Nick Harris: Ein Blick hinter die Kulissen der MotoGP
Nick Harris
Nick Harris war die Stimme der MotoGP-WM. Über 40 Jahre war er im Motorsport als Journalist, PR-Manager, Autor und Kommentator tätig. 37 Jahre war er im MotoGP-Paddock unterwegs. Nach der Saison 2017 setzte er sich zur Ruhe.
SPEEDWEEK.com sprach mit Nick Harris über seine Erfahrungen, Erlebnisse und die Veränderungen während seiner Zeit in der Motorradweltmeisterschaft.
Nick, du kennst sie alle: Schwantz, Lawson, Rainey, Doohan, Rossi, Lorenzo und Márquez. Wenn du einen aussuchen müsstest, wer wäre es?
Es gibt zwei Fahrer, die den Sport tiefgreifend verändert haben. Der erste ist Kenny Roberts. Als der Amerikaner nach Europa kam, stellte er die Weltmeisterschaft und den Fahrstil auf den Kopf. Vorher war es eine Meisterschaft für Europäer. Zudem ist er ein sehr interessanter Charakter. Dann muss man noch Valentino Rossi nennen, denn er steigerte, ähnlich wie Barry Sheene, das Interesse an der Weltmeisterschaft deutlich. Es besteht kein Zweifel daran, dass er den Sport größer machte.
Man könnte sich für Valentino entscheiden, sollte aber nie unterschätzen, was Kenny geschafft hat. In Großbritannien darf man zudem nie vergessen, was Barry getan hat. Es gibt keinen anderen, der ist wie Barry Sheene. Jeder Brite kennt Barry. Sie alle haben dieses gewisse Etwas und die Gabe, dir sehr viel Selbstvertrauen zu schenken. Kenny ist ein so lustiger Typ. Wenn er dich beleidigt hat, war das ein Zeichen dafür, dass er dich mochte.
Wenn man wie du neun Monate im Jahr immer wieder von der Familie getrennt ist, wie gestaltet sich da das Privatleben?
Die wahren Helden dieses Sports sind die Familienmitglieder zuhause. Es ist unglaublich schwierig. Wir haben eine große Leidenschaft für das, was wir tun. Wenn ich dann zurück bin, muss ich trotzdem die dreckige Wäsche waschen. Man hat dann keine Lust, auswärts essen zu gehen, denn nach den Übersee-Rennen war man bereits drei Wochen lang jeden Abend in irgendeinem Restaurant. Man braucht dafür einen sehr besonderen Partner und sehr besondere Kinder. Ich hatte dabei sehr viel Glück. Das Reisen kann ein Grund für das Scheitern von Beziehungen und Ehen sein, denn man ist so oft nicht zuhause. Die Menschen im engsten Umfeld müssen sehr verständnisvoll sein. Sie müssen dich deiner Leidenschaft folgen lassen.
Sobald die jeweilige MotoGP-Saison vorbei war, übernahm bei dir der Fußball das Regiment.
Ja, ich habe zwei große Lieben im Leben: GP-Motorradsport und der Oxford United Football Club. Im Winter kommentierte ich Fußballspiele für BBC im Radio, im Sommer arbeitete ich in der MotoGP-WM. Manchmal sind auch Leidenschaften ein Job. Man braucht viel Disziplin dafür. In Oxford bin ich nicht die Stimme der MotoGP, sondern des Fußball-Clubs.
Abgesehen vom Tod von Marco Simoncelli in Sepang, gab es andere Ereignisse, die du gerne rückgängig machen würdest?
Ja, sehr viele. Shoya Tomizawa war einer der nettesten Menschen, die ich je getroffen habe. Er war ein Energiebündel und sehr lustig. Er war großartig. Im Fahrerlager stoppte er für die Fans, unterhielt sich und lachte mit ihnen. Mein Job ist es leider, darüber zu berichten und zu organisieren, wenn solch schreckliche Dinge passieren. Auch einer meiner besten Freunde Mick Patrick starb 1977 in Cadwell Park. Ich habe viel gelernt. Ein Kollege vom Radio rief mich an und sagte, dass ich vorbeikommen und einen Beitrag über ihn machen sollte. Ich wollte nicht. Doch er erklärte mir, dass das die beste Art ist, um an ihn zu erinnern und ihn zu ehren. Diesem Beispiel folgte ich seitdem immer. Ich war auch Pressesprecher für Rothmans, als Senna ums Leben kam. Traurigerweise war ich dabei. Erst wenn du nicht mehr arbeiten musst, wird dir klar, was passiert ist. Simoncellis Tod war live im TV zu sehen. Es war schrecklich, doch ich fürchte, das ist Teil des Jobs.
Welche Wünsche hast du für die MotoGP-WM? Willst du die Zweitakter zurück oder fünf Rennen in Großbritannien?
Die Zweitakter zurück, nein. Es war eine großartige Ära, denn die Fahrer waren phänomenal. Aber es brachte die Weltmeisterschaft nicht weiter, deshalb würde ich die Zweitakter nicht zurückholen. Fünf Rennen in Großbritannien? Das muss auch nicht sein.
Was war dein lustigster Moment als Kommentator?
Früher kommentierten wir in dem Raum, in dem auch die Interviews stattfanden. Einmal kam Valentino für sein Interview herein und begann, die Rennen zu kommentieren. Das war wirklich lustig. Ich kommentierte einmal für den australischen Sender «Channel 9» zusammen mit Barry Sheene und dem Formel 1-Weltmeister Alan Jones. Sie taten wirklich alles, um mich aus der Fassung zu bringen. Sie wendeten jeden Trick an. Mir wurde gesagt, dass ich das Gelände nicht betreten darf, sie sagten mir immer die falschen Zeiten für Meetings. Mein erstes Rennen kommentierte ich mit Barry. Ich war sehr aufgeregt. Er kam eine Minute vor dem Start, legte seine Beine auf den Schreibtisch und benahm sich wie immer. Es machte mit ihm immer Spaß, man wusste nie, was passiert. Zudem war es ein sehr gutes Training.