Kalex: Nun soll der Sprung in die Superbike-WM folgen
Der deutsche Motorradhersteller Kalex engineering aus Bobingen bei Augsburg beteiligt sich seit 2010 an der Moto2-Weltmeisterschaft. Das Unternehmen von Alex Baumgärtel (sein Vorname trägt vier Buchstaben zum Firmennamen bei) und Partner Klaus Hirsekorn (er steuert das K von Kalex bei) hat erstmals 2011 mit Stefan Bradl die Fahrer-WM gewonnen, danach 2013 mit Pol Espargaró, 2014 mit Tito Rabat, 2015 und 2016 mit Johann Zarco.
Nach monatelanger Entwicklungszeit rückte Randy Krummenacher beim offiziellen Superbike-Test im MotorLand Aragón am Montag erstmals mit einer Kalex-Schwinge aus. Bedauerlich: Weil der Motor in seiner ZX-10RR das Ende seiner Laufzeit schon beinahe erreicht hat, konnte der Schweizer nur 30 Runden drehen. Doch Krummenacher war von der Kalex-Schwinge begeisert und am Montag deutlich schneller als noch während des Rennwochenendes.
SPEEDWEEK.com traf sich im Fahrerlager von Aragón mit Alex Baumgärtel zum exklusiven Interview.
Alex, wie kam es zu dem Deal mit Kawasaki Puccetti?
Über Randy Krummenacher. Ich habe ihn angeschrieben und gefragt, wie es aussieht, ob er mit seinem Team Kontakt aufnehmen kann, wir würden gerne etwas machen. Wir wollen einen Schritt weiterkommen und uns deshalb das Superbike-Fahrerlager anschauen.
Ihr wollt in die Superbike-WM einsteigen?
Ja. Über Randy kam der Kontakt zu seinem Crew-Chief Andrew Pitt zustande, ein sehr vernünftiger Mann. Wir lieferten jetzt mal eine Schwinge und schauen dann, wie es weitergeht.
Warum hat es sieben Jahre gedauert, bis ihr über den Moto2-Tellerrand hinausschaut?
Wir waren genug beschäftigt und haben uns auf nichts anderes konzentriert. Jetzt haben wir das generelle Know-how, um auch woanders die Fühler reinzustecken.
Superbike ist etwas komplett anderes, wir haben mit diesem Projekt aus der hohlen Hand geschossen. Wir wissen nicht, wie die Reifen reagieren, das Motorradgewicht ist anders, hinzu kommt die Traktionskontrolle und so weiter.
Ihr habt eine Schwinge mit Unterzug gebaut: Ist diese vom Konzept her gleich wie jene in Moto2?
Zum Teil. Von der Splittung und dem Fertigungsablauf ja. Aber dadurch, dass die Kawasaki die Stoßdämpferanlenkung oben hat und nicht wie üblich unten, war das eine ganz schöne Tüftelei, um auf die Werte zu kommen, wie wir sie uns vorstellten, was die Torsion und Seitensteifigkeit betrifft.
Die Schwinge besteht aus Alu-Segmenten, die aus dem Vollen gefräst sind und dann verschweißt wurden. Das gleiche Prinzip wie in Moto2.
Am Superbike sind nur Schwinge, Umlenkung und Gabelbrücken Prototypen-Teile. Die Umlenkung habt auch ihr gebaut?
Die Umlenkung ist dabei, damit sie zur Schwinge passt, aber ohne neue Bewegungs-Verhältnisse, die haben wir übernommen.
Was soll mit eurer Schwinge besser sein, als mit dem Standard-Modell?
Das Lenkverhalten und die Traktion. Eine Schwinge muss ab der Bremsphase arbeiten. Da braucht es Stabilität – man kann aber auch Überstabilität oder Rutschen erzeugen.
Mit der ganzen Elektronik in der Superbike-WM, mit Motorbremse und Blipper-Funktion, weiß ich noch nicht, ob die Effekte gleich sind. Das war für mich ein weißes Blatt Papier. In der Regel kannst du am Kurveneingang, beim Lösen der Bremse, mit der Schwinge ein Einlenkverhalten und Gripsituationen erzeugen.
Das ist immer ein Balance-Spiel. Stabilität nützt hier und schadet dort.
Das lässt sich alles über Steifigkeit und Torsion regulieren?
Je nachdem, wie hoch die Torsions- oder die Seitensteifigkeit ist, kannst du Effekte erzeugen, dass das Motorrad beim Einlenken von sich aus eine Kurve macht.
Je weicher die Schwinge, umso mehr Traktion?
Genau. Irgendwann wird es dann zu weich, dann kommt Bewegung ins Heck, die ungedämpft ist. Das heißt, du nimmst Kräfte aus dem Dämpfungssystem raus und diese fließen in etwas Flexibles ein. Dann hast du die Grenze überschritten.
Eine Schwinge im Rennsport ist immer weicher als die in der Serienmaschine?
In Seitensteifigkeit sind sie immer steifer. Das kommt davon, weil das Serienbike für zwei Leute und andere Lastfälle ausgelegt ist. In der Torsion fehlt es ihnen meistens. Das ist die Problematik: Die Torsion soll hoch und die Seitensteifigkeit reduziert werden.
Die Entwicklung einer solchen Schwinge ist reines Probieren?
Genau, wir müssen unter Umständen jede Menge Schwingen bauen, das ist Entwicklung, um das in einem Wort zu sagen.
Wie viel Arbeit habt ihr bislang in die Superbike-Schwinge investiert?
Um überhaupt auf den Faden zu kommen, haben wir 100 Mann-Stunden reingesteckt. Wir mussten einen Rahmen besorgen, diesen scannen, Geometriedaten festlegen, Informationen sammeln, was hat das Team für Räder, wo ist die Bremsposition, was müssen wir übernehmen, was nicht. Dann das Design, dann kam die Elementeberechnung, dann das Re-Design, dann die erneute Berechnung. Die Produktion und die Berechnung sind in den 100 Stunden noch gar nicht dabei.
Das dauert, bis sich das amortisiert – ungefähr zwei Jahre. Aber das ist in jedem neuen Projekt so.
Sollten sich andere Hersteller als Kawasaki interessieren, musst du die genannten Aufgaben für jeden spezifisch erledigen?
Genau, die Erkenntnisse lassen sich nur marginal vergleichen. Jeder hat einen anderen Gewichtstransfer oder eine andere Philosophie, was Gripgefühl und Traktionskontrolle angeht.
In der Superbike-WM darf jeder Fahrer während der Saison nur acht Tage testen. Wenn ihr testen wollt, müsst ihr das aber mit dem jeweiligen Motorrad und Fahrer machen, damit es einen Nutzen hat?
Das ist schwierig, in Moto2 ist es gleich. Da haben wir mittlerweile vier Schwingen im Einsatz, die sich je nach Fahrer-Gusto entwickelt haben.
Ist es euer Ziel, dass ihr neben dem Puccetti-Team auch andere Superbike-Kunden gewinnt?
Jetzt konzentrieren wir uns mal auf das, aber wenn anderes Interesse geweckt wird, ist das immer positiv.
Idealerweise fragen erst andere Kawasaki-Teams bei euch an?
Das wäre der positive Ausblick. Wenn einer aufspringt, dann kommt bestimmt auch ein anderer und will es mal probieren.
Kawasaki bot sich als Einstieg an, weil Kawasaki keine Werks-Schwingen an Kunden gibt.