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Tom Lüthi: «Lebensgeister sind wieder erwacht»

Von Günther Wiesinger
Dr. Marc Mettler mit Tom Lüthi

Dr. Marc Mettler mit Tom Lüthi

«Wir haben das Ellbogengelenk gut rekonstruieren können», erklärte Dr. Marc Mettler, der Tom Lüthi operiert hat.

«Es hat nach diesem schweren Unfall einige Zeit gedauert, bis meine Lebensgeister und die Motivation wieder zurückgekehrt sind», räumte der Schweizer Moto2-Pilot Tom Lüthi (26) am Freitag bei einem Treffen mit Journalisten im Fitnesszentrum «Aemmefit» in Lützelflüh im Emmental ein. «In den ersten Tagen wollte ich gar nicht ans Motorradrennfahren denken... Diese Verletzung war schwer zu verkraften. Wir hatten bei den ersten zwei Tests eine super Saisonvorbereitung gemacht; auch das Konditionstraining im Winter mit meinem Personal Trainer Roman Blaser war sehr gut. Es hat alles gepasst. Beim letzten IRTA-Test ab 18. März in Jerez wollten wir mit der neuen Suter noch das Feintuning machen. Dann dieser Unfall! Mir war gleich bewusst, dass es mich am rechten Ellbogen schlimm erwischt hat. Ich wollte so rasch wie möglich zurück in die Schweiz zu Dr. Marc Mettler. Ich wusste, bei ihm bin ich in guten Händen. Aber ich war arg mitgenommen, denn ich habe auch eine Gehirnerschütterung erlitten. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich zu Fuss zum Krankenwagen gegangen bin. Das habe ich erst auf den Fotos gesehen. Durch die Gehirnerschütterung ging es mir im Spital tagelang schlecht, ich hatte Kopfweh und Mühe beim Essen...»

Tom Lüthi, der zweifache Moto2-GP-Sieger (Sepang 2011, Le Mans 2012), will jetzt nicht mehr an seine Titelchancen denken. Er weiss, dass das Interwetten-Team demnächst einen Ersatzfahrer (Gino Rea?) für den Jerez-Test nominieren wird.

«Ich muss jetzt Geduld haben. Der wichtigste Punkt ist, dass ich wieder fit werde. Ich bewege den rechten Ellbogen von Tag zu Tag mehr. Aber ich darf nicht übertreiben», weiss der Schweizer. «Ich kann gar nicht sagen, wie viele Stunden Therapie und Reha ich jetzt am Tag mache. Denn das hört ja nicht auf, wenn ich daheim auf dem Sofa sitze. Jetzt ist Arbeit angesagt! Aber die Reha braucht Zeit. Es ist schwer zu sagen, wann ich wieder fahren kann. Klar, am liebsten würde ich beim Saisonstart in Katar wieder antreten. Aber ich muss die Realität sehen. Und ich muss 100 oder besser 110 Prozent fit sein, wenn ich wieder auf die Rennmaschine steige. Alles andere wäre zu gefährlich.»

Lüthi machte mental eine schwierige Zeit durch

«Ich habe ein erfahrenes Team, eine erstklassige medizinische Betreuung und mit Manuel Deucher und Roman Blaser die optimale Unterstützung für die Physiotherapie und für das Aufbautraining», ist sich der letztjährige WM-Vierte bewusst. «Die erste Phase nach der Operation war mental schwierig für mich. Aber jetzt sehe ich Fortschritte. Ich kann den Ellbogen noch nicht belasten, aber die Mobilisierung macht Fortschritte, seit die Schwellung zurückgegangen ist. Der Ellbogen wird beim Comeback das Hauptthema sein, ganz klar. Wir müssen die Beweglichkeit so bald wie möglich wieder hinbekommen.»

Dr. med. Marc Mettler wird am Montag Lüthis rechte Schulter operieren und zeigte am Computer alle Röntgenbilder her. «Wir haben nach Toms Eintreffen im Spital in Münsingen sofort eine Computer-Tomografie gemacht und gesehen, dass das Gelenk zerstört war», schilderte der Chirurg. «Es waren sämtliche Gelenksteile abgebrochen. Das Gelenk war vor der OP nicht mehr funktionsfähig. Durch die Durchblutungsstörungen war das Gewebe sehr stark angeschwollen. Man nennt das ‹compartment syndrome›.»

Dr. Mettler musste Tom Lüthi schonend beibringen, dass es in dieser Situation keine Wunderheilung gibt. «Bei Frakturen ohne Gelenksbeteiligung kann ein Pilot nach einer Operation innerhalb weniger Tage wieder Rennen fahren», stellte Dr. Mettler fest. «Aber eine Gelenksfraktur braucht seine Zeit. Tom war in einer bedrohlichen Situation, als er bei uns eingeliefert wurde. Wenn Muskeln nicht durchblutet werden, können bleibende Schäden entstehen. Die Muskulatur ist ein kontraktives Element. Bei mangelnder Durchblutung kann es zu einem Funktionsverlust und bleibenden Schäden kommen. Man hätte Tom nicht noch einen Tag in diesem Zustand mit diesem Arm lassen können, der aussah wie ein aufgepumptes Rohr. Davon abgesehen war es für Tom auch sehr schmerzhaft. Aber wir haben das Gelenk bei der OP gut rekonstruieren können. Wir haben Tom wieder eine gute Funktion ermöglicht. Wir haben in den fünf Stunden alle Puzzlesteine sorgfältig zusammengefügt.»

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