DMSB: Steinzeit-Methoden – und Bargeld lacht
Nicht alle SPEEDWEEK.com-Leser konnten unsere Rüge nachvollziehen, als wir in dieser Woche in zwei Berichten die vorsintflutlichen Bezahl-Methoden des deutschen Motorsportverbands DMSB anprangerten, besonders die hartnäckig geforderten Cash-Bezahlungen.
Aber: Selbst die in Geldgeschäften so tolerante Schweiz erlaubt keine Grenzübertritte von Personen mehr, wenn der Reisende mehr als 10.000 Franken Bargeld eingesteckt hat, so etwas führt sofort zu einer Strafanzeige. So flog zum Beispiel der Kunstsammler Gurlitt auf...
Der DMSB hingegen lebt noch in einem anderen Zeitalter. Bargeld lacht, heisst dort die Devise. Immer noch.
Stefan Bradl musste zum Beispiel für die Ausstellung seiner Superbike-WM-Lizenz extra einen Boten in die DMSB-Zentrale nach Frankfurt entsenden, der rund 1300 Euro in bar entrichtete. Sonst hätte Bradl ohne Lizenz dagestanden und hätte auf den Superbike-Saisonauftakt in Australien verzichten müssen.
Von digitalem Teufelszeug wie «electronic banking» haben die Hinterwäldler beim DMSB offenbar noch nichts gehört.
SPEEDWEEK.com hat beanstandet, dass Barzahlungen im Jahr 2017 längst ein anrüchiger Beigeschmack anhaftet. In so einem Zusammenhang ist dann rasch von schwarzen Kassen die Rede, wir kennen das von anderen Verbänden – von der FIFA bis zum DFB. Deshalb täten die Verbände heute gut daran, jeden Verdacht im Keim zu ersticken.
Da der DMSB offenbar zwischen 1992 und 2013 schon rund 2,7 Mio. US-Dollar von der FIM zweckentfremdet hat, um nicht von Veruntreuung zu sprechen, sind viele Lizenznehmer hellhörig geworden, was das Finanzgebaren des DMSB betrifft.
Wir kennen ja die einfallsreichen Ideen zur Geldbeschaffung der deutschen Motorsportbehörde seit Jahrzehnten.
Unglaublich: Die Lizenznehmer wie Stefan Bradl müssen sogar für eine Lizenzbestätigung 25 Euro zusätzlich bezahlen.
Und wie wird diese Lizenzbestätigung im Jahr 2017 übermittelt? Per Telefax. Digital steckt der DMSB also noch in den Kinderschuhen. Dabei bildet er die Sporthoheit in einem High-Tech-Geschehen.
«Lebt der DMSB noch in der Steinzeit?», fragt sich so mancher Lizenznehmer.
«Begriffe wie IBAN kennen die Experten beim DMSB auch nicht, nur den veralteten Begriff BLZ für Bankleitzahl», wundert sich ein WM-Pilot.
Einst verlangte der einfallsreiche DMSB von allen Helmherstellern hohe zusätzliche Gebühren für Helmhomologationen für Wettbewerbe in Deutschland, obwohl diese Helme längst alle EU-Normen erfüllten.
Hersteller wie Marushin klagten dagegen vor der EU-Wettbewerbsbehörde, danach versiegte diese erkleckliche Einnahmequelle für den deutschen Verband.
Bisher machen zwar viele Geschädigte die Faust im Sack, aber niemand stieg ernsthaft auf die Barrikaden. Das scheint sich jetzt zu ändern.
Selbst die prominenten Motorradasse fürchteten wohl, bei Widerstand gegen die Staatsgewalt keine Lizenz zu bekommen.
Aber: Das würde bei den WM-Profi-Piloten einem Arbeitsverbot gleichkommen, wäre also laut EU-Recht illegal. Deshalb wächst der Widerstand, auch an der Basis.
Aber: Der Fisch beginnt immer am Kopf zu stinken.
Jedenfalls scheint SPEEDWEEK.com diese Woche mit den aktuellen Storys in ein Wespennest gestochen zu haben. Zahlreiche Betroffene meldeten sich bei uns, der Unmut der Motorradsportler gegenüber dem DMSB wächst, vor allem die herablassende Haltung der DMSB-Funktionäre wird kritisiert, zumal der Verband eigentlich ein Dienstleister für alle Beteiligen sein sollte. Im Mittelpunkt der Kritik – Frau Petra Eitel.
Sie verlangt zum Beispiel von potenziellen Lizenznehmern folgende untertänige Anträge:
Hallo Frau Eitel,
Ich, Stefan Bradl, geboren am 29.11.1989 in Augsburg, möchte eine SBK Jahreslizenz bestellen.
Die Lizenzgebühr in Höhe von 1355,- € wird beim DMSB in der Hahnstraße 70 in 60528 Frankfurt bezahlt.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Bradl
Es geht einerseits darum, dass der DMSB plötzlich bei allen WM-Piloten kräftig für die Lizenzen abkassiert, obwohl die GP-Fahrer von Bradl über Cortese bis Öttl ihre GP-Lizenzen bisher ohne Zutun des kostspieligen DMSB über die Teamvereinigung IRTA direkt von der FIM erhalten haben. «Die IRTA lieferte die Lizenzen bisher für 1150 Euro an die Teams aus, die sie meistens für ihre Fahrer bezahlten», sagt Südmetall-Schedl-Teambesitzer Peter Öttl. «Vermutlich hat die IRTA diese Beträge der FIM weiter geleitet.»
2017 pfuschte der DMSB plötzlich der FIM ins Lizenz-Handwerk und stellte die Lizenzen selber aus – für einen Batzen Geld.
Es geht auch darum, dass die deutschen WM- und EM-Fahrer jetzt für bis zu drei Lizenzen (national, international, WM) zur Kasse gebeten werden, obwohl laut FIM-Reglement die nationale Lizenz in so einem Fall gar nicht in Rechnung gestellt werden darf. 299 Euro samt Pflichtversicherung verlangt der DMSB hingegen für die A-Lizenz – alles illegal, wie die Geschädigten wissen. Inzwischen wird überlegt, ob ein Rechtsanwalt eingeschaltet und eine Sammelklage eingereicht wird.
Der DMSB kennt offenbar den FIM-Paragraphen 1.10.1. nicht. Aber er ist Mitglied dieses Weltverbands... Es heisst dort klipp und klar: «... die nationale Lizenz darf keine zusätzlichen Kosten verursachen.»
Kurz gesagt: Der DMSB hat seine eigenen WM- und EM-Fahrer um jeweils 299.- Euro betrogen und illegal abgezockt. Zumindest im normalen Leben gilt: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.
Aber der DMSB lebt in seiner eigenen Welt.
Jetzt stellt sich die Frage: Wird der DMSB die unlauter erwirtschafteten Beträge auch in bar ausliefern? Können die Fahrer für die schriftlichen Bestätigungen auch 25 Euro kassieren?
Immer häufiger stellen sich die Geschädigten die Frage, ob auch andere Geschäftstätigkeiten des DMSB keine rechtliche Basis haben.
Zum Beispiel: Warum muss für jeden Auslandsstart eine Freigabe bezahlt werden? Wie ist dieses Maßnahme mit EU-Rechten wie Personenfreizügigkeit und freier Wahl des Arbeitsplatzes vereinbar? Handelt es sich hier nicht um die illegale Ausnützung einer monopolistischen Stellung? Gilt ein benachbartes EU-Land überhaupt noch als Ausland?
Inzwischen wundert sich auch Max Neukirchner, zweifacher Superbike-WM-Laufsieger, über die DMSB-Abzocke. Auch er musste für die SBK beim DMSB meistens drei Lizenzen bezahlen – trotz der ausgezeichneten Ergebnisse 2008 und 2009 gab’s für Max vom Verband keinen Promistatus. Erst als der Sachse 2011 in die Moto2-WM einstieg, kümmerte sich die Teamvereinigung IRTA um die Lizenz, der DMSB schaute durch die Finger. Er habe in seiner ganzen Karriere nie Unterstützung vom Verband erhalten, stellte Neukirchner fest.
Die erwähnten Bargeld-Geschäfte des DMSB sind beileibe keine Einzelfälle, wenn höchste Dringlichkeitsstufe gegeben ist wie bei Bradl.
Speedweek.com Leser Michael M. berichtete: «Ich habe den Bericht von den Lizenzen bei euch gelesen. Seit Längeren höre ich immer wieder, dass Fahrer aus Deutschland, die in einer ausländischen Serie starten wollen, eine Freigabe vom DMSB benötigen und für diese 105 € bezahlen müssen, egal ob es sich um ein einziges Rennen handelt oder um zehn. Aber der Hammer dabei ist: Das Geld muss immer bar in den Brief gelegt werden, Banküberweisungen sind nicht erwünscht. Mitte 2016 brauchte ich für ein Rennen so eine Freigabe und musste tatsächlich 105 € in den Umschlag stecken, so Frau Eitel vom DMSB, sonst würde nichts passieren. Nach langen Fragen und Diskussionen wurde mir versichert, ich würde eine Quittung und Rechnung bekommen, wenn ich bezahlt habe. Ich habe bis heute keine Rechnung bekommen.»
Naja, es gilt die Unschuldsvermutung. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
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