Schwarze Schafe: Wie wird man diese GP-Teams los?
Im Motorrad-GP-Sport kamen in den letzten Jahren immer wieder Rennställe in Verruf, weil sie ihre Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnten und bei Lieferanten Rechnungen nicht beglichen, Fahrergagen schuldig blieben oder beim Technikpersonal die Löhne schleppend, gar nicht oder nur teilweise bezahlten.
In jüngste Vergangenheit eilte zum Beispiel dem IodaRacing-Team von Giampiero Sacchi ein schlechter Ruf voraus. Bei Sacchi blieben manche Sponsoren ihre Zahlungen schuldig, als leidenschaftlicher Motorsportfan machte er aber immer weiter, er geriet in einen Abwärtsstrudel, denn 2012 war er noch an drei Klassen beteiligt, er ließ bei Robby Motor damals eigene 250-ccm-Moto3-Motoren bauen und verpulverte 2012 Unsummen für ein Projekt, das er schließlich Emir taufte.
«Denn eines Tages stand ich an einer Tankstelle, da kamen mir alle Kosten und alle Rechnungen in den Sinn», berichtete Sacchi. «Ich schaute auf die Zapfsäulen und dachte: Ich müsste ein Emir sein, um das alles bezahlen zu können.»
Sogar Jonas Folger steuerte 2012 eine Emir-Maschine, ehe er im August in Indy ins Martinez-Team auf eine Kalex-KTM wechselte.
Doch nach der Saison 2015 wurde Sacchi aus dem GP-Fahrerlager vertrieben, er musste sein Moto2-Team und den MotoGP-Rennstall zusperren.
Vorher hätte er seine beiden MotoGP-Plätze noch gern für 5 Millionen Euro an das Suzuki-Werk verkauft.
Doch Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta winkte ab. «Wir haben den Teams die Startplätze kostenlos überlassen. Wer kein Team mehr finanzieren kann, muss sie wieder zurücklegen», sagte der Spanier und verbannte auch Forward, Paul Bird Motorsport (PBM) und AB Motoracing (Abraham) aus der MotoGP-WM.
Die frei gewordenen Plätze bekamen die Teams Suzuki Ecstar, Red Bull KTM und Marc VDS, bei denen die Finanzen gesichert waren.
Forward Racing beschränkte sich nach der Saison 2015 auf die Moto2 und gewann 2016 mit Lorenzo Baldassarri den Moto2-WM-Lauf in Misano.
Aber der Rennstall von Giovanni Cuzari hat seinen Glanz verloren, seit der Teambesitzer im Sommer 2015 vier Wochen lang in Untersuchungshaft saß
2017 und im April 2017 in Mailand zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt wurde – wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung im großen Stil.
Seither ist es mit den renommierten Sponsoren vorbei. Forward muss neben den neuen Rechnungen auch jahrelang verschleppte Rechnungen bezahlen, vor ein paar Wochen hat der ehemalige Forward-Manager Marco Curioni Insolvenzantrag gegen sein Ex-Team eingereicht – weil ihm seit 2015 die Bezahlung von 17.000 Franken verweigert wird.
Mit Baldasarri und Marini hat Forward zwei begabte Fahrer verloren, mit den Neuankömmlingen Manzi und Granado und Suter-Bikes wird 2018 nicht viel Staat zu machen sein.
Dafür wird der neue Hauptsponsor «4:20» (ausgesprochen: four-twenty) zumindest beim Texas-GP für Stirnrunzeln sorgen. Der Begriff «4:20» oder «4/20» gilt nämlich in Amerika als Codewort für den Konsum von Cannabis, besonders um 16.20 Uhr.
Forward Racing hält sich aber bisher in der Moto2-WM irgendwie über Wasser.
Teamchef Cuzari persönlich scheint es nicht schlecht zu gehen. Zumindest stellte er beim Mugello-GP 2017 stolz sein Bentley Cabrio zur Schau.
Mit CGBM Evolution kämpft auch das zweite in der Schweiz angesiedelte Moto2-WM-Team offenbar ums Überleben.
