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Pit Beirer: «Fahrer müssen nicht mit Pflug fahren»

Von Günther Wiesinger
Argentinien-GP: Brad Binder auf KTM gegen Marcel Schrötter (Kalex)

Argentinien-GP: Brad Binder auf KTM gegen Marcel Schrötter (Kalex)

KTM rüstet das Red Bull-Ajo-Team in Le Mans mit neuen Chassis-Versionen aus. KTM-Motorsportchef Pit Beirer äußert sich zu den Moto2-Niederlagen und sucht keine Ausreden.

Viel schlimmer hätte die Moto2-WM 2019 für Red Bull KTM nicht beginnen können. Kein Podestplatz, zweimal (Doha und Austin) kein Fahrer in den Top-10), in Texas verfehlten sogar alle neun KTM-Piloten die Punkteränge. Von einem Podestplatz bisher keine Spur. Brad Binder schaffte einen fünften und einen sechsten Platz, er liegt in der WM an zehnter Stelle.

«Die zwei Kollegen aus dem Red-Bull-Ajo-Team bekommen neue Chassis für Le Mans», bestätigte Pit Beirer, Motorsport-Direktor von KTM, im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Wann die anderen Piloten damit ausgerüstet werden, hängt ganz davon ab, wie gut sich dieses Chassis in Le Mans bewährt. Es ist ja nicht garantiert, dass wir ein neues Chassis bauen und dann alle Probleme behoben sind. Wir sind überzeugt, dass wir damit in die richtige Richtung machen. Wenn das bestätigt wird, werden wir eventuell noch etwas in die gleiche Richtung verändern oder dieses Chassis so schnell wie möglich für alle KTM-Fahrer nachziehen. Das ist auf jeden Fall unser Plan.»

Im Idealfall würde dann das Tech3-Team mit Bezzecchi und Öttl und auch Lecuona schon für Mugello die neue Version erhalten.

Wie es zum Reinfall in der Moto2 gekommen ist, ist in Munderfing bisher ein Rätsel. «Ich möchte unterstreichen, dass es nichts mit unseren Bemühungen in der MotoGP zu tun hat», versichert Beirer. «Wir haben ja eine sauber aufgestellte Techniker-Truppe für Moto3 und für Moto2. Da wurde kein Mann und keine Fachkraft abgezogen worden für die MotoGP. Im Gegenteil, wir haben unsere Mannschaft in den letzten Jahren immer nur aufgestockt. Wir sind in der Moto2 in eine falsche Richtung marschiert. Zum Schutz meiner Techniker muss ich sagen, bis Oktober wurde jeder Moto2-Test von den Fahrern positiv bewertet. Es wurden von den Fahrern wenig Wünsche geäußert. Das Motorrad hat sich besser angefühlt, es war mit dem neuen Motor fahrbarer. Die Rundenzeiten waren vielversprechend. Das große Aha-Erlebnis kam beim November-Test in Jerez, wo die Probleme augenscheinlich wurden.»

Binder landete als bester KTM-Fahrer auf Platz 13. Daraufhin wurde Projektleiter Reinhard Mandl durch Kevin Ranner ersetzt.

Fakt ist: Kalex verfügte mit Folger und Raffin über die schnelleren Testfahrer, KTM begnügte sich mit Julián Simón und Ricky Cardus. Binder testete den Triumph-Motor in Aragon Ende September zwei Tage, Oliveira nur einen Tag.

«Bei Oliveira meinten wir, dass er womöglich nicht mehr so motiviert sei, weil er die Klasse wechselte. So ein Umsteiger sollte eine Referenz liefern, er macht dir diesen Gefallen, aber in Wahrheit hat er seinen Kopf längst in der Zukunft, in der MotoGP», meint Beirer. «Aber Brad ist in Aragón auch damit gefahren und hat uns den Stempel gegeben. Heute wissen wir, dass unser damaliges Entwicklungskonzept nicht funktioniert hat. Das müssen wir akzeptieren. Jetzt müssen wir umdrehen und in die andere Richtung gehen. Wir werden die Situation wieder veröändern. Wir werden sie nicht so lassen...»

Die Chassis-Version vom November brachte wegen der extremen Steifigkeit die Fahrer zum Verzweifeln? Beirer: «Wir sind momentan zu langsam. Wenn wir alle Gründe 100-prozentig wissen würden, hätten wir schon lange ein besseres Chassis gebaut. Es ist nicht so einfach, dass wir pauschal sagen können, wir werden jetzt vorne ein bisschen Steifigkeit rausnehmen – und dann sind wir dabei. Das wird nicht reichen. Die Aufgabe ist schon ein bisschen aufwändiger. Wir haben ein starkes Moto2-Technker-Team, das in die falsche Richtung galoppiert ist. Jetzt wird es höchste Zeit, dass wir umdrehen.»

Beirer: «Wir wollen die Schuld nicht hin- und herschieben. Es sind Fakten, dass wir uns falsch entscheiden haben. Wir waren damals in Aragón allein auf der Strecke, es war ein privater KTM-Test. Wir waren schneller als jemals zuvor auf dieser Strecke in der Moto2… Das war zunächst mal positiv. Dazu haben wir gute Fahrer gehabt. Wir haben ein gutes Testteam gehabt, wir haben ein gutes Rennteam. An der Streckenzeit und an den Testfahrern lag es nicht, davon hatten wir genug. Wir alle miteinander haben diesen Weg beschritten. Und zum schlechtesten Zeitpunkt Ende November haben wir die Watschen ausgefasst, denn danach war zwei Monate lang Testverbot. Und die Zeit zum Reagieren war knapp. Das war ein böses Erwachen. Wir haben über den Wunter  was verändert und haben im Februar den Jerez-Test auf dne ersten drei Plätze dominiert. Die Fahrer haben zu unseren Technikern wieder gesagt, jetzt ist alles super. So können wir zum Saisonstart nach Katar fahren. Dort kam die Ernüchterung. Das müssen wir akzeptieren – und den Hut ziehen vor Kalex.»

Beirer betont auch, dass die Zeiten in der Moto2 eng zusammengerückt sind. «Beim Jerez-GP hat man von katastrophalen Verhältnissen geredet. Aber wir waren im Qualifying nur 0,3 sec hinter der Pole-Position. Es ist nicht so, dass unsere Fahrer mit einem Pflug fahren müssen. Brad Binder hat halt ein Motorrad, mit dem er im absoluten Grenzbereich nicht mehr angreifen kann. Dann sind in dieser Liga 0,3 sec tödlich. Im Rennen hat Brad als Fünfter in 15 Runden 3,7 Sekunden auf den Sieger verloren.»

«Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass Kalex in dieser Klasse einen Superjob macht und die Latte verdammt hochlegt», stellt Beirer fest. «Das müssen wir jetzt demütig akzeptieren und versuchen, es besser zu machen. Wir sind ja mit KTM in sehr vielen Sportarten dabei. Wir bilden uns nicht ein, dass wir flächendeckend in jeder Klasse zu jedem Zeitpunkt alles bessre machen als alle andern. Das wir nie funktionieren. In den Serien, in denen wir Prügel kriegen, werden wir versuchen, es besser zu machen. 2018 durften wir als Hersteller ein Testteam betreiben und zehn zusätzliche Tage testen. Jetzt darf man kein Testteam mehr haben. Das tut uns natürlich weh, weil wir in der Ecke stehen. Denn schneller wirst du durchs Testen. Wir müssen jetzt die Entwicklung bei den Rennen betreiben. Am Ende des Tages sagen dir immer die Rennfahrer bei den Grand Prix, ob das Motorrad konkurrenzfähig ist, selten die Testfahrer.»

«Mit dem jetzigen Chassis brauchen wir gar keinen Testtage. Da ist mir leid um den Treibstoff», wetterte Firmenchef Stefan Pierer in Jerez. «Das bisherige Chassis kann man nicht mehr gesundtesten. Der richtige Test findet am Rennplatz statt.»

KTM-Vorstand Hubert Trunkenpolz tröstet sich: «In der Moto2 kann es bei uns nur noch besser werden.»

WM-Stand nach 4 von 19 Rennen:
1. Baldassarri, 75 Punkte. 2. Lüthi 58. 3. Schrötter 48. 4. Navarro 44. 5. Remy Gardner 38. 6. Alex Márquez 36. 7. Marini 35. 8. Fernandez 27. 9. Bastianini 26. 10. Binder 25. 11. Lecuona 19. 12. Lowes 19. 13. Nagashima 17. 14. Vierge 16. 15. Locatelli 16. – ferner: 22. Aegerter 5.

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