Lothar John gestorben – ein erfülltes Rennfahrerleben
Seine bildhaften Erzählungen, die zahlreichen Anekdoten aus dem über 20 Jahre langen Rennfahrerleben und seine Hilfsbereitschaft hat ihn nicht nur in Rennfahrerkreisen, sondern auch in seinem privaten Umfeld so beliebt gemacht. Er war der älteste von drei Brüder einer Motorrad verrückten Familie. Aber er war vorbelastet.
Sein Vater Willi nahm schon vor dem Krieg an Rennen und Zuverlässigkeitsfahrten in der alten Heimat Breslau teil. Der Krieg mit Flucht verschlug die Familie nach Schriesheim, ganz in der Nähe von Heidelberg. Dort lernte er Helmut Fath, den begnadeten Techniker und Seitenwagen-Weltmeister kennen, der im Nachbardorf Ursenbach wohnte. Das war sicherlich ein Schlüsselerlebnis für seine spätere Rennfahrerlaufbahn. Unvergessen ist die Schilderung mit dem Erlebnis seines ersten Rennens 1952 in Buchen im Odenwald, die auf Youtube verewigt ist.
Im Vergleich zur heutigen Epoche begann seine erfolgreichste Zeit als Rennfahrer erst im reiferen Alter mit Anfang 30. Obwohl er schon 1961 mit Platz 6 seinen ersten Punkt in der Weltmeisterschaft auf dem Hockenheimring in der Halbliterklasse sammelte, stellte sich der sportliche Höhepunkt erst Ende der 60er Jahre ein. Mehrfacher Deutscher Meister, Vizemeister in den mittleren Hubraumklassen 250 ccm und 350 ccm, Weltmeisterschaftspunkte in den Klassen von 125 ccm bis 500 ccm und Platz 9 in der
WM-Abschlusstabelle 1969 kennzeichneten die fahrerischen Qualitäten.
Zweifelsohne der Höhepunkt erlebte er mit dem zweiten Platz hinter Weltmeister Kent Andersson beim Großen Preis von Deutschland. Und selbst in der 50 ccm-Klasse wagte er in Spa-Francorchamps einen Gaststart auf einer Suzuki, die ihm sein Freund Hans-Georg Anscheidt geliehen hatte. Überhaupt war er einer der wenigen Fahrer, die
schnell mit den verschiedensten Rennmotorrädern zurechtkam.
Begonnen hatte alles mit einer BMW in der Halbliterklasse. Zunächst fuhr er mit einer getunte Stoßstangen R50 in der Ausweisklasse die notwendigen Siege und Punkte für den Aufstieg in die internationale Lizenzklasse zusammen. Dann folgte 1960 der Umstieg auf die RS 54, die legendäre Produktions-Rennmaschine des bayerischen
Herstellers. Doch bald erwies sich die BMW als nicht mehr konkurrenzfähig. Eine Norton Manx 500 kam ins Haus.
Danach liest sich die Auflistung der Rennmaschinen wie das «Who is who» der Rennmotorrad-Hersteller: Bultaco TSS 125, TSS 250, Honda CR 93, Suzuki TR 250, MZ 125, Yamaha TA 125, TD 2, TR2, TD2 und zum Abschluss wieder eine Suzuki TR 500. Die Umstellung von den einstmals erfolgreichen Viertaktern auf die schnelleren Zweitakter machten ihm keine Mühe.
Am 17. September 1933 in Breslau geboren, schaffte er den Spagat, den Beruf im elterlichen Transportunternehmen als LKW-Fahrer und Rennfahrer mit 15 bis 20 Rennen im Jahr unter einen Hut zu bringen. Dazwischen noch die Rennmaschinen auf dem höchsten Stand zu halten und mit den doch bescheidenen finanziellen Mitteln die Rennerei zu bestreiten. Jahrelang diente ein hoffnungslos überladener 30 PS-Volkswagen-Bulli als Transportfahrzeug und Wohnmobil gleichermaßen mit äußerst bescheidenem Komfort. Aber das passte zur damaligen Zeit des Continental-Rennfahrer-Zirkus.
Mit dem Tross der unzähligen Privatfahrer mit gleichen bescheidenen Mitteln aus allen europäischen und vorwiegend englischsprachigen Ländern zog die Karawane von Rennen zu Rennen, die damals fast ausschließlich als Straßenrennen in den europäischen Städten stattfanden. Denn permanente Rennstrecken im heutigen Sinne gab es nur ganz wenige. Es war auch die Zeit in der Lothar John viele seiner Rennfahrerfreunde verunglücken sah. Er selbst blieb, was er immer wieder betonte, glücklicherweise von schlimmen Verletzungen verschont.
«Auch wenn es schwerfällt, von ihm Abschied zu nehmen», erklärte seine Familie. «Mit 91 Jahren hatte er ein erfülltes und spannungsreichen Leben. Jetzt hat sich die Zielflagge gesenkt. Dein Lachen werden wir vermissen, aber deine Geschichten bleiben uns erhalten. Daran erinnern wir uns gerne.»