MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

Stefan Dörflinger: Dank Damenstrümpfen zur Weltklasse

Von Günther Wiesinger
Beim Sachsenring-GP wird der Schweizer Stefan Dörflinger (70) von der Dorna in die virtuelle «Hall of Fame» der MotoGP-Legenden aufgenommen. Er war ein König der 50-ccm-Klasse – und gewann vier WM-Titel.

Stefan Dörflinger, der vierfache Motorrad-Weltmeister (2x 50 ccm und 2x 80 ccm), zählte zu seiner Zeit neben Stars wie Angel Nieto, Jorge Martinez, Eugenio Lazzarini und Ricardo Tormo zu den Stars der Schnapsglasklasse. So nannte sich die 50-ccm-Kategorie, weil ihr Kolben die Größe eines Schnapsglases hatte. Die Motoren leisteten 23 PS und drehten bis 16.000/min. «Das nutzbare Leistungsband bewegte sich zwischen 14.000 und 16.000/min», erinnert sich der 18-fache GP-Sieger, dem im Winter in Basel ein künstliches linkes Kniegelenk eingesetzt wurde.

«Man hätte die WM-Punkte auch auf dem Prüfstand vergeben können», meinte der deutsche 50-ccm-Pilot Herbert Rittberger 1975 nach seinem Sieg in Spa-Francorchamps. «Denn auf dieser Vollgasstrecke musste ich mit der 50er auf einer Runde nur zweimal das Gas zudrehen.»

«Steffi» Dörflinger kann über diese Aussage heute schmunzeln. «Das war eine leichte Untertreibung. Viermal musste man das Gas damals auf der mehr als 14 km-langen Piste schon zudrehen», meint er lachend.

Während viele Rennfahrer-Kollegen nach ihrer Karriere als Funktionäre, Mechaniker, Teammanager oder Teambesitzer ihr Dasein fristen, hat Stefan Dörflinger nach dem Ende seiner Laufbahn 1990 nur noch einen Grand Prix besucht. «Das war 2004 in Valencia, als die Strecke dort auf Ricardo Tormo Circuit umbenannt worden ist und mich der Veranstalter eingeladen hat», erinnert sich der 70-jährige.

Dörflinger betrieb nach seiner Laufbahn in Basel in der Nähe des St. Jakob-Stadions fast 20 Jahre das Motorradbekleidungsgeschäft «Moto Spirit». «Mit 67 Jahren habe ich damit aufgehört. Ich habe die Rennen immer im Fernsehen angeschaut und mache das bis heute. Mich interessieren alle Klassen und eigentlich alle Fahrer, wobei ich auf die Schweizer natürlich ein besonderes Auge habe. Das ist ja klar. Aber die Wochenenden habe ich im Sommer lieber mit meiner Frau Corinne auf unserem Hausboot verbracht, das seit 25 Jahren in einem Privathafen in Frankreich liegt. Im Prinzip ist das ein Wochenendhaus auf dem Wasser, ca. 180 km von Basel entfernt. Irgendwann dachte ich, ich kenne ja kaum mehr jemand im Fahrerlager… Also bin ich daheim geblieben.»

Der vierfache Weltmeister hält auch keinen Kontakt zu anderen Schweizer GP-Fahrern seiner Generation. «Nur mit Rolf Biland habe ich ab und zu noch Kontakt.»

Stefan Dörflinger wurde in Nagold im Schwarzwald geboren, er wuchs dort in Mosbach mit Vater Otto und Mutter Gerda auf, mit zehn Jahren übersiedelte die Familie in die Schweiz. «Meine Mutter kommt ursprünglich aus Frankenberg in Sachsen. Sie ist im Krieg vor den Russen geflüchtet. Wenn ich jetzt auf dem Sachsenring geehrt werde, bin ich quasi ein Einheimischer», schmunzelt Stefan. «Ich bin ein halber Ossie... Mein Vater war ein handfester Schwabe.»

Die Eltern betrieben in der Schweiz bald eine Firma, die Damenstrümpfe erzeugte. Über Vater Otto, der früher selbst Motorradfahrer war («Aber nicht rennmäßig») kam Dörflinger über einen Nachbarsohn in Kontakt mit dem Motorradverein «Töffclub Nord-Süd», dem auch Werner Pfirter angehörte, der später in der Klassen 250 und 350 ccm zu den weltbesten Privatfahrern gehörte. «Pfirter ist zuerst Schweizer Meister geworden, dann durfte er Grand Prix fahren. In Salzburg ist er im 350er-Rennen einmal auf Platz 2 hinter Agostini gelandet», erinnert sich Dörflinger. «Auch mit der 250er hat er zwei zweite GP-Plätze errungen.»

Doch Pfirter kam mit seinem Mechaniker bei der Heimreise vom WM-Finale 1973 in Jarama/Spanien bei einem Autounfall ums Leben, als sie von einem entgegenkommende Fahrzeug frontal gerammt wurden. 

«Nach Werner haben noch zwei, drei weitere junge Clubmitglieder mit dem Rennfahren begonnen, unterem anderen ich.
«Wenn mich manche Veranstalter anfangs nicht mitfahren lassen wollten, hat sie mein Vater mit Damenstrümpfen bestochen. Er hat ihnen einfach ein Pack Damenstrümpfe geschickt.»

«Ich habe 1970 in der 50-ccm-Klasse in der Debütantenklasse in der Schweizer Meisterschaft begonnen, weil es die preisgünstige Klasse war. Man konnte bei Kreider erste Tuningkits kaufen. Obwohl ein Sechs-Gang-Motor schon damals 12.000 Franken gekostet hat. Zum Glück habe ich als Laborant damals einen guten Job gehabt und das nötige Geld verdienen können», erinnert sich der Ex-Weltmeister.

1973 bestritt Dörflinger die ersten Grand Prix, er war immerhin schon 24 Jahre alt. Das Talent kam bald zum Vorschein. «Beim dritten WM-Rennen in Jugoslawien bin ich schon Dritter geworden.»

Stefan Dörflingers Titelgewinne:

1982: 50-ccm-Weltmeister auf Kreidler
1983: 50-ccm-Weltmeister auf Krauser
1984: 80-ccm-Weltmeister auf Zündapp
1985: 80-ccm-Weltmeister auf Krauser

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