Verkehrschaos in Assen: Lebensgefahr auf den Radwegen
Für die Zuschauer und Fahrer hat die Dutch-TT nichts von ihrer Attraktivität eingebüsst, obwohl die Strecke in regelmässigen Abständen verkürzt wurde und dadurch viel von ihrem Reiz verloren hat.
Aber als langjähriger Besucher wird man den Eindruck nicht los, nach der Machtübernahme der neuen Stichting-Circuit-van-Drenthe-Befehlshaber habe der Grand Prix seine Seele verloren, es ist weniger Leidenschaft, Begeisterung und Opferbereitschaft zu spüren.
So wurde ohne Not ein neues, katastrophales Verkehrskonzept eingeführt, das am Sonntag wirksam wurde, aber gegenüber den Paddock-Mitgliedern nur lieblos kommuniziert wurde, zum Beispiel durch Zettel auf der Windschutzscheibe am Freitag, die durch den Regen aufgeweicht und unlesbar wurden.
So chauffierten am Sonntagfrüh Hunderte Teammitglieder und Berichterstatter ihre Fahrzeuge auf den üblichen Wegen Richtung Fahrerlager, sie wurden aber 500 Meter vor der Einfahrt gestoppt und sehr, sehr weiträumig auf die angebliche VIP-Route umgeleitet.
Diese war aber nicht mit «Paddock», «TT Circuit», «P1» oder «P2» beschriftet, sondern nur mit «VIP P» gekennzeichnet. Also musste man dieses Schlupfloch zuerst einmal finden, dann als Geheimroute enttarnen und den 5 km langen Anfahrtsstau hinnehmen, ehe es dann in eine grossteils nicht asphaltierte Zufahrtsstrasse ging.
So kurvten die vermeintlichen VIPs rund 1,5 Stunden statt 30 Minuten von ihren Quartieren ins Fahrerlager, darunter auch namhafte Teamchefs, GP-Piloten und Mechaniker. Sie bewegten sich quasi im Kreis, zumal die VIP-Route von jedermann benützt werden konnte, nicht nur von Besitzern der P1 und P2-Parkkarten.
Und die nicht privilegierten Besucher kamen schneller und direkter zu ihren Parkplätzen als die vermeintlichen VIPs, die kilometerweit an der Nase herumgeführt wurden.
Die Dorna beschwerte sich dann beim Veranstalter, weil manche Fahrer aus der Moto3-Klasse durch das Verkehrschaos nicht rechtzeitig zum Warm-up erschienen.
«Unglaublich», wunderte sich José Maroto vom Avintia-Ducati-Team. «An den ersten drei Tagen lief die Zufahrt klaglos. Am Sonntag haben wir über die VIP-Zufahrt eine Stunde verloren.»
Fotograf Waldemar Da Rin: «Eine Katastrophe, was sie da gemacht haben.»
«Schrecklich», wunderte sich sogar ein Haudegen aus dem Dutch-TT-Veranstalter-Team. «Völliger Blödinsinn», wetterte ein anderer Enheimischer, der selbst im Stau um 8 Uhr früh mit dem Auto umgedreht hatte und sich auf seinen Drahtesel geschwungen hatte.
«Wir haben unser Hotel um 5.30 Uhr verlassen und sind auf der VIP-Route um diese Uhrzeit 40 Minuten still gestanden», ärgerte sich IRTA-Funktionär Jordi Perez.
Bei der Anfahrt zur VIP-Route, auf der dann ein Top-Speed von 0 bis 8 km/ gefahren wurde, herrschte Anarchie. Dutzende Auto- und Motorradfahrer wichen wegen des gewaltigen Staus und völligen Stillstands vor der VIP-Route mit 60 oder 80 km/h auf den Fahrradweg aus. Dort herrschte dann Gegenverkehr, ratlose Radfahrer strampelten zwischendrin in akuter Lebensgefahr, von der Polizei fehlte jede Spur, die Ordner sprachen grossteils nur Niederländisch, sie kontrollierten die Zufahrtsberechtigungen nicht – und überliessen die Dinge machtlos ihrem Lauf.
Mein Plan für die Dutch-TT 2018 steht fest. Ich werde die Anfahrt vom Hotel (rund 15 km) voraussichtlich mit dem Rennrad zurücklegen.
Das hat mehrere Vorteile. Ich muss nicht um 6 Uhr aus den Federn kriechen; ich werde gemütlich frühstücken und nachher für die Strecke höchstens 40 Minuten statt eineinhalb Stunden brauchen. Und ich werde genüsslich Tausende stehende Autos überholen.
Aber ganz überzeugt bin ich noch nicht. Vielleicht werde ich die Art meines Fortbewegungsmittels noch einmal überdenken.
Die Aussicht, auf dem schmalen, kurvenreichen Fahrradweg mit meinem TREK-Karbonrenner vor der Abzweigung zur VIP-Route einem mit 80 km/h entgegen kommenden schwarzen Porsche Carrera im Weg zu sein, ist auch nicht restlos berauschend.
Meine Idealvorstellung vom Beginn eines gelungenen Arbeitstages sieht anders aus.
Aber vielleicht sollte ich demnächst unter die Verkehrsplaner gehen. Vielleicht sucht ja das Verkehrsbüro «Goudappel & Coffeng» in Deventer noch ein paar weitere Ahnungslose für ein neues TT-Assen-Verkehrskonzept.
Das diesjährige haben die «Goldäpfel» für 100.000 Euro an den leichtgläubigen GP-Veranstalter verkauft. Aber es war nicht einmal einen faulen Apfel wert.
Wenn die Goudappel-Fachleute nächstes Jahr in Assen wieder das Chaos des Jahres anrichten dürfen, bleibe ich erstmals seit 1973 am letzten Juni-Wochenende zuhause.