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Tom Lüthi: «In Spielberg klare Fortschritte gemacht»

Von Günther Wiesinger
Tom Lüthi ging als Titelkandidat in die Moto2-WM, jetzt ist er WM-Zwölfter. Aber er schöpfte beim Steiermark-GP viel Zuversicht. «Ich habe den Sieger immer vor mir gesehen.» Und: «In Misano rechne ich mit viel Grip.»

Tom Lüthi hat die Moto2-WM in den Jahren 2016 und 2017 auf dem zweiten Rang beendet, 2018 durchlitt er bei Marc VDS in der MotoGP-WM eine schmachvolle und punktelose Saison, ehe er 2019 mit Rang 3 in der Moto2-WM bei Dynavolt Intact-GP-Team wieder frischen Tritt fasste.

Da die beiden WM-Ersten Alex Márquez (bei Repsol-Honda) und Brad Binder (bei Red Bull KTM) den Sprung in die MotoGP-Klasse schafften, durften sich das Intact-Team aus Memmingen und Tom Lüthi berechtigte Hoffnungen auf den Titelgewinn 2020 machen.

Doch nach 6 von 15 Rennen fällt die Zwischenbilanz ernüchternd aus. Der 33-jährige Routinier hat bisher nur einen fünften Platz als bestes Ergebnis (Spielberg-2-) vorzuweisen, dazu zwei siebte Ränge und einen zehnten Platz beim Auftakt in Katar am 8. März. Auf WM-Leader Luca Marini fehlen bereits uneinholbare 52 Punkte. Selbst der WM-Dritte Jorge Martin liegt 44 Punkte vor dem Schweizer.

Dabei hat Tom Lüthi den Moto2-Test im Februar klar dominiert. Eine wirklich plausible Erklärung für das schwache erste Saisondrittel hat der 125-ccm-Weltmeister von 2005 und 17-fache GP-Sieger bisher nicht gefunden.

Mitunter wurde Kritik an Crew-Chief Michael Thier laut, der seit dem Saisonstart 2019 bei Tom Lüthi unter Aufsicht von Technical Director Jürgen Lingg für die Technik zuständig ist.

Doch der erfahrene Allround-Techniker Lingg lässt nichts über Michael Thier kommen. «Viele Teams kennen Michael aus seiner Kalex-Zeit, sie wissen, was er kann. Das ist ein cleverer Kerl. Er war schon in den Jahren, als Tom mit Crew-Chief Gilles Bigot zweimal WM-Zweiter wurde, im Schweizer CGBM-Moto2-Team in der Box für Tom für den Kalex-Support zuständig. Tom hat 2019 mit Michael den Titel nur um zwölf Punkte verloren. So knapp war er in der Moto2-WM in zehn Jahren noch nie dran… Das sagt alles.»

Tom, beim Jerez-Test im Februar hast du die Bestzeiten locker aus dem Ärmel geschüttelt. Warum hat seither nichts mehr wirklich funktioniert?

Ja, eine wirklich endgültige Erklärung kann ich dazu bisher nicht geben. Ich kann nur festhalten, dass wir in Jerez viel Grip und mit 25 bis 30 Grad Asphalttemperatur erstklassige Verhältnisse hatten. Dann kamen wir zum Katar-Test und konnten diese Performance nicht annähernd wiederholen.

Am Schlimmsten war es dann im Juli bei den beiden Grand Prix in Jerez, wo wir bis zu 62 und 65 Grad Asphalttemperatur hatten.

Wir haben dann viel probiert, aber erst zwischen Spielberg 1 und Spielberg 2 klare Fortschritte machen können. Aber dort ist auch der Grip von der Strecke besser gewesen, was uns sicher irgendwo geholfen hat.

Du hättest 2019 die WM gewinnen können. Du bist bei den ersten sieben Rennen viermal aufs Podest gefahren, du hast in Texas gewonnen. Aber dann folgten acht Rennen ohne Podest. Du hast dich mit dem neuen Dunlop-Hinterreifen nicht anfreunden können. Das verdarb dir die Titelchance.

Ja, genau, das war letztes Jahr ein Problem mit dem Hinterreifen.

Andere Teams wie Marc VDS haben diese Umstellung besser bewerkstelligt. Alex Márquez hat dann plötzlich ein Rennen nach dem anderen gewonnen. Oder kann das auch am Fahrer liegen?

Es ist immer eine Kombination. Der Fahrer muss schlussendlich das Vertrauen vor allem zum Vorderrad haben, damit er schnell fahren kann. Das muss funktionieren, dazu braucht es sicher irgendwelche Einstellungen vom Motorrad her. Klar, der Fahrer muss auch reagieren und sich schnell anpassen. Es liegt nie am Fahrer oder Motorrad allein.

Und natürlich machen auch wir Fahrer Fehler. Wir sind auch Menschen.

Es ist geht immer um die Zusammenarbeit mit dem Team, das gegenseitige Vertrauen wächst, und umso besser werden die Rundenzeiten.

Hast du dir 2020 beim Auftakt in Katar zu viel Druck gemacht, weil die beiden WM-Ersten von 2019 weg waren und du als logischer Favorit angetreten bist? Aber diese Milchmädchenrechnung geht nie auf, weil immer neue Talente zum Vorschein kommen.

Ja, richtig. Das ist immer das gleiche Thema. Man kann es nie so betrachten, dass man als WM-Dritter automatisch vorne fährt, wenn die zwei Besten des Vorjahres fehlen.

Und logisch, nach dem Jerez-Test habe ich mir viel erhofft. Das ganze Team war sehr motiviert, und wir sind es immer noch. Die Erwartungen waren hoch.

Als es in Katar nicht so gut gelaufen ist, sind wir natürlich etwas nervös geworden. Ganz klar. Das ist logisch.

Man kann Tests und Grand Prix nie vergleichen, bei den Tests fährt man von 10 bis 18 Uhr und kann viel probieren. Bei den Rennen bricht schon Hektik aus, sobald das FP1 nicht gut läuft?

Ja, genau, bei den Tests hat man mehr Zeit. Das ist richtig. In Katar war das sicher das Problem. Dort sind wir nervös geworden. Ja.

Im Vorjahr hat deine Durststrecke acht Rennen gedauert. So viel Zeit hast du jetzt nicht mehr.

Es gibt keine Ausreden, ganz klar. Wir müssen weiterarbeiten. Wir haben in Spielberg-2 einen guten Schritt gemacht. Das ist ein anständiges Rennen gewesen, ich war fast in Schlagdistanz zu den Siegern. Ich habe den Sieger das ganze Rennen über gesehen.

Das beweist, dass wir nicht weit weg waren. Ich habe in 25 Runden nur 3,2 Sekunden verloren.

Jetzt haben wir zwei Rennen in Misano, dort ist die Strecke neu asphaltiert worden. Ich bin auf diesem Belag noch nicht gefahren. Aber ich habe gehört, dass er viel Grip bietet. Das könnte uns zugute kommen.

Moto2-WM-Stand nach 6 von 15 Rennen:

1. Marini, 87 Punkte. 2. Bastianini, 79. 3. Martin, 79. 4. Nagashima, 68. 5. Bezzecchi, 65. 6. Lowes, 59. 7. Vierge, 46. 8. Canet, 43. 9. Gardner, 41. 10. Roberts, 39. 11. Schrötter, 37. 12. Lüthi, 35. Ferner: 22. Aegerter, 4.

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