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Jonas Folger: Warum er in der MotoGP erfolgreich wird

Kolumne von Günther Wiesinger
Man muss nicht Weltmeister in der Moto3 oder Moto2 gewesen sein, um in der Königsklasse Erfolg zu haben. Bei Jonas Folger sind alle Voraussetzungen für die 1000-ccm-Klasse vorhanden.

Hand aufs Herz: Haben Sie erwartet, dass Jonas Folger bei seinem dritten offiziellen MotoGP-Test auf der Yamaha YZR M1 des Tech3-Teams in Phillip Island bis kurz vor Schluss an dritter Stelle liegen und auf der 270 PS starken 1000-ccm-Maschine regelmäßig schneller als sein Teamkollege Johann Zarco sein würde.

Nein, ich nicht, da gebe ich gerne zu, obwohl sich der Bayer schon beim Debüt auf der MotoGP-Yamaha in Valencia so wohl gefühlt hatte wie eine Ente im Wasser.

Aber vergessen wir nicht: Jonas Folger steuert eine Kunden-Yamaha des Jahrgangs 2016, wir haben in diesem Jahr sechs Werksteams von Honda, Yamaha, Suzuki, Ducati, Aprilia und KTM mit je zwei Piloten am Start, dazu Piloten wie routinierte Fahrer wie Crutchlow, Barbera, Bautista, Petrucci und so weiter.

Top-Ten-Positionen schienen für ein MotoGP-Greenhorn in einem Privatteam außer Reichweite.

Doch Jonas Folger verblüffte zuletzt mit Platz 4 beim Australien-Test.

Und ich traue ihm zu, am kommenden Wochenende (Freitag bis Sonntag) beim Nachttest auf dem Losail Circuit in Doha/Katar eine ähnliche Leistung abzuliefern.

Denn erstens strotzt der Rookie jetzt vor Selbstvertrauen, zweitens scheint ihm die Low-Grip-Piste wie auf den Leib geschneidert. Dort gewann er 2015 seinen ersten Moto2-WM-Lauf, 2916 stürzte er dort in der dritten Runde, nachdem er die Gegner in einem Anfall von Übermut in zwei Runden um 1,6 sec distanziert hatte.

Nach der Vertragsunterzeichnung bei Tech3-Yamaha im Mai 2016 meldeten sich etliche Experten wie Ralf Waldmann zu Wort, die den Klassenwechsel von Jonas Folger als verfrüht bezeichneten.

Aus verständlichen Gründen: Es gilt die verbreitete Ansicht, dass man in der Moto2-WM dominieren muss, bevor man in die Königsklasse aufsteigt. Rabat und Zarco sind nicht einmal nach ihrem ersten Moto2-Titelgewinn aufgestiegen!

Diese Meinung lässt sich aber durch die Statistik untermauern: Bradl, Márquez und Pol Espargaró haben sich als Moto2-Weltmeister rasch in der MotoGP-WM etabliert.

Aber es finden sich auch Gegenbeispiele: Casey Stoner war nie 250-ccm-Weltmister, Iannone, Redding, Aleix Espargaró, Barbera und Smith holten nie einen Weltmeistertitel, trotzdem haben sie sich in der «premier class» etabliert, während Toni Elias nach dem Moto2-Titelgewinn in der MotoGP-Klasse nichts mehr zerrissen hat.

Folger war 2015 Sechster und 2016 Siebter in der Moto2-WM. Aber da er in diesem Zeitraum nur drei Moto2-WM-Rennen gewann, sein neuer Teamkollege Johann Zarco aber 14 und dazu zwei WM-Titel, wurde der Aufsteg von Folger mit Skepsis beobachtet.

Selbst Tech-3-Teambesitzer Hervé Poncharal war im Oktober noch verunsichert. «Intact-Teammanager Jürgen Lingg hat uns gesagt, Jonas ist in erste Linie dann schnell, wenn er keinen Druck spürt, also in den freien Trainings und in den Montag-Tests», erzählte der Franzose mit spürbarer Besorgnis.

Die mangelnde Beständigkeit begleitete den hochtalentierten Folger auch durch seine gesamte WM-Zeit. In Jerez und Mugello 2014 erkämpfte Folger zum Beispiel zwei dritte Ränge auf der AGR-Kalex, aber dann sammelte er in den acht folgenden Rennen nur einen Punkt ein. Und 2015 siegte er in Doha und Jerez, aber nachher fuhr er bei sechs Rennen in Serie nie in die Top-6.

Vielleicht hat sich die geringe Erwartungshaltung vieler Experten für Jonas Folger beim MotoGP-Einstieg als überaus nützlich erwiesen.

So konnte er sich allmählich steigern, Yamaha hat mit Rossi und Viñales ohnedies zwei Titelkandidaten. Im Tech3-Team erwartete vom neuen Duo Zarco/Folger bei den Wintertests keine Wunderdinge.

Dynavolt Intact-GP-Teammanager Jürgen Lingg wunderte sich, warum Jonas Folger nach der Unterschrift beim Tech3-Team wieder in ein Tief schlitterte, ab Mai 2016 in den Qualifyings und in den trockenen Rennen oft hinter den Erwartungen blieb.

Vielleicht hatte Tech3-Yamaha-Teamchef Poncharal Folger im Mai 2016 mit Interviews stark unter Druck gesetzt. «Wir hoffen, dass wir Jonas im November als neuen Moto2-Weltmeister bei uns willkommen heißen können», posaunte er damals.

«Privatfahrer wie unsere von Tech3 kämpfen heute normalerweise um Platz 13», vermutete Hervé Poncharal dann im Juni 2016 angesichts der vielen Werkspiloten. Aber anschließend gewannen die Privatfahrer Miller und Crutchlow drei GP-Rennen...

In der MotoGP-WM und im Motorsport überhaupt können Vorhersagen recht rasch ab absurdum geführt werden; das macht die Angelegenheit so spannend.

Was kann uns 2017 Besseres passieren, als im Jahr 1 nach Stefan Bradl (immerhin 48 MotoGP-Top-Ten-Plätze in fünf Jahren) wieder einen deutschen Top-Ten-Fahrer in der Königsklasse zu haben, dazu Bradl, Reiterberger und Krummenacher in der Superbike-WM, Lüthi, Cortese und Schrötter in der Moto2, Öttl in der Moto3.

Jonas Folger ist unbestritten das größte deutsche Fahrtalent der letzten 20 Jahre, seit Ralf Waldmann würde ich sagen.

Folger brauste mit 13 Jahren in der Internationalen CEV-125-ccm-Meisterschaft in Spanien schon aufs Podest, er gewann mit 13 Jahren einen IDM-125-Lauf auf dem Salzburgring, aber er gab vor dem Aufstieg in die Moto2 offen zu, sich manchmal zu sehr aufs Talent verlassen zu haben.

Deshalb hatte Jonas bei den Spitzenteams wie Ajo und Martinez seine Chance nicht optimal genützt. Aber er raffte sich nach den Reinfällen mit MZ und Iodaracing-Emir vorbildlich wieder auf, verlegte seinen Wohnsitz für einige Jahre nach Spanien, verschärfte das Training, verbesserte sein Umfeld – und lebt zur Belohnung jetzt in der MotoGP seinen Traum.

Die Voraussetzungen sind ausgezeichnet. Die Yamaha gilt als benutzerfreundlich und ist ausgereift, das Können ist zweifellos vorhanden, der Druck hält sich in Grenzen, auch zehnte und zwölfte Plätze sind in diesem Feld für einen Rookie kein Desaster.

Heute lässt sich behaupten: Jonas Folger hat sich vollkommen richtig entschieden, als er seine erste MotoGP-Chance beim Schopf gepackt hat. Tom Lüthi und Domi Aegerter haben sie nach der Saison 2014 nicht ergriffen.

Das war ein Fehler, wie sie heute wissen.

Denn die richtige Musik spielt bei den Großen.

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