Fix: MotoGP-Finale nicht in Valencia

Márquez-Attacke: Muss man Mitleid mit Lorenzo haben?

Von Günther Wiesinger
Ganz harmlos war die Attacke von Marc Márquez in der Startkurve beim Aragón-GP gegen Jorge Lorenzo nicht. Eine Strafe wäre nicht unangebracht gewesen.

Nach dem MotoGP-Rennen auf dem Motorland Aragón erhitzten sich die Gemüter. Ducati-Werksfahrer Jorge Lorenzo, von der Pole-Position aus gestartet, wetterte nach seinem Highsider-Sturz ausgangs Kurve 1, sein Landsmann Marc Márquez habe ihn quasi nach außen gedrängt, das sei ein «block pass» gewesen, wie man ihn vom Motocross kennt. Darunter versteht man ein rücksichtsloses Überholmanöver, bei dem beide stürzen, wenn der Gegner nicht nachgibt und ausweicht oder das Motorrad aufrichtet.

Ja, klar, Marc Márquez hat bei der Anfahrt zur ersten (Links-) Kurve wenig Rücksicht auf seine eigene Linie genommen, er wurde rausgetragen oder er ließ sich raustragen, bis er Lorenzo im Dreck erblickte, also auf dem rutschigen Teil des Fahrbahnbelags.

Dort kam Jorge genauso zu Sturz wie Marc Márquez 2015 beim berühmten «Sepang Clash», als Rossi und der Weltmeister von Repsol-Honda aneinandergerieten. Für Márquez war damals sein eigenes Rennen nebensächlich, er fuhr wesentlich langsamer als im Training und überließ den Sieg seinem Teamkollegen Dani Pedrosa.
Márquez hatte nichts Anderes im Sinn, als Rossi auszuschalten, er machte sich auch nicht auf die Verfolgung des Zweitplatzierten Jorge Lorenzo.

Márquez war damals außer sich vor Wut, weil ihn Rossi bezichtigt hatte, beim Australien-GP mit Lorenzo gemeinsame Sache gemacht zu haben.

Valentino Rossi verlor irgendwann die Nerven und beförderte seinen Widersacher Marc Márquez so lange Richtung Pistenrand, bis dieser im Dreck ausrutschte und stürzte.

Rossi bekam drei Strafpunkte und musste als Konsequenz zur Strafe beim Valencia-GP-Finale vom letzten Startplatz losfahren. Auf dem Podest in Sepang reckte Lorenzo den Daumen nach unten: Er forderte eine härtere Strafe für seinen damaligen Yamaha-Teamkollegen Rossi! Eine unnötige Geste. Denn Lorenzo wurde danach mühelos Weltmeister, Rossi verlor in Sepang jegliche Titelchance.

?Ich will jetzt nicht den Richter spielen. Aber die Situation von Aragón offenbarte eine gewisse Ähnlichkeit mit jener in Sepang. Der Unterschied: Marc Márquez ging am Sonntag straffrei aus.

Dabei ist er ein Wiederholungstäter. Allein beim Argentinien-GP bekam er 2018 in 40 Minuten drei Penaltys! Das ist Weltrekord.

Aber der Repsol-Honda-Star, der 2018 den sechsten Titel in fünf Jahren gewinnen wird, ist ein Schlitzohr. «Ich habe sehr spät gebremst vor dem Turn 1, das Vorderrad ist weggerutscht, ich musste den Slide abfangen und bin deshalb weit nach außen getragen wurden», schilderte der Märchenprinz aus Spanien bei den ersten TV-Interviews.

Race-Director Mike Webb sprach von einem «racing incident», von einer normalen Rennsituation.

Muss man mit Jorge Lorenzo Mitleid haben?

Ja, ein bisschen. Denn dem MotoGP-Weltmeister von 2010, 2012 und 2015 fehlt die Raubeinigkeit seines Landsmanns Márquez. Er ist kein Rabauke, er hat aus seiner 250-ccm-GP-Zeit gelernt, als er nach dem Motegi-GP 2006 für ein Rennen gesperrt wurde. Lorenzo gilt heute als Gentleman-Fahrer.

Der Mallorquiner wetterte zwar in Aragón über Márquez, aber er räumte ehrlich eine Teilschuld ein. «Ich wollte nicht fünf oder sechs Plätze verlieren, deshalb habe ich im Dreck das Gas aufgerissen, statt neben die Piste und einen riesigen Umweg zu fahren.»

Deshalb verzichtete Jorge Lorenzo, dem die Herzen sowieso nicht zufliegen, auf einen Protest. Er fügte sich in sein Schicksal.

«Márquez hat mein Rennen zerstört, meinen Fuß ruiniert, meine Siegchance und vielleicht auch meine Teilnahme am Thailand-GP vermasselt», schimpfte Jorge.

Makaber: 2019 und 2020 werden Márquez und Lorenzo das Repsol-Honda-Werksteam bilden.

Als Lorenzo 2008 als Neuling zu Yamaha kam, ließ Rossi in der Box eine Mauer zwischen den beiden Fahrern errichten.

?Vielleicht existiert dieses Bauwerk noch. Dann wird es Lorenzo voraussichtlich – zumindest symbolisch – zu Honda mitnehmen.

Ein Dream Team sieht anders aus.

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