Jeremy Burgess: «Siege waren eine Erleichterung»
Jeremy Burgess führte GP-Stars wie Wayne Gardner, Mick Doohan und Valentino Rossi zu WM-Titeln. Der Australier konnte nach seinem Rücktritt Ende 2013 auf 28 Jahre als Crew-Chief in der Motorradweltmeisterschaft zurückblicken. In dieser Zeit feierte er mit seinen Schützlingen 148 GP-Siege und 13 WM-Titel in der Königsklasse.
«Wenn du gewinnst, hast du deinen Job richtig gemacht. Wenn Mick, Valentino oder Wayne ein Rennen gewonnen haben, dann war das mehr eine Erleichterung als alles andere, um ehrlich zu sein. Wir bereiteten das Bike vor, bestritten das Rennen und erreichten ein Ergebnis. Für mich gab es nicht viel, worüber ich aufgeregt sein konnte. Ich hatte einfach meinen Job gut gemacht», berichtet Burgess gegenüber «motogp.com».
Burgess erlebte in 28 Jahren als Crew-Chief große Triumphe, bittere Niederlagen und alles, was dazwischen liegt. «Wenn du verlierst, dann erkennst du als Erstes, dass du nicht gut genug bist. Mir machte ein zweiter Platz nichts aus, solange es einen Grund dafür gab. Wenn du keinen Grund kennst, dann hast du ein Problem.»
2004 war eines der bedeutendsten Jahre für Burgess, denn er verhalf Rossi nach dem Wechsel von Honda zu Yamaha zu einem brillanten Titelgewinn. «Wir wussten, dass es 2004 schwierig wird. Das gesamte Team hat sehr intensiv gearbeitet, damit wir die Schwierigkeiten meistern», berichtete Burgess, der vor seinem Wechsel zu Yamaha mehr als hundert GP-Siege mit Honda gefeiert hatte. «Natürlich hatten wir einen brillanten Fahrer, aber unser Bike war auch deutlich langsamer als das der Gegner. Wir taten, was wir konnten. Und Yamaha lieferte alles wie versprochen. Dieses Resultat erreichten wir also dank eines stetigen Weiterentwicklungsprozesses.»
«Yamaha rechnete erst nur mit zwei oder drei Rennsiegen 2004, um dann 2005 den Titel pünktlich zum 50. Jubiläum zu holen. Doch Valentino und ich fühlten, dass wir 2004 alles geben müssen, denn Honda zog alle Register.»
Burgess betont, dass ein Crew-Chief oft mehr Psychologe als Techniker sein muss. «Motorradsport hat viel mit dem Gefühl zu tun. Wenn es dem Fahrer ein besseres Gefühl gibt, mit einem goldenen Lenker zu fahren, dann gibst du ihm einen goldenen Lenker. Als Crew-Chief bist du immer an der Seite des Fahrers. Du musst diplomatisch sein. Ich denke, dass Übereinstimmung immer einfacher ist als Uneinigkeit. Es ist viel besser, wenn der Fahrer selbst herausfindet, dass etwas falsch ist, statt mit ihm zu streiten. Zwischen den Zeilen stand: ‹Okay, wir machen, was du willst, aber vielleicht wird es uns nicht helfen.› Du hast eine Meinung und er hat eine. Dann muss man herausfinden, welche Option die beste ist. Hier ist das psychologische Spiel wichtig.»
«Wenn du mit jemand lebhaften wie Mick testest, dann würde er sagen: ‹Wozu hast du dieses Bike gebaut? Ich werde es nicht fahren.› Dann sagst du: ‹Gib ihm fünf Runden am Ende des Tages.› Wenn er dem Bike dann ein paar Runden eine Chance gibt, sagt er hinterher vielleicht, dass es gar nicht so schlecht ist und wir die Arbeit damit fortsetzen», erklärt Burgess.