Formel 1: So geht es mit Sergio Perez weiter

GP-Saison 2020: Wird es harte Kompromisse geben?

Von Günther Wiesinger
Katar-GP 2020: Aki Ajo gratuliert Moto2-Sieger Nagashima, rechts Bastianini

Katar-GP 2020: Aki Ajo gratuliert Moto2-Sieger Nagashima, rechts Bastianini

Müssen die GP-Verantwortlichen bald heftige Kompromisse schliessen und auf die Teilnahme einiger GP-Teams und -Fahrer aus entlegenen Ländern verzichten? Wir suchen nach Antworten.

Da sich in Europa noch keine Verlangsamung der Ausbreitung des Coronaviruses anbahnt und inzwischen auch Spanien (25.496 positiv getestete Personen) und Frankreich (14.459) schwer betroffen sind, rückt der Neustart der MotoGP-Weltmeisterschaft in weite Ferne. Denn allein in Italien sind 16 der insgesamt 42 GP-Teams zuhause, und Italien wird noch geraume Zeit Sperrgebiet bleiben.

Sämtliche Teams operieren inzwischen im Krisenmodus und überlegen wie viele andere Firmen, wie sie die beschäftigten Mitarbeiter bezahlen und ihren Betrieb am Leben erhalten können. Denn die WM wird erst im Juni, Juli oder August fortgesetzt werden können. Alles andere gilt inzwischen als Illusion, auch wenn sich manche Optimisten immer noch einbilden, die Bedrohung durch Covid-19 werde sich bis Mai in Luft auflösen.

Dieser Virus wird unser Leben auf diesem Planeten noch länger beeinträchtigen, als wir uns momentan vorstellen.

In manchen Ländern wird die Kurve mit der Anzahl der Neuinfizierten bis Mai oder Juni oder bis zum Sommer abflachen, in anderen Ländern wird die Situation dann voraussichtlich erst eskalieren.

Amerika zählt zu den Ländern, in denen die Bedrohung anfangs nicht ernstgenommen wurde. Trump hat über den Namen gespottet, er spricht jetzt von vom «chinesischen Virus».

Und es wäre ja bizarr, wenn Trump ausgerechnet durch einen aus China stammenden Virus, der einen mexikanischen Namen trägt, die Wiederwahl verpassen würde. 

Inzwischen werden in den USA 26.829 Erkrankte gemeldet, und weil in vielen Bundesstaaten immer noch Partys (zum Beispiel Spring Break der Studenten in Florida) gefeiert werden und die Dunkelziffer wegen der wenigen getesteten Menschen sehr hoch ist, wird die Pandemie dort auch später ihren Höhepunkt erreichen.

Die Sorgen des Ajo-Teams

Der Finne Aki Ajo betreibt ein Team in mehreren Klassen. Er fährt mit Kaito Toba (Katar-Sieger 2019) und dem ehemaligen Junioren-Weltmeister Raúl Fernandez in der Moto3-WM für Red Bull KTM, in der Moto2-WM setzt er WM-Leader Tetsuta Nagashima und Titelanwärter Jorge Martin (Moto3-Weltmeister 2018) ein, dazu bestreitet er mit Niki Tuuli den MotoE-Weltcup und setzt einige Talente in der Junioren-WM ein. Sein Teamhauptquartier befindet sich in der Nähe von Barcelona, die Administration sitzt in den Büros in Finnland.

Ajo hofft inständig auf eine baldige Wiederaufnahme des Rennbetriebs. Er hofft auf erste Rennen im Juni und auf eine möglichst komplette Anzahl an WM-Läufen.

Doch bis dahin tendieren die Einnahmen der Teams gegen Null, die Fixkosten (Löhne, Versicherungen, Leasingraten, Materialkosten, Mieten und so weiter) müssen trotzdem bezahlt werden.

