MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

Crash-Fest: Wenn der Spaß weniger lustig ist

Kolumne von Michael Scott
Moto3-Weltmeister Pedro Acosta hatte auch in Assen Glück

Moto3-Weltmeister Pedro Acosta hatte auch in Assen Glück

SPEEDWEEK.com-Kolumnist Michael Scott nahm die jährliche Sturzstatistik der MotoGP-WM zum Anlass, um sich nach einem schwierigen Jahr Gedanken zur Sicherheit im Motorradrennsport zu machen.

Von einem Motorrad zu fallen ist nicht lustig. Und auf gewisse Weise ist es das doch. Vorausgesetzt, man kann sich gleich wieder aufrappeln, den Staub abklopfen und weitermachen.

Wer daran zweifelt, muss sich nur das «Flying W»-Segment des Klassikers «On Any Sunday» anschauen und sich so den schwarzen Humor in Erinnerung rufen. Oder sich so manche Geschichte an der Bartheke anhören.

Vor einer Weile schrieb ich ein Stück, in dem ich auf die lustige Seite der jährlich veröffentlichten Crash-Statistik hinwies, und wurde dafür gerügt. «Wie kann Herr Scott es wagen, über Leute zu lachen, die alles riskieren, um uns Fans zu unterhalten.»

Ich verstehe den Einwand. Dazu zwei Anmerkungen von mir: Erstens lache ich nur, wenn auch das Opfer lacht – was öfter der Fall ist, als man glauben mag. Zweitens fahren sie keine Rennen, um uns Fans zu unterhalten. Sie haben ihre eigenen Gründe. Wir dürfen einfach nur zuschauen.

Ich schaue also in meinen Posteingang – und da ist sie, die jüngste Aussendung von motogp.com: Die Sturz-Bilanz 2021. Ich klicke mich eine gute halbe Stunde durch die Statistik.

950 Stürze wurden 2021 verzeichnet, das sind mehr als die 722 des Vorjahres – als allerdings nur 15 Grand Prix (und 14 für die MotoGP) stattfanden – aber zum Glück weniger als die 1126 von 2017.

Außerdem fällt auf, dass Marc Márquez mit 22 Stürzen ganz weit oben zu finden ist, obwohl er fünf Grand Prix verpasst hat. Nur KTM-Pilot Iker Lecuona übertrumpfte ihn in der unrühmlichen Wertung des Crash-Königs (26 Stürze).

Humor ist 2021 aber fehl am Platz. Es war ein ziemlich schreckliches Jahr.

Das Schicksal schlug in den Klassenzimmern von Dornas «Road to MotoGP»-Programm zu, wo das Mindestalter 2021 mit der «FIM MiniGP World Series» auf zehn Jahre gesenkt wurde. Die Kids sind dort mit 155-ccm-Ohvale-Bikes auf Kartbahnen unterwegs, die Serie reihte sich als Einstiegsstufe unter den verschiedenen Nachwuchsklassen ein – Moto3-Junioren-WM, Red Bull MotoGP Rookies Cup und die nationalen Talent Cups.

Typisch für die Rennen dieser Kategorien sind – wie in der Moto3-WM – 15-köpfige Gruppen, die sich im Rennen dich aufeinander gedrängt auf Messers Schneide bewegen. Das ist angsteinflößend. Wenn einer stürzt, ist es ein glücklicher Zufall, wenn er nicht einige seiner Kollegen mit sich reißt. Was dann passiert, ist vom puren Glück abhängig. Wie durch ein Wunder blieben Pedro Acosta, Jeremy Alcoba und Andrea Migno im Moto3-Sprintrennen auf dem COTA unverletzt, als sie auf der Gegengerade abflogen.

Es ist aber nicht immer so.

2021 verloren wir den 19-jährigen Jason Dupasquier, das Schweizer Moto3-Talent verunglückte im Qualifying des Italien-GP in Mugello; den 14-jährigen Hugo Millán im European Talent Cup im MotorLand Aragón; den 15-jährigen Supersport-300-Piloten Dean Berta Viñales, Mavericks Cousin ließ sein Leben in Jerez.

Der Unfallhergang war jeweils ähnlich: Der Fahrer stürzte und wurde von nachfolgenden Fahrern bzw. Bikes getroffen. So passieren die meisten fatalen Rennunfälle. Es ist der eine Umstand, den die Ausrüstung nicht lindern kann.

Wie kann man diese tödlichen Gruppen aufsplitten? Würde mehr Tuning erlaubt, gäbe es größere Unterschiede, die gute Fahrer für sich nutzen könnten. Motoren mit einem schmaleren Leistungsband (wie die alten Zweitakter) wären schwieriger zu fahren und würden besseren Fahrern die Möglichkeit bieten, weniger talentierten Rivalen, die es ihm Moment schaffen mitzuhalten, entscheidend abzuhängen.

Aber das entspricht nicht der Linie, die die Dorna in den vergangenen zehn und mehr Jahren eingeschlagen hat. Standardisierung des Equipments, vor allem der Elektronik und Reifen, und Vereinfachung der Technologie – von MiniGP bis MotoGP. Wir sehen eine Generation von Motorrädern, deren Performance insgesamt sehr ähnlich ist. Genauso in der Moto2 und in den Junior-Talent-Cups.

Die äußersten Grenzen wurden zurück in den Bereich geschoben, der für Normalsterbliche noch in Reichweite ist, und es ist kein Wunder, dass wir so unglaublich enge (und oft angsteinflößende) Rennen sehen.

Es ist eine großartige Show, aber auch die Fürsorgepflicht darf nicht zu kurz kommen. Denn während es Erwachsenen zugetraut werden muss, Verantwortung für ihre eigene Sicherheit zu übernehmen, muss dies bei jenen, die noch nicht alt genug sind, um zu wählen oder strafrechtliche Verantwortung zu tragen, in Frage gestellt werden.

Eine eilig einberufene Sitzung des Permanent Bureau im Oktober bemühte sich um eine Besserung: Die wesentlichsten Änderungen bestanden in einer Anhebung des Mindestalters – beinahe quer durch die Bank (aber nicht für die Zehnjährigen im MiniGP) – und geringfügig verkleinerten Teilnehmerfeldern. Das ist zumindest etwas, auch wenn es schwer nachvollziehbar ist, dass die Moto3-Fahrer ab 2023 mindestens 18 Jahre alt sein müssen, während gleichzeitig 15-Jährige auf denselben Strecken und ähnlichen Motorrädern weitermachen dürfen.

Und danach? Vertraut man wieder auf das Glück?

Ich bin sicher, dass sich die Leser mir anschließen werden, um den hinterbliebenen Familien unser Beileid auszusprechen und den Fahrern, die noch unter Verletzungen leiden (insbesondere Marc Márquez, der mit einer Diplopie kämpft), eine schnelle Genesung zu wünschen.

Auf ein glücklicheres neues Jahr.

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