Mit den bei der Teamvorstellung zur Schau gestellten Sponsoren wird sich kaum eine komplette WM-Saison mit den Piloten Sam Lowes (5 WM-Punkte 2017) und Iker Lecuona (2 WM-Punkte 2017) finanzieren lassen.
Auf den KTM-Maschinen der beiden Fahrer wird mit dem Logo «swissinnovativeinvestors.com» geworben. Anscheinend nur ein Schabernack von Teamchef Fred Corminboeuf. Denn eine Firma oder eine Website dieses Namens existiert nicht.
Der Mehrheit der ehrlichen Teambesitzer, die ihre Rechnungen brav Möglichkeit bezahlen, sind die schwarzen Schafe ein Dorn im Auge.
Kein Wunder.
Denn es ist als unlauterer Wettbewerb einzustufen, wenn sich der eine Rennstallbetreiber gewissenhaft nach Partnern und Sponsoren umsieht, seine Firma betriebswirtschaftlich und nach redlichen Gesichtspunkten führt, während andere Teamchefs das Blaue vom Himmel versprechen, Verträge nicht einhalten, Schulden jahrelang vor sich herschieben, eine Lüge nach der andern verbreiten und trotzdem im Fahrerlager unangefochten ein- und ausgehen.
Die Teamvereinigung IRTA versteht sich als Interessensvertretung der Teams und sieht keinen Anlass, beim systematischen Schuldenmachen der obskuren Rennställe einzuschreiten oder sie aus der WM zu verbannen.
«Wenn wir alle ausschließen, die irgendwo Schulden haben, verlieren wir womöglich 90 Prozent der Teams», ist bei der IRTA oft zu hören.
Ich stimme da nicht zu.
Denn der spanische TV-Koch Karlos Arguinaño hat sein AGR-Team rasch zugesperrt, als ihm im Herbst 2017 das Geld auszugehen drohte. Auch JiR-Teambesitzer Luca Montiron hat sich nach vielen Jahren zurückgezogen, als vor drei Jahren kein passendes Konzept mehr fand.
Und Jochen Kiefer schiesst vorläufig sogar Eigenkapital zu, um den Rennbetrieb 2018 in Gang bringen zu können.
MZ Racing hingegen bezahlte 2012 zum Beispiel so gut wie keine Rechnung. «Ich muss das Kerngeschäft retten», lautete die Devise des damaligen Firmenchefs Martin Wimmer.
Warum Wimmer trotz akuten Geldmangels mit Toni Finsterbusch bis zur Insolvenz im September 2012 in der Moto3-WM mitmischte (noch dazu mit einer gekauften Honda NSF 250R), verstand niemand.
Auch das Racing Team Germany lebte offenbar zu lange auf großem Fuß. Vor zwei Jahren kam das böse Erwachen – es war von Verbindlichkeiten in der Höhe von ca. 500.000 Euro die Rede. Die Teamteilhaber schauten dem hemdsärmeligen Gebaren des Teammanagers Dirk Heidolf lange gebannt zu und taten dann so, als fielen sie aus allen Wolken.
Das Moto3-Team wurde 2016 von den Logistik-Unternehmern Ingo und Florian Prüstel aus Callenberg/Sachsen übernommen, die heute im Paddock einen Ruf als ehrenhafte Teamchefs genießen – wie auch Öttl, Kiefer und die Intact-Teilhaber Keckeisen, Kuhn und Lingg.
Es wäre an der Zeit, dass sich alle namhaften Teambesitzer der Klasse Moto2 und Moto3 zusammentun und der mehrlichtigen Konkurrenz das Handwerk legen.
Im Fußball wird jeder Club vor der Saison durchleuchtet und geprüft, ob genug Liquidität für eine Spielsaison vorhanden ist. Im angeblich so professionellen GP-Sport können sich die schillerndsten Figuren jahrelang irgendwie durchwursteln.
Wenn diese Unsitte überhand nimmt, bleibt Lieferanten wie Kalex, Suter, Öhlins, WP, Kayaba, Dunlop und andere, die auf ihren Rechnungen sitzen bleiben, eines Tages nichts anderes übrig, als die Kosten bei den anderen Kunden draufschlagen.
Und das kann nicht im Sinne des Erfinders sein.