Streit Bartholemy & Marc VDS: Eskalation befürchtet
Die Box von Tom Lüthi heute in Le Mans. Es sieht alles normal aus
Jetzt droht die Situation im zerrütteten Marc VDS Racing Team unübersichtlich zu werden. Teamprinzipal Michael Bartholemy akzeptiert den Rausschmiss durch Teambesitzer und Bierkönig Marc VDS nicht. Er erschien am Freitagfrüh in Teamuniform und in Begleitung seines Rechtsanwalts im Fahrerlager.
Bartholemy kann als Eigentümer der Schweizer Firma MM Performance & Racing AG (Sitz: Obstmarkt 1, CH-9100 Herisau) und als Betreiber des Marc VDS-Rennstalls den Rennbetrieb theoretisch per sofort stilllegen. Denn alle rund 40 Teammitglieder haben ihr Verträge bei seiner Firma. Die bei der Bischoff + Scheck AG in Rheinmünster/D aufgebauten Trucks (deutsches Kennzeichen RA) und die Hospitality befinden sich wohl ebenfalls unter der Kontrolle und dem Zugriff von Bartholemy.
Das heißt: Theoretisch hat außer Bartholemy kein Mensch eine Befugnis, die Teammitglieder zu befehligen. Denn er bezahlt sie – wenn auch mit Sponsorgeld von Marc VDS, Estrella Galicia 0,0, Interwetten und so weiter. Die Geldgeber haben aber kein Interesse daran, ins Zwielicht gezogen zu werden.
Auch die beiden Moto2-Teamplätze von Alex Márquez und Joan Mir gehören der Bartholemy-Firma.
Immerhin: Die Fahrerverträge – wie jenen von Tom Lüthi – hat Marc van der Straten unterschrieben.
Michael Bartholemy bestreitet alle Vorwürfe von Marc van der Straten. Er steht im Verdacht, Geld auf die Seite geschafft zu haben. Doch bisher hat niemand gerichtsfeste Beweise gesehen, es gilt die Unschuldsvermutung.
Aber es sickern immer mehr Informationen und Gerüchte durch.
Die für Donnerstag 15.30 Uhr angesetzte Bartholemy-Pressekonferenz sei von Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta höchstpersönlich abgeblasen worden, war zu hören.
Und einer der Vorwürfe von van der Straten: Bartholemy soll ihm einen neuen Sechs-Jahres-Vertrag zum Unterschreiben vorgelegt haben, VDS unterzeichnete ihn in Treu und Glauben, er war aber in englischer Sprache abgefasst, und der Teambesitzer spricht so gut wie kein Englisch. «Französisch ist die schönere, elegantere Sprache», hat VDS einmal gesagt.
Der 70-jährige Bier-Milliardär Marc van der Straten ist nach dem mutmaßlichen Vertrauensbruch bitter enttäuscht, ist von Teammitgliedern zu hören. Van der Straten ist ein Nachkomme der belgischen Bierbrauer-Dynastie Stella Artois, die von seinem Urgroßvater gegründet wurde. Heute ist aus dieser Brauerei ein riesiger börsennotierter Konzern namens Anheuser-Busch InBev geworden, früher hieß er Interbrew. Die belgisch-brasilianische InBev-Gruppe ging im November 2008 durch die Übernahme der Anheuser-Busch Companies in der Anheuser-Busch InBev auf, zu der 200 Biermarken gehören. Ihre bekanntesten Marken heißen Budweiser, Corona, Jupiler, Stella Artois und Becks.
Van der Straten ist Großaktionär bei Anheuser-Busch InBev. In solchen globalen Konzernen ist es üblich, bei internen Skandalen in Deckung zu gehen, alles zu vertuschen und eine einvernehmliche Lösung zu suchen, um einen riesigen Imageschaden zu vermeiden.
Doch Bartholemy war offenbar an einer friedlichen Lösung nicht interessiert. Er ist von seiner Unschuld überzeugt und beteuert, VDS habe keine Beweise für ein Fehlverhalten. Die kurzfristige Absage des Schlichtungstermins in Genf vom vergangenen Montag deutet er als Beweis seiner Unschuld.
Wenn die Situation weiter eskaliert, können Dorna und IRTA Bartholemy und seinen Rechtsanwalt zu unerwünschten Personen erklären, beiden die Paddock-Ausweise abnehmen und sie aus dem Fahrerlager eskortieren, wie es 1993 in Assen mit dem ehemaligen FIM-Funktionär Jo Zegwaard und anderen Personen geschehen ist.