Deshalb denkt Serien-Promoter Dorna Sports S.L. über einen Rettungsschirm für die Privatteams nach. Mit welchen Summen die Teams rechnen können, wird noch verhandelt, die Höhe der Zuschüsse hängt auch von der Dauer der Rennpause ab.

Seit 2006 ist die britische Kapital-Investment-Gesellschaft «Bridgepoint Capital» 40-Prozent-Eigentümer der Dorna, sie muss dieser außergewöhnlichen Kapitalspritze absegnen. Aber eines ist klar: Wenn bis zum Neustart die meisten Teams bankrott sind, fällt auch für Bridgepoint und Dorna die Geschäftsgrundlage flach. Denn ohne GP-Teams gibt es keine Show, keine Rennmaschinen und keine Fahrer.

«Ich habe bisher nur über den geplanten Rettungsschirm gelesen, wir Teamchefs habe dazu noch keine Informationen erhalten», sagte Teambesitzer und Weltmeister-Macher Aki Ajo im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Ich kenne keine Details dazu. Natürlich macht uns in dieser Saison zuerst einmal die kurzfristige Situation Sorgen. Wir müssen uns aber auch über die langfristige Entwicklung Gedanken machen. Für mich ist wichtiger, was in der weiteren Zukunft auf uns zukommt. Dieser Virus wird die ganze Welt und unser aller Leben nachhaltig verändern. Die Wirtschaft wird weltweit davon betroffen sein.»

Momentan kann niemand abschätzen, wann die Reisebeschränkungen weltweit gelockert werden und die vielen Teammitglieder aus Asien und Amerika wieder ins Flugzeug steigen können. Und in Europa werden die Grenzen auch noch eine ganze Weile dicht hat bleiben.

«Die Schulen werden früher wieder geöffnet werden als die Grenzen», sind sich die Virologen einig.

Aki Ajo verfolgt die Situation weltweit mit höchster Aufmerksamkeit.
Wird der bisherige Slogan «Entweder fahren wir alle oder keiner» für den Rest der Saison Bestand haben? Was passiert, wenn einzelne Fahrer aus Asien oder Amerika monatelang nicht fliegen dürfen, nachdem in Europa irgendwann im Frühsommer in vielen Ländern bereits ein Abflachen der Kurve verzeichnet wurde.

«Es ist normal, dass man in außergewöhnlichen Situationen wie dieser Coronakrise Kompromisse eingehen muss», ist sich Ajo bewusst. «Wenn 30 oder 40 Prozent der Teams nicht reisen können, lässt sich die Meisterschaft nicht so einfach fortführen. Aber wenn nur einzelne Personen und Teams fehlen, muss man sich zu Kompromissen durchringen. Ich blicke zum Beispiel auf mein Team. Wenn da nur einzelne Mitarbeiter ausfallen, müssten wir uns trotzdem bemühen, die Weltmeisterschaft durchzuziehen.»

Ajo weiter: «Meine Mannschaft besteht aus ca. 31 Mitarbeitern, inklusive der Fahrer. Momentan sind in erster Linie die Büroangestellten an der Arbeit. Die Techniker können jetzt zwar etwas Bürodienst machen, aber das Material befindet sich weiter in Doha. Deshalb haben die Mitarbeiter, die nur zu den Rennen kommen oder auch im Workshop tätig sind, momentan kaum Arbeit. Im Augenblick ist in erster Linie die Administration beschäftigt, das Management und die Koordinatoren. Auch Sohn Niklas ist mir in dieser Zeit eine große Hilfe. Wir müssen Arrangements für die Zukunft treffen und viel Papierkram erledigen. Unsere Firma ist natürlich immer noch in Betrieb, auch wenn die Reisetätigkeit und der Rennbetrieb wegfallen. Unsere Company muss ihre Verantwortung wahrnehmen.»

Aki Ajo kann bisher nicht sagen, wie lange er seine 30 Mitarbeiter bezahlen kann. «Wir werden sehen. Ich habe da noch nichts entschieden. Wir müssen zuerst klare Informationen bekommen, wann es weitergeht in der WM und wie viele WM-Rennen wir zustande bringen. Bisher sind in den zwei kleinen Kategorien keine Rennen abgesagt, es sind nur drei verschoben. Also kann ich meine Pläne vorläufig nicht großartig ändern. Bisher zahlen wir die Löhne weiter.»

Ajo kann bisher auch nur beurteilen, ob es bei den Zahlungen der Sponsoren zu Ausfällen kommen wird und in welcher Höhe sich diese Einnahme-Einbußen widerspiegeln würden. «Selbst wenn wir mit dem Saisonstart zwei oder drei Monate Verspätung haben, können die Sponsoren ihre Zahlungen leisten, falls wir den Großteil der Grand Prix oder sogar alle Events abwickeln können. Dann sollten die Änderungen nicht eklatant ausfallen; dann sollte die finanzielle Situation normal sein. Wenn es keine Absagen gibt, sondern nur Verschiebungen, wird sich meiner Ansicht nach nicht viel ändern. Jetzt müssen wir abwarten, ob es endgültige Absagen gibt und ob wir die meisten Grand Prix retten können. Natürlich bereiten wir uns auch auf Absagen vor. Vorläufig vertraue ich jedoch darauf, dass wir keine Absagen hinnehmen müssen.»

«Wir Teambesitzer müssen jetzt Geduld haben. Irgendwann wird bei der Dorna mehr Klarheit herrschen. Dann werden sie uns mitteilen, wie sich Dorna und FIM den weiteren Verlauf der Meisterschaft vorstellen», seufzte der sichtlich bedrückte finnische Teamchef.

Der aktuelle Motorrad-GP-Kalender 2020

08. März: Doha/Q (ohne MotoGP
03. Mai: Jerez/E
17. Mai: Le Mans/F
31. Mai: Mugello/I
07. Juni: Barcelona/E
21. Juni: Sachsenring/D
28. Juni: Assen/NL
12. Juli: KymiRing/SF
09. August: Brünn/CZ
16. August: Red Bull Ring/A
30.
August: Silverstone/GB
13. September: Misano/I
27. September: Aragón/E
04. Oktober: Buriram/TH
18. Oktober: Motegi/J
25. Oktober: Phillip Island/AUS
01. November: Sepang/MAL
15. November: Texas/USA
22. November: Las Termas
29. November: Valencia/E

Diesen Artikel teilen auf...

Mehr über...

Siehe auch

Kommentare

Dr. Helmut Marko: «Wir wissen, was zu tun ist»

Von Dr. Helmut Marko
Red Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko blickt in seiner SPEEDWEEK.com-Kolumne auf die Saison zurück und erklärt, wie sich Max Verstappen weiter verbessern konnte. Und er sagt, warum wir uns auf 2025 freuen dürfen.
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • So. 22.12., 19:13, ServusTV
    Servus Sport aktuell
  • So. 22.12., 20:30, SPORT1+
    Motorsport: Michelin Le Mans Cup
  • So. 22.12., 20:55, SPORT1+
    Motorsport: Michelin Le Mans Cup
  • So. 22.12., 21:15, Hamburg 1
    car port
  • So. 22.12., 21:20, SPORT1+
    Motorsport: European Le Mans Series
  • Mo. 23.12., 00:00, Eurosport 2
    Motorsport: 24-Stunden-Rennen von Le Mans
  • Mo. 23.12., 01:30, Hamburg 1
    car port
  • Mo. 23.12., 01:45, Motorvision TV
    Car History
  • Mo. 23.12., 03:55, Motorvision TV
    On Tour
  • Mo. 23.12., 04:50, SPORT1+
    Motorsport: European Le Mans Series
» zum TV-Programm
6.762 20111003 C2212054515 | 6