Jorge Lorenzo: Warum er sich bei Ducati so schwertut
Jorge Lorenzo
Wird Jorge Lorenzo bei Ducati Corse 2017 und 2018 genau so jämmerlich scheitern wie Valentino Rossi 2011 und 2012, als er auf der Desmosedici nur drei Podestplätze zustande brachte, nur einen im Trockenen (Misano 2012)?
Naja, nach zwei Grand Prix lässt sich das nicht vorhersagen, denn Lorenzo hat schon ein paar Lichtblicke gezeigt.
Aber grundsätzlich hat er sich eine extrem schwierige Aufgabe aufgehalst.
Klar, die Ducati hat seit der Abwesenheit von Gigi Dall’Igna (er kam im Oktober 2013) als neuer General Manager von Ducati Corse Fortschritte gemacht. Sie bekam zum Beispiel 2016 eine gegenläufige Kurbelwelle, das Alu-Chassis wird seit 2016 bei Suter Industries in der Schweiz gebaut.
Immerhin hat die 2016-Ducati mit Iannone und Dovizioso im Vorjahr die Grand Prix in Spielberg und Sepang gewonnen.
Aber: Als Rossi nach der Saison 2010 zu Ducati stieß, hatte Casey Stoner im Herbst auch drei Rennen gewonnen – Aragón, Motegi und Phillip Island.
Trotzdem ging Rossi mit der Ducati GP10 gleich beim ersten Test in Valencia unter: Platz 17. Einen Tag zuvor hatte er die Yamaha dort (hinter Stoner!) auf Platz 3 gesteuert. Valentino ahnte von diesem Tag an – das wird nichts bei den Roten.
Bei Lorenzo sieht es ähnlich aus. Er gewann mit der Yamaha 2016 das WM-Finale, mit der Ducati stand er bei den ersten zwei Rennen 2017 auf den Startplätzen 9 und 16.
Zwischenbilanz: Fünf Punkte aus zwei Rennen.
Dabei war es zweimal trocken.
Jorge Lorenzo ist ein Meister der extrem sanften, gefühlvollen Fahrweise. Wenn man ihn auf der Yamaha an der Strecke beobachtet hat, sah alles sehr spielerisch aus, da wackelte nichts, die mustergültige Kraftentfaltung der YZR-M1-Yamaha trug dazu bei. «Mit der Yamaha ist Lorenzo wie auf Schienen gefahren und mit sehr hohem Kurvenspeed», sagt Stefan Bradl.
Die Ducati hat andere Stärken, die maximale Motorleistung und die Bremsstabilität zum Beispiel. Aber sie offenbarte schon 2016 deutliche Schwächen auf Low-Grip-Pisten wie Jerez, Barcelona und Aragón, dafür war sie auf der Power-Strecke in Spielberg unbesiegbar.
Kein Wunder also, wenn Lorenzo die widerspenstige Ducati bisher nicht gezähmt hat.
Dass sie beim Fahren am Limit einen hohen Kraftaufwand verlangt, hat «Dovi» oft genug erzählt.
Auch das sind unerfreuliche Nachrichten für Jorge, denn er zählt nicht zu den fittesten MotoGP-Piloten.
Ducati: Warum hat sich Lorenzo das angetan?
Warum hat sich Jorge Lorenzo nach drei WM-Titeln bei Yamaha dieses fragwürdige Ducati-Abenteuer angetan?
Er spürte bei Yamaha 2015 sehr deutlich, dass der Großteil des Teams und der Yamaha-Manager einen Weltmeister Rossi lieber gesehen hätte als einen Weltmeister Lorenzo.
Als Jorge auf dem Podest in Sepang nach dem Zusammenstoß Rossis mit Márquez den Daumen nach unten streckte, offenbarte er seinen wahren Gemütszustand, den er das ganze Jahr lang mit viel Aufwand verborgen hatte. Da kam der schwelende Zwist mit dem Teamkollegen deutlich ans Tageslicht.
Es tat dem Mallorquiner in der Seele weh, als er sah, wie rasch sich Marc Márquez in Spanien als neuer Publikumsliebling etabliert hatte und wie hoch die Wertschätzung bei Yamaha gegenüber Rossi war.
Während sich Lorenzo nach dem Titelgewinn 2015 selber lobte und sich nach dem Titel Nr. 5 mit Ayrton Senna auf eine Stufe stellte, da war zu sehen – er suchte nach Anerkennung. Bei Yamaha wurde sie ihm nicht im ausreichende Maße zuteil.
Die Fans ätzten: Lorenzo hat die WM nur gewonnen, weil Rossi nach dem Sepang-Clash beim Finale 2015 aus der letzten Reihe wegfahren musste.
Die europäischen Yamaha-Händler erlebten es 2016 im Februar in Madrid mit. Beim Dealer-Meeting nahm kaum jemand von Lorenzo Notiz, vom neuen Weltmeister, doch als Rossi auf die Bühne trat, ging ein Tumult los, es flogen Tische und Stühle, als die Händler nach vorne stürmten, um Rossi aus der Nähe zu sehen.
Lorenzo stand grübelnd im Abseits.
Als Rossi und Yamaha dann noch beim Katar-GP im März 2016 einen neuen Zwei-Jahres-Vertrag verkündeten, bevor der aktuelle Weltmeister verpflichtet worden war, fühlte sich der stolze Lorenzo brüskiert.
Der Spanier suchte ein Werk und ein Umfeld, das ihm mehr Wertschätzung entgegenbrachte – und fand es mit Ducati.
12,5 Millionen Gage allein für das Jahr 2017, das war ein weiteres stichhaltiges Argument für Lorenzo (44 Siege in 158 MotoGP-Rennen).
Damit kassiert er mehr als Márquez und Rossi.
Diese Gage bringt aber auch gravierende Nachteile mit sich. Denn sie übt Druck aus. Der Mallorquiner muss liefern.
Denn der pausenlos schnellere Dovizioso (zwei Siege in 162 MotoGP-Rennen) wird bei Ducati mit einer geschätzten Jahresgage von 1,5 Millionen abgespeist.
Lorenzo darf bei Ducati nicht scheitern
Jorge Lorenzo gehört unbestritten zu den drei besten MotoGP-Piloten der letzten zehn Jahre.
Aber Lorenzos Beliebtheitswerte hielten sich meist in Grenzen. Man verübelte ihm, dass er in den ersten MotoGP-Jahren Rossis Eskapaden in der Auslaufrunde nach Siegen nachäffte, in Jerez soff er fast einmal in einem Pool ab, und man verübelte ihm, dass er nach Verletzungen oft den Halbtoten mimte. Einst ließ er sich in Laguna Seca samt Sessel zur Qualifying-Pressekonferenz tragen, hielt aber am nächsten Tag mühelos und qietschvergnügt vorne mit.
Ob Jorge Lorenzo jemals bei Ducati an alte Erfolge anschließen kann, bleibt abzuwarten. Bisher ist Skepsis angebracht.
Bei Ducati sind schon Fahrer wie Bayliss, Melandri, Gibernau, Rossi, Hayden und andere gescheitert.
Bei Ducati wird man sich eines Tages die Frage gefallen lassen müssen, ob man nicht besser Andrea Iannone behalten, ca. 11 Millionen sparen und zuerst ein Bike bauen hätte sollen, das mehr als zweimal im Jahr zu Siegen fähig ist.
Valentino Rossi lacht sich jedenfalls ins Fäustchen.
Er kann mit Genugtuung beobachten, wie sich Lorenzo bei Ducati abstrampelt und hatte gute Aussichten, zum vierten Mal hintereinander Vizeweltmeister zu werden.
Und wenn Maverick Viñales ein paarmal patzen sollte, wird «The Doctor» zur Stelle sein.
Lorenzo muss diese Suppe jetzt auslöffeln. Bei anhaltender Erfolgslosigkeit könnte er sich für 2018 um eine Vertragsauflösung bemühen. Bei Movistar-Yamaha sind aber beide Plätze für zwei Jahre besetzt, bei Repsol-Honda auch, Suzuki und Aprilia können die Lorenzo-Gage nicht bezahlen, KTM auch nicht.
Jorge wird sich durchbeißen müssen.
Was man noch erwähnen muss: Edeltester Casey Stoner hat Ducati bisher nicht viel gebracht, wenn man von der Publicity nach einzelnen starken Testergebnissen absieht.
Stoner bändigte das Biest schon 2007, er ist der falsche Mann, wenn Ducati die Desmosedici benutzerfreundlicher, fahrbarer und ganzjährig wettbewerbsfähig machen will.
Wenn Lorenzo wie auf Schienen fahren will, ist er auf der Ducati fehl am Platz.
Jetzt fehlte nur noch, dass sich der Stoner zu einem Renneinsatz überreden lässt und den Nummern 04 und 99 um die Ohren fährt.