Sandro Cortese: «Ich will nur gesund werden»
Sandro Cortese nach dem Crash in Portimão
Sandro Cortese durfte vor zwei Tagen die Spezialklinik im bayerischen Murnau verlassen. Er erholt sich jetzt daheim in seiner Wohnung in Illerbachen bei Berkheim von den Strapazen der letzten Wochen und wird dort von Freundin Alina und seiner Familie bestens gepflegt und betreut.
Der Kawasaki-Pilot aus dem Team Outdo von Lucio Pedercini hatte sich nach einer Kollision mit Tati Mercado in der letzten Runde des SBK-Rennens in Portimão am 8. August beim Einschlag in die Begrenzungsmauer den siebten Rückenwirbel zertrümmert.
Der demolierte siebte Wirbel wurde operiert und mit Streben und Schrauben zusammengeflickt. Und um die nötige Beweglichkeit im Rücken zu erhalten, wurden die benachbarten Rückenwirbel 5, 6, 8 und 9 fixiert. «Damit der beschädigte Wirbel in Ruhe genesen kann», erklärte Sandro Cortese im Interview mit SPEEDWEEK.com. «Er sollte nach drei oder vier Monaten soweit stabil sein. Die Strebe im Rücken ist echt groß. Das ganze Metall muss sechs bis acht Monate im Rücken drin bleiben. Ich spüre die Streben und Schrauben, auch weil ich null Fett im Rücken habe, die Nachwirkungen der Verletzungen und der Operation müssen erst verheilen. Dann kann ich wieder Muskulatur aufbauen. Ich wurde in Murnau auch noch am Knie operiert, denn das Außenband war gerissen. Deshalb muss ich das Knie nach der OP noch sechs Wochen schonen. Ich darf es nicht belasten. Mein Alltag besteht aus Sofa, das Essen ist im Moment das Highlight», lachte Sandro, der sich schon wieder wesentlich besser gelaunt und zuversichtlicher anhört als vor zwei Wochen. «Dazu war eine Fraktur am Knöchel, die behandelt werden musste. Vor allem bin ich jetzt wieder daheim. Klar, die vier Wochen im Krankenhaus in Faro und in der Klinik in Murnau waren notwendig, damit alles kontrolliert wird und ich in einem stabilen Zustand bin. In zirka drei Wochen komme ich in eine Reha-Klinik. Wo diese sein wird, diese Entscheidung steht noch aus.»
«Im Moment will ich nur gesund werden. Ich beklage mich nicht, denn die Schmerzen werden vorbeigehen», meinte der zweifache Motorrad-Weltmeister. «Und mit der Reha und dem Training wird alles wieder gut. Die Ärzte meinen, der siebte Wirbel sollte nach drei bis vier Monaten soweit stabil sein.»
Sandro, der Moto3-Weltmeister von 2012 (auf Red Bull Ajo KTM) und Supersport-Weltmeister von 2018 (Kallio Yamaha), hat sich zum zweiten Mal innerhalb von 13 Monaten seit Silverstone im Juli 2019 (damals linkes Schultergelenk demoliert) schwer verletzt. Auch damals kam er unverschuldet zu Sturz.
Cortese hat eine vollständige Erinnerung an den Zusammenstoß mit Mercado im Samstag-Rennen in Portimão, wo das Unheil mit einem Crash in der «out lap» im FP2 begann. «Ich weiß noch alles. Tati Mercado hat sich in der fünftletzten Kurve in der letzten Rennrunde verbremst, er ist ein bisschen geradeaus gefahren. Wir lagen außerhalb der Punkteränge, es ging eigentlich um nichts mehr. Ich habe ihn überholt, er hatte jedoch mehr Schwung und wollte mich von außen wieder zurücküberholen. Man kennt diese Stelle in Portimao vom Fernseher, man macht dort einen Wheelie, bevor es den Berg runtergeht. Er ist mir dann ins Motorrad gefahren. Als mein Vorderrad wieder Bodenkontakt bekam, hat es mir den Lenker verrissen, ich bin rechts weg und mit zirka 130 km/h in die Betonmauer rein. Es war wirklich eine ungesicherte Betonmauer!»
«Seit dem Unfall habe ich eine sehr, sehr harte Zeit durchgemacht», räumte Sandro ein. «Es wurden in Murnau sehr viele Tests gemacht, um Sachen auszuschließen, was passieren könnte. Man musste sichergehen, wie es behandlungstechnisch weitergeht.»
«Von den Messungen der Nervenströme war es Stand letzte Woche so, dass alles funktioniert. Ich spüre meine Beine, das Rückenmark ist heil geblieben. Man hat bei den ganzen Untersuchungen und Tests auch gesehen, dass die Nerven an der verletzten Stelle einen Schlag gekriegt haben, man sieht Einblutungen. Das spüre ich natürlich auch. Ich habe viele Stellen, besonders links am Körper, die noch taub sind. Das Gefühl ist überall vorhanden, aber es ist nicht so, wie es sein sollte. Die Ärzte haben mir mitgeteilt, das kann bis zu drei, vier Monate dauern, bis sich der Körper wieder normal anfühlt. Die Ärzte haben mir aber auch versichert, selbst wenn ich jetzt Schmerzen spüre, soll ich froh sein, denn die Schmerzen werden vergehen. Und wenn ich keine Schmerzen hätte, wäre das viel schlimmer, denn dann wäre ich gefühllos.»
«Mehrere Ärzte haben mir gesagt, dass ich extrem viel Glück hatte. Ein paar Grad mehr vom Winkel beim Einschlag, dann wäre das viel, viel schlimmer ausgegangen. Dank meinem Körper und der Fitness, die ich hatte, hat mein Körper viel Wucht des Einschlags absorbiert», schilderte der 30-jährige Berkheimer. «Wenn ich nicht so viel Fahrrad gefahren wäre, wenn ich nicht so einen muskulösen Körperbau gehabt hätte und so ein großes Lungenvolumen, dann hätte es ganz schlimm ausgehen können. Ich hatte extrem viel Blut in den Lungen. Ein Normalsterblicher hätte allein dieses Problem gar nicht überlebt. Daher danke ich Gott im Nachhinein jeden Tag dafür, dass ich noch lebe und nicht im Rollstuhl sitze. Es war wirklich knapp.»