIM machst, als du ohnehin schon hast?

Das juckt mich nicht, Freund oder Feind. Im Motorsport gab es immer Leute, die gearbeitet und sich eingesetzt haben. Das waren Motorsport-Größen, Charakterköpfe, Persönlichkeiten. Das waren nicht irgendwelche Mitläufer, sondern Selbstläufer.

Ich habe sehr viel gestritten, viele Leute waren nicht meiner Meinung. Das beste Beispiel ist die Startnummer 84, die Dauerstartnummer. Für die kämpfe ich seit über fünf Jahren und wurde dafür belächelt von Katt und Speiser und allen. Alle haben mich ausgelacht, darüber gibt es zig E-Mails. Warum fahren sie heute alle mit Dauerstartnummer? Warum? Weil einer da war, der seinen Weg gegangen ist und jetzt profitieren alle davon, alle.

Sollte die FIM aus Bielefeld etwas lernen, würden wieder alle profitieren, weil es dann eine klare Linie gäbe.

Dafür muss man aber den Mund aufmachen. Ich habe keine Angst vor der FIM. Ich arbeite nach den Regeln, mir können sie nicht ans Bein pinkeln. Ich sage nicht ja und Amen. Ich bin mit keinem der FIM-Leute verheiratet, ich muss nicht die nächsten 50 Jahre mit denen in einem Bett liegen. Ich gehe meinen Weg, so ist meine Persönlichkeit. Ich will in der Früh aufstehen und in den Spiegel schauen können. Ich habe meine Meinung gesagt.

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