Honda-Rennchef: «Bradl und Hayden überragende Fahrer»
Die Fans, die Fahrer Nicky Hayden und Stefan Bradl, Ten Kate Racing, Hauptsponsor Red Bull und nicht zuletzt Honda haben gigantische Erwartungen an die neue CBR1000RR SP2 Fireblade. Diese wurden beim Saisonstart auf Phillip Island grausam enttäuscht.
Realistisch betrachtet konnte man nach nur fünf Wochen Entwicklungszeit kaum mehr erwarten, als die beiden Piloten in Australien gezeigt haben.
Diese Meinung vertritt auch Robert Watherston, Rennchef von Honda Motor Europe, wie er SPEEDWEEK.com im Exklusiv-Interview verriet.
Robert, im letzten Oktober hast von Siegen und sogar dem WM-Titel gesprochen. Nach dem WM-Auftakt stehen ein elfter Platz von Nicky Hayden und zwei 15. Plätze von Stefan Bradl zu Buche. Ändert das etwas an deiner Haltung?
Das war nie eine Erwartung, es ist unsere Hoffnung – das ist, was wir gerne erreichen möchten. Man kann so etwas nicht erwarten. Trotzdem wären wir enttäuscht, wenn wir dieses Jahr keine Rennen gewinnen. Wenn du genügend Rennen gewinnst, dann kämpfst du auch um den Titel. Das ist unser Ziel – und es ist schwierig zu erreichen.
Wie gehst du mit den miserablen Ergebnissen beim WM-Auftakt um?
Wir müssen nicht erörtern, dass das Material erst spät eintraf. Wir müssen mit der Situation umgehen und unser Bestes geben. Wir liegen etwas hinter dem, wo wir sein müssen.
Für Thailand kommen neue Teile, für Aragón ebenfalls, für Assen auch. Es gibt einen Entwicklungsplan, wir erwarten, dass wir das mit den Motorrädern hinbekommen.
Unsere derzeitige Plattform ist nicht so stabil, wie sie sein müsste, die Elektronik etwa. Wir hatten nicht genügend Zeit auf dem Prüfstand, um die richtigen Mappings, etwa den Verlauf der Drehmomentkurve, zu erarbeiten. Oder das neue Ride-by-wire-System. In diesen Bereichen haben wir Defizite.
Weil die Motorräder erst am 6. Januar beim Rennteam eintrafen, hättet ihr gar nichts besser machen können? In Australien fehlte euch nur 1 sec zur Spitze.
Das sehe ich auch so, das Team hat einen sehr guten Job erledigt. Man muss ja auch Dinge wie etwa die Motorverplombungen bedenken. Gewisse Sachen kannst du danach das ganze Jahr nicht mehr ändern. Und die Motoren müssen standfest sein.
Klar ist aber auch: Das war erst der Beginn. Jetzt fangen wir mit der Entwicklung richtig an. Wir liegen zurück, werden aber alles geben.
Eure Fahrer wissen das, trotzdem erwarten sie viel mehr und waren nach Australien entsprechend enttäuscht.
Die Mentalität unserer Fahrer ist großartig. Natürlich sind sie enttäuscht. Beide sind Champions, sie wollen von Anfang an um Siege kämpfen, sofort. Sie treiben uns an, das Motorrad schneller zu entwickeln. Deshalb wollen wir mit ihnen arbeiten, sie treiben uns und sich selber an, Vollgas. Beide sind herausragende Rennfahrer, wir sind es, die ihnen bislang nicht das richtige Bike geben konnten. Wenn wir das tun, werden wir ihr ganzes Potenzial sehen.
Muss sich Honda dafür entschuldigen, dass das Motorrad momentan nicht gut genug ist?
Es geht nur um Fakten. Wir wissen, wo wir stehen. Wir wissen, was kommt, damit wir besser und besser werden. Unsere Aufgabe ist es, alles Mögliche zu unternehmen, das gilt für das Team, die Fahrer und auch mich. Jeder muss sein Bestes geben.
Für Thailand kommen neue Teile. Während wir miteinander sprechen, laufen Motoren in England auf dem Prüfstand. Jeder schuftete so hart er kann, das ist die Aufgabe.
Bist du zufrieden, wie Hayden und Bradl ihre Aufgaben erledigen?
Beide sind großartig. Sie sind intelligent und verstehen, was wir versuchen zu erreichen. Sie sind über die aktuelle Lage genau so frustriert wie wir. Beide sind überragende Fahrer, Weltmeister. Jeder im Team liebt es, mit ihnen zu arbeiten. Sie hängen sich rein, sie sind sehr fokussiert. Ihnen bei der Arbeit mit den Technikern zuzuschauen, ist ein Genuss.
Nach dem Test und den Rennen in Australien gab es viele Kommentare zu den Leistungen von Hayden und Bradl. Für viele Leute ist schwer begreiflich, wie wichtig die Elektronik im Rennsport ist.
Die Elektronik spielt heute eine sehr wichtige Rolle, sie spielt einen massiven Part in dem, was die Fahrer tun. Die letzten zehn Jahre erhielt mehr und mehr Elektronik Einzug.
Abgesehen davon, dass richtig ist, was du gesagt hast, gibt es immer einen Fahrer im Team, der mit demselben Motorrad schneller ist als sein Kollege. Unterschätze deshalb nie die Wichtigkeit des Fahrers.
Der Fahrer ist nach wie vor der wichtigste Teil des Gesamtpakets.
Das heißt: So lange Nicky schneller fährt als Stefan, muss Stefan zuerst an sich arbeiten?
Die Rivalität zwischen den Teamkollegen ist wichtig. Unsere beiden Fahrer wissen, dass sie sich gegenseitig schlagen müssen, das ist ihre Aufgabe. Sie müssen aber auch zusammenarbeiten und Informationen austauschen, dann werden wir alle besser.
Für uns ist es gut, wenn sie beide die gleichen Aussagen machen. Wenn beide sagen, dass sie mehr Grip brauchen, dann kennen wir die Richtung, in die wir gehen müssen.
Die letzten drei Zehntelsekunden sind dann der Kampf zwischen den Fahrern, der entscheidet, wer letztlich an der Spitze steht.