Marc VDS: Rückzug aus der MotoGP-WM nach 2018?
Luca Montiron mit Marc van der Straten
Alle 36 Mitglieder des Marc VDS Racing Teams warten auf Nachrichten der Teamführung im Hinblick auf den GP von Italien in Mugello. Nach der Absage des MotoGP-Tests auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya (22./23. Mai) durch den entlassenen Teammanager Michael Bartholemy weiß bisher niemand, ob Marc VDS in der Toskana antreten kann.
Und wenn ja, gilt das für beide Klassen – Moto2 und MotoGP?
«Wir haben diesbezüglich noch keine verlässlichen Neuigkeiten», stellte Tom-Lüthi-Manager Dani Epp am Freitagnachmittag fest.
Die Zukunft des Marc VDS-Teams bleibt ein Fragezeichen.
Teambesitzer Marc van der Straten hat am Sonntagabend nach dem Jerez-GP verkündet, er habe die Absicht, den Rennstall bis 2021 weiterzuführen.
Eine etwas schwammige Formulierung.
Jetzt muss zuerst einmal ein Ausweg aus dem Krach mit Bartholemy gefunden werden, sonst wird der Ruf des Teams, der Fahrer und der Sponsoren auf ewige Zeiten beschädigt.
Von der Marc-VDS-Seite ist zu hören, Michael Bartholemy habe eine Abfindung inklusive Vertuschung aller mutmasslich unliebsamen Vorkommnisse ausgeschlagen.
Denn er hält sich für unschuldig oder ist zumindest überzeugt, Marc VDS könne keine Beweise für finanzielle Unregelmäßigkeiten vorlegen. Und bisher ist das auch nicht geschehen.
Michael Bartholemy, so wurde in Le Mans kolportiert, habe grimmige 3 Millionen Euro für eine friedliche Einigung gefordert. Da winkte van der Straten dankend an. Jetzt haben die Rechtsanwälte das Kommando übernommen.
Der neue Teamprinzipal Luca Montiron, bisher von VDS nicht offiziell in seiner Funktion vorgestellt, hat jetzt zwei Baustellen zu bearbeiten: Er muss das Team kurzfristig wieder an die Rennstrecke zurückführen – und langfristig ein nachhaltiges Konzept für den Fortbestand des Rennstalls vorlegen.
Insider aus dem Umfeld des Bier-Milliardärs van der Straten vermuten jetzt, der 70-jährige Motorsportfreund werde sich womöglich aus der MotoGP-WM zurückziehen.
Ein Blick auf das Budget lässt diese Überlegung als betriebswirtschaftlich höchst sinnvoll erschienen.
Denn das VDS-Gesamtbudget für beide Klassen liegt bei 14,5 Millionen Euro. Die Moto2-Klasse kostet nur 2,5 Millionen im Jahr, die MotoGP bei zwei Piloten hingegen 12 Millionen.
Aber in der Moto2 hat VDS schon drei WM-Titel, drei zweite WM-Ränge und 28 Siege eingefahren. In dieser Kategorie fuhren Alex Márquez und Joan Mir in Le Mans auf die Ränge 2 und 3.
In der fast sechsmal so teuren MotoGP-WM hat Franco Morbidelli in fünf Rennen nur 16 Punkte erbeutet, der aktuelle Moto2-Weltmeister ist WM-Sechzehnter; Teamkollege Tom Lüthi steht ohne Punkte da.
Die Sinnhaftigkeit der Fortführung des MotoGP-Teams erscheint unter diesem Gesichtspunkt als fragwürdig, auch wenn der MotoGP-Vertrag für die zwei Startplätze mit der Dorna bis Ende 2021 gilt.
Die These vom geplanten Rückzug bekam in den letzten Tagen weitere Nahrung, weil Marc VDS keine Eile mehr an den Tag legt, wenn es um das MotoGP-Material für 2019 und die Jahre danach geht.
In den ersten vier MotoGP-Jahren wurde mit Honda gefahren. Zuletzt wurde monatelang auch mit Suzuki und Yamaha verhandelt. Eigentlich sollte bis Ende März ein Deal besiegelt sein. Zwei Monate später existiert immer noch keine Vereinbarung.
Suzuki hat inzwischen entschieden: Wir machen kein MotoGP-Kundenteam für 2019. Und die Verhandlungen mit Yamaha sind durch die Querelen Marc VDS/Bartholemy ins Stocken geraten.
Graf Marc van der Straten steckt momentan jährlich 4 Millionen Euro pro Saison aus seiner Firma in den Motorrad-GP-Sport. Damit könnte er künftig fast zwei MotoGP-Jahre ohne Sponsoren finanzieren.
Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta würde VDS bei einem MotoGP-Rückzug vermutlich dankbar auf die Schulter klopfen, denn er alimentiert das nicht gerade erfolgreiche VDS-MotoGP-Team momentan jährlich mit 5,5 bis 5,8 Millionen Euro.
Klar, Sponsor Estrella Galicia 0,0 (eine alkoholfreie Biermarke) hat sich mit Marc VDS verbündet, um den hauseigenen Moto3- oder Moto2-Fahrern wie Aron Canet und Alex Márquez dort eine Aufstiegsmöglichkeit in die Moto2 und MotoGP zu ermöglichen. Ob diese Möglichkeit bei einem MotoGP-Wechsel von Honda zu einem anderen Fabrikat weiter erwünscht ist, bleibt fraglich. Denn Alzamora ist als Marc Márquez-Manager und Besitzer des Estrella-Moto3-Teams ein Honda-Getreuer.
Die Dorna würde recht rasch interessierte Teams (aus der Moto2 oder SBK) für die Übernahme der beiden MotoGP-Plätze von Marc VDS finden, vielleicht auch getrennt mit nur je einem Fahrer in zwei separaten Teams. Sie kann aber die beiden Plätze auch eine Weile unbesetzt und 22 statt 24 Stammfahrer auftreten lassen, bis Rossi einen oder zwei Plätze für sein eigenes SKY-VR46-Yamaha-MotoGP-Team beansprucht – für seine Schützlinge Bagnaia und/oder Morbidelli.
Tom Lüthi ahnt bereits, dass er womöglich in die Moto2-Klasse zurückkehren muss. Franco Morbidelli könnte beim Aprilia-Werksteam neben Aleix Espargaró fahren, bei Tech3-KTM – oder eine weitere Moto2-Saison.