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Marc Márquez: Ein gereifter und würdiger Weltmeister

Von Günther Wiesinger
Weltmeister in Japan: Marc Márquez

Weltmeister in Japan: Marc Márquez

So unverhofft hat Marc Márquez noch nie einen Weltmeistertitel gewonnen. Der 23-jährige Spanier hat schon 55 GP-Siege und fünf WM-Titel erobert. Die GP-Welt liegt ihm zu Füssen.

Es ist der fünfte Titelgewinn von Marc Márquez seit 2010, aber noch nie kam ein Titelgewinn so überraschend. Denn niemand durfte vor dem Motegi-GP damit rechnen, dass seine Herausforderer Rossi und Lorenzo nacheinander stürzen würden.

Niemand kann sich auf Anhieb erinnern, wann das Yamaha-Duo im selben Rennen gestürzt ist. Und tatsächlich: Es ist in den sieben gemeinsamen Yamaha-Jahren 2008, 2009, 2010, 2013, 2014, 2015 und 2016 noch nie passiert!

Marc Márquzez hat schon viele Rekorde gebrochen. Er war der jüngste MotoGP-Sieger und der jüngste MotoGP-Weltmeister. Jetzt ist er mit 23 Jahren der jüngste Fahrer, der fünf WM-Titel gewonnen hat, er hat jetzt ebenso viele Weltmeisterschaften gewonnen wie zum Beispiel Toni Mang und Mick Doohan.

Die WM-Statistik von Marc Márquez seit 2010 ist eindrucksvoll:

2010: Weltmeister 125 ccm
2011: Vizeweltmeister Moto2 hinter Stefan Bradl
2012: Weltmeister Moto2
2013: Weltmeister MotoGP
2014: Weltmeister MotoGP
2015: WM-Dritter MotoGP hinter Lorenzo und Rossi
2016: Weltmeister MotoGP

Die Statistik rund um Marc Márquez ist eindrucksvoll. Noch eindrucksvoller aber ist die Art und Weise, wie er im Laufe dieser Saison als Rennfahrer gereift ist. Er hat seine Devise «Sieg oder Sturz» über Bord geworfen und sich als konstantester Fahrer der Saison hervor getan.

Marc hat nur einen Rennsturz abgeliefert, aber auch dort in Le Mans noch drei Punkte gerettet. Rossi hat sich in diesem Jahr nicht weniger als drei Rennstürze geleistet, dazu kam der Motorschaden im Mugello. Lorenzo hat einfach zu viele schwache Leistungen gezeigt, besonders im Regen. Rossi hat seit Mugello nicht gewonnen, Lorenzo hat seit Barcelona nie mehr das Punktemaximum geholt.

Marc Márquez hingegen hat heute bereits den fünften Saisonsieg eingefahren, er hat den Punktevorsprung auf Rossi auf 77 Punkte ausgebaut, es gibt aber nur noch 75 Punkte zu gewinnen.

Und die Fans müssen sich jetzt damit abfinden, dass auf Phillip Island, in Sepang und Valencia nur noch der zweite WM-Rang zur Debatte steht.

Marc Márquez hingegen ist auf dem besten Weg, der erfolgreichste Rennfahrer der Gegenart zu werden. Mit 23 Jahren hat er jetzt schon 29 MotoGP-Siege errungen, 55 GP-Siege insgesamt, total hat er schon 89 Podestplätze bei 147 Grand Prix abgeräumt, also hat er mehr als ein Drittel seiner WM-Rennen gewonnen und mindestens bei jedem zweiten stand er auf dem Podium.

Zum insgesamt vierten Mal seit 1999 wurde in Motegi die MotoGP-WM entschieden, Marc Márquez hat hier auch schon 2014 den Titel sichergestellt – im «Honda Land», denn die Rennstrecke gehört zum Honda-Imperium.

Sicherheitshalber hatte das Repsol-Honda-Team die Weltmeister-T-Shirts nach Japan mitgebracht, aber selbst Marc war immer der Ansicht, er könne die Entscheidung frühestens in Australien herbeiführen, zumal Rossi vom besten Startplatz losfuhr.

Marc Márquez hat sich in der Saison 2016 wie ein alter Haudegen gezeigt, er hat sich manchmal mit dritten und vierten Pläten begnügt. Und er gab oft genug nach einem Rennen zu: «Nakamoto von HRC hat mich 100 Mal gebeten, bitte bring nur das Motorrad ins Ziel. Daran habe ich mich gehalten.»

Deshalb wird sich jetzt niemand im Fahrerlager finden, der Marc nicht als würdigen und verdienten Champion bezeichnen würde.

Dabei ist es erst acht Monate her, seit das Repsol-Team ratlos beim Sepang-1-Test stand und sich über die enormen Rückstände wunderte. Honda hatte einen neuen Motor mit gegenläufiger Kurbelwelle, aber dazu die neuen Michelin-Reifen und die neue Einheits-Elektronik, die Mannschaft wirkte überfordert, die Fahrer wussten nicht, wo der Hebel zuerst angesetzt werden musste.

Niemand hätte damals einen Pfifferling auf den Titelgewinn von Marc Márquez und Honda gewettet. Aber die Experten sagten: «Wenn jemand aus diesem Schlamassel herausfindet, dann ist es Honda.»

Tatsächlich: Marc Márquez gewann das zweite Rennen in Argentinien, der nutzte dort die Gunst der Stunde, er gewann auch in Texas, er begnügte sich in Doha und Jerez mit zwei dritten Plätzen, aber er blieb in der WM durch diese Beständigkeit immer vorne dabei. Die Gegner von Yamaha gerieten unter Druck, Ducati war bald aussichtslos abgeschlagen.

Das oberste Top-Management von Honda Motor erlebte den Japan-GP live in der Repsol-Box mit.

Der Jubel kannte keine Grenzen.

Honda muss Márquez auf Händen tragen, man sollte ihm am besten einen «life time»-Vertrag geben, einen Vertrag auf Lebenszeit.

Denn ohne den glorreichen und Spanier wäre Honda hoffnungslos verloren. Das ist der kleine Wermutstropfen in dieser Erfolgsgeschichte.

Denn ausser dem Jahrhunderttalent Marc Márquez wird in diesem Jahr kein Honda-Fahrer die MotoGP-WM unter den Top-5 beenden.

Honda hätte wohl gut daran getan, rechtzeitig neue Talente wie Rins oder Viñales unter Vertrag zu nehmen und sie für die Zukunft aufzubauen. Denn Jack Miller hat sich bisher als Reinfall erwiesen, Assen-Sieg hin oder her.

Und der verletzte Dani Pedrosa hat seit 2006 bei Repsol-Honda den MotoGP-Titel nie gewonnen und wird ihn auch künftig nicht mehr für sich entscheiden.

In den letzten vier Jahren hat sich die klare, aber riskante Konzentration auf Marc Márquez für Honda gelohnt.

Zwei Siegfahrer unter einen Hut zu bringen, hat auch seine Tücken, wie man bei Yamaha sieht.

Vielleicht ist das Honda-Konzept zukunftsuaglich. Denn Rossi wird nicht jünger, und Lorenzo wird 2017 bei Ducati kein Seriensieger werden.

Also wird diese Honda-Márquez-Erfolgsgeschichte vermutlich noch ein paar Jahre weitergehen.